LOST PLACES OF PUNK AND HARDCORE - Teil 3

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Das Berlin von Köfte, MAD SIN

Da ich in Berlin-Schöneberg aufgewachsen bin und auch dort auch meine Rock’n’Roll/Psycho-Laufbahn startete, bin ich mal wieder durch den Kiez rund um den Nollendorfplatz gegangen und habe die Zeit etwas Revue passieren lassen. Hier nun meine Geschichten zu den Fotos.

Vinyl Boogie

Vinyl Boogie, der legendäre Plattenladen, war hier in der Gleditschstraße 45. Boss und Plattendealer war kein Geringerer als Tante Vinyl Andy. Dort habe ich mit 1981 im Alter von elf Jahren meine erste Neo-Rockabilly-Scheibe von meinem gesamten Ersparten gekauft. Es war „Jeepster“ von den POLECATS – bis heute ein Hammersong, mega Sound! Im vorderen Teil des Ladens kümmerte sich Andy um die Rockabilly-, Punkabilly- und Ska-Scheiben und hinten standen die Punkrock- und Hardcore-Punk-Singles unter der Leitung von Hansi. Man ging auch einfach zum Abhängen und Sechserträger wegballern hin. Man traf dort immer Leute. Als Schulschwänzer konnte man im Keller ausschlafen, während die Mutter zu Hause dachte, man sei in der Schule, und ging dann um zwölf Uhr ins Vinyl. Tante Vinyl war viel in der schwulen Nachtszene unterwegs und öffnete daher auch zu menschenwürdigen Zeiten. So manche anrüchige und wassersportartige Szenen spielten sich auch gerne mal hinter geschlossenen Türen vom Vinyl Boogie ab, aber das war nicht so meins. Das Korea-Label, auf dem unter anderem die WALTONS und auch die ROUGHNECKS erschienen, lief auch unter Andys Fahne. Ach, geniale Zeiten. Nach dem Ende, verursacht durch die „neue“ Zeit und die großen Läden, war Schluss. Lange hieß es, Andy sei tot, aber ich hab ihn vor ein paar Jahren auf einem MAD SIN-Konzert in Dresden getroffen. Mann, war die Freude groß! Wir haben die alten Zeiten gefeiert. Andy ist ein richtig Guter. Falls er das hier liest: Knutscha, aber uff die Wange! Haha!

Winterfeldplatz
Hier waren früher oft die großen Schlachten zwischen Punks und Teds. Später, so 1980/81, bis zu meiner Zeit, waren es Teds und Punks zusammen gegen die Popper. Das kam ab und an auch mal in den Nachrichten. Verrückte Zeiten. Man hatte immer eine Schere, ein Springer oder nen Schlagring dabei, und wenn man auf Popper gestoßen ist, hat man den Popperscheitel als Trophäe mitgenommen. Es ging sehr ruppig zu in dieser Zeit, man war immer auf der Hut. Mir wurde nur einmal meine Ted-Locke mit einem Feuerzeug von ein paar Poppern abgesengt. Ansonsten gab es nur das übliche Gerangel und Hauereien. Zu der Zeit habe ich auch die ersten Skins gesehen. Der große Bruder eines Mitschülers war damals einer der ersten in Berlin. 1982 dann die ersten Psychobillys und Ende 1983 war es um mich geschehen. Der Winterfeldplatz war wie ein „Wanderers/Warriors-Szenario“. Es war eben die Zeit. Ich bin mit meinem Klapprad vorbeigefahren und habe mich als Zehnjähriger an der Ecke versteckt, haha.

Die Ruine
Hier war früher die Ruine – eine echte Ruine. Ein zerbombtes Haus, das nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder aufgebaut wurde, und darin befand sich die Kneipe Ruine. Dort waren Punks anzutreffen, aber auch Freaks aller Couleur, Künstler, Penner, etc. Ein bunter Haufen Durchgeknallter. Lustig war es. Ich war leider ein bisschen zu jung, um das wirklich zu verstehen. Aber es war genial, einfach einmalig.

Peters Rock n’Roll Kneipe
Tja, das war mal die berühmte Rock’n’Roll-Pinte. Im Schaufenster war ein Teddyboy gemalt und es waren auch immer irgendwelche Teds am Start. Später kamen auch ab und zu Rockabillys. Ach, ist eine geile Zeit gewesen. Rund um die Uhr offen, nur geile Mucke in der Musikbox. Hinterm Tresen stand oft eine Transe, die unglaublich cool war, und sie hatte immer nen krassen Spruch drauf. Die Peter-Teds und später dann auch die Crickets haben dort dominiert. Wilde Nächte habe ich dort verbracht. Als Elfjähriger konnte ich sogar schon mittags, nachmittags und am frühen Abend rein. Ich hatte nie Kohle, habe mir aber immer ein Bierchen zusammengeschlaucht und abgehangen. Mann, wurde ich dort als Kiddie gehänselt. „Micky Maus“ haben sie mich genannt. Warum? Keine Ahnung, vermutlich weil ich so jung war und „Micky Maus“-Hefte so ein Kinderding waren? Ich weiß es nicht, haha. Tja, und jetzt ist da so eine Touri-Hipster-Scheiße drin. Das ist wohl der Lauf der Dinge. Wehmütig. Felse (bekannt als Bela B) parkte seine Harley immer in der Nähe von Peters Kneipe, weil er dort wohnte. Irgendwann haben wir das mitbekommen und ihm die Reifen zerstochen, weil man ja „sooo cool“ war und DIE ÄRZTE so „Bravo-Teenie-Kram“ waren. Ein paar Jahre später habe ich Bela B das mal im Sexton Club gebeichtet. Ich erinnere mich an seine Reaktion. Er lachte nur und sagte: „Ach, ihr wart das! Hätte ich mir ja denken können!“ Dann haben wir gefeiert und im Rausch GG Allin- und Ted Herold-Songs gesungen. Seitdem liebe ich die alte, coole Socke. Der Sexton Club war übrigens um die Ecke, genialer Laden. Und das Caldonia vom Eddie auch. Eine geile Rock’n’Roll-Bar, aber das war etwas später.

Metropol
Tja, das Metropol. Sozusagen das Berliner Hammersmith. Meine Güte, wen ich da alles gesehen habe. Das Loft war der kleinere Laden mit Seitenaufgang, unser zweiter Auftritt war dort. Ein großartiger Laden, das Loft: immer geiler Sound und mega Stimmung. TOY DOLLS, FUZZTONES, KING KURT, GUANA BATZ, DEMENTED ARE GO. Und dann im Metropol MOTÖRHEAD, SLAYER, CRAMPS, RUN DMC, STRAY CATS, Iggy Pop und, und, und. Meinen ersten LSD-Trip habe ich dort genommen, denn wenn keine Konzerte waren, war das ein riesen Club. Einesnachts dann, habe ich ihn mir gegeben, 1985. Geendet bin ich nackt auf dem Ku’damm auf einem Horrortrip: die Schaufensterpuppen vom KaDeWe sind mir entgegengekommen und ich bin um mein Leben gerannt, haha.

Café Swing
War immer ein guter Laden zum Vorglühen oder wenn dort Konzerte waren. Denn dann wurde die Sitzfläche zur Bühne und es ging ab. Hab im Café Swing viele Bands gesehen und abgefeiert. MAD SIN haben in der ganz frühen Phase dort auch mal gespielt. Eigentlich jede Berliner Band: LOLITAS, WALTONS, etc. Unseren alten Drummer Andy Laaf habe ich dort ebenfalls kennen gelernt, da er dort jahrelang hinter der Theke gearbeitet hat.