LUCIFER STAR MACHINE

Foto© by Jan Season

Der Mittelfinger fürs Spießergesicht

Der Teufel hat den Schnaps gemacht ... und auch den Rock’n’Roll. LUCIFER STAR MACHINE wissen das und deshalb, auch weil man damit so schön triggern kann, gibt es hier die volle Dosis Luzifer – mit einem Augenzwinkern. Dieser Tage erscheint ihr neues Album „Satanic Age“ auf The Sign Records, und auch da gibt es wieder die volle Dosis aus Punkrock, Hardcore, Deathrock und Rock’n’Roll. Ich sprach mit Sänger Tor Abyss, dessen Band dieses Jahr nach US-Maßstäben volljährig wurde.

Tor, wann stand bei dir zuletzt jemand in missionarischer Absicht vor der Tür und wollte mit dir über Gott reden?

Das ist tatsächlich schon eine Weile her. Ich mache normalerweise gleich wieder die Tür zu, da ich nicht den Drang verspüre, gehirngewaschene Menschen von meiner Meinung zu überzeugen. Das ist aus meiner Sicht völlig sinnlos. Ungefähr so wie eine Diskussion auf Facebook.

Wen regt man eigentlich 2023 noch auf mit Teufel, Satan, Luzifer? Seine Oma? Die Nachbarn wegen des Bandaufklebers auf dem Briefkasten oder Auto? Die Menschen in der Kita oder der Schule, wenn du deine Kids ablieferst?
Es ist eigentlich gar nicht meine Intention, Leute damit aufzuregen. Wenn sich Menschen aufregen wollen, finden sie sowieso immer etwas. Es gibt schon noch genug Christen, denen du wohl damit an den Karren pisst, aber die jüngere Generation triffst du sicher härter, wenn du nicht genderst oder die falschen Pronomen benutzt. Ich hatte schon immer Spaß an Horror und dunkleren okkulten Geschichten. Als ich mich dann vor langer Zeit das erste Mal richtig mit Satanismus beschäftigt habe und die Satanische Bibel verschlungen habe, wurde mir bewusst, dass diese Philosophie genau dem entspricht, was ich sowieso schon für mich entschieden hatte: Tue was du willst, solange du nicht die Freiheit anderer einschränkst. In der Satanischen Bibel ging es zum Beispiel bereits in den Sechziger Jahren um sexuelle und geistige Freiheit. Der Teufel symbolisierte ja immer nur die Antihaltung zur Kirche. Ich glaube genauso wenig an einen Typen mit einer Mistgabel, der im Fegefeuer sitzt, wie an irgendeinen Gott.

Und „Cunt of destruction“ ... dreht sich um was?
Um Leute, die eine Meinung vertreten, die in ihrem Umfeld oder in den Medien angesagt ist, und sich selbst keine eigenen Gedanken dazu machen oder das Thema weiter hinterfragen. Die Woke Culture hatte ursprünglich ja etwas Positives. Das Bewusstsein für gesellschaftliche Themen zu stärken, ist mit Sicherheit nicht dämlich. Jedoch ist das meiner Meinung nach völlig aus dem Ruder gelaufen und verkommt zur Lachnummer. Bei manchen Extremisten hast du ja schon verloren, wenn du nicht Teil einer Minderheit bist, selbst wenn du völlig liberal und offen eingestellt bist. Da werden ja schon gar keine Fragen mehr gestellt. Da werden Leute angepisst, die eigentlich schon immer auf der „richtigen“ Seite waren. Ich denke, aus einer positiven Idee ist inzwischen etwas Destruktives geworden. Aber ich hoffe, das wird sich langsam bei einem gesunden Mittelmaß einpendeln.

Wir hatten im Vorfeld des Albums eine kurze Diskussion um euren Song „Censorshipped“. Zensur ist das, was in Diktaturen wie China oder Russland läuft, du hattest aber wohl auch einen Hals wegen einer Diskussionskultur hierzulande, in der bestimmte Dinge vermeintlich nicht mehr gesagt werden dürfen oder können. Was war der Auslöser, worum geht es in dem Stück ganz konkret?
Der Text wurde 2020 geschrieben, lange bevor in Deutschland das Phänomen „Cancel Culture“ heiß diskutiert wurde. Du sprichst bei deinem Vergleich von Medien- beziehungsweise Informationszensur. Bei dem Song geht es aber in erster Linie um die freie Meinungsäußerung. Es geht darum, Fehler machen zu dürfen. Es geht darum, aus Fehlern zu lernen und sich selbst zu verbessern. Dies ist nicht möglich, wenn irgendwelche Leute dich und dein Leben zerstören wollen, weil du vor zehn Jahren eine dumme Bemerkung gemacht hast, selbst wenn du jetzt ein völlig anderer Mensch bist. Solche Initiativen werden dann oft von jungen Menschen gestartet oder unterstützt, die selbst keinerlei Lebenserfahrung haben. Ich denke sowieso, dass Selbstreflexion heute nicht mehr stark im Trend ist, da jeder meint, die Weisheit für sich gepachtet zu haben und nur noch mit dem Finger auf andere zeigt.

Zwei Gäste sind auf dem neuen Album dabei, wobei, das heißt neudeutsch ja „Features“. Stell die bitte mal vor – und warum die?
Sparky von DEMENTED ARE GO ist bei „Psychic vampires“ zu hören. Obwohl Psychobilly eigentlich keinen großen Einfluss auf unsere Musik hat, haben LUCIFER STAR MACHINE einen starken Bezug zu der Szene. Rene von THE BRAINS hat zum Beispiel unser drittes Album „Rock’n’Roll Martyrs“ gemastert, Köfte von MAD SIN hat in unserem Video „El camino real“ mitgespielt und nun lag es nahe, Sparky zu fragen, ob er bei einem Song von uns mitsingt. Wir kennen uns schon ewig, unsere Bands haben schon oft zusammengespielt. Unser Gitarrist Ramon hat mit ihm auch schon bei DEMENTED SCUMCATS zusammengespielt. Er hat seine Tracks dann auch in Holland aufgenommen, da beide dort wohnen. In „Hard Luck Mary“ geht es um eine Witwe, die von Trauer zerfressen ist und deren Mann aus dem Jenseits zu ihr spricht. Jedenfalls hatten wir diese Idee für ein Duett. Die Stimme von Kit Swing, einer befreundeten Sängerin aus London, war dafür perfekt. Checkt mal ihre Band SEVEN DAYS AND DOESN’T DIE.

In der Vergangenheit rotierte bei euch öfter das Besetzungskarussell. Was ist seit dem letzten Album von 2020 passiert?
Kurz vor den Aufnahmen zu „Satanic Age“ hat uns unser Drummer und ein Gitarrist verlassen. Beide aus unterschiedlichen Gründen. Daher mussten wir einen Freund von uns beauftragen, das Album einzutrommeln. Ich denke, das kam uns zu dem Zeitpunkt eigentlich zugute. Benni von der Band HARDBONE hat schon die Drums für das vorherige Album eingespielt und ist einfach super schnell und solide. Die Gitarrenspuren hat dann Mick alle übernommen, der mit mir zusammen sowieso alle Songs geschrieben hat. Es dauerte dann eine Weile, bis wir Ersatz gefunden hatten, aber die Neuzugänge waren das Warten wert. Wir wollten einen Schritt nach vorne machen und deshalb musste diesmal das Gesamtpaket zu 100% stimmen. Ramon war vorher Gitarrist bei MAD SIN und einigen anderen bekannten Bands und ist ein super versierter Musiker, genauso wie Ex-TEENAGE LOVE GUNS-Drummer Captain Fettsau, der dir alle Lampen auskloppt. Wir hatten immer Besetzungsschwierigkeiten, aber ich habe diesmal ein super Gefühl, da wir alle an einem Strang ziehen und jeder den gleichen dämlichen Humor hat.

Verrate mir doch mal, welchen fünf Alben du auf ewig worshippen wirst – und warum?
Erstens: TURBONEGRO „Apocalypse Dudes“. Diese Platte hat mich dazu bewegt, LUCIFER STAR MACHINE zu gründen. Ich glaube, ich habe keine LP so oft gehört wie die. Da war einfach alles dabei, was ich geil fand. Die Band hatte ein theatralisches Image, trashigen Humor und die Mucke war beeinflusst von den coolsten Rock’n’Roll-, Metal- und Punkbands der Musikgeschichte. Zweitens: MISFITS „Static Age“. Danzig hatte so ziemlich den größten Einfluss auf meinen Gesang. Die alten MISFITS-Scheiben und die ersten drei DANZIG-Alben sind nach wie vor absolute Knaller, die ich immer wieder auflege. Die Ähnlichkeit unseres Albumtitels „Satanic Age“ zu „Static Age“ war übrigens nicht bewusst so gewählt. Mich musste tatsächlich ein Kumpel darauf hinweisen, als die Platte schon im Presswerk war, haha. Drittens: ZEKE „Death Alley“. Nach wie vor eine Hammer-Band, aber diese Platte ist unerreicht. Die hatte ich mir damals noch von Interpunk in den USA bestellt. Sie haut dir von vorn bis hinten konstant eine in die Fresse, hat aber trotz des hohen Tempos und der Brutalität noch richtig geile Hooks. Viertens: KISS „Unmasked“. In dieser Top Five muss einfach ein KISS-Album sein, da das die erste Band war, die ich als Kind richtig geil fand, bevor ich später auch auf TWISTED SISTER, W.A.S.P. und MÖTLEY CRÜE stieß. Mein komplettes Zimmer war damals mit KISS-Postern tapeziert. „Unmasked“ mögen viele KISS-Fans nicht, weil es ihnen zu weichgespült und poppig ist. Ich hatte aber schon immer eine Schwäche für geile Melodien und das Songwriting ist bei diesem Album einfach phänomenal. Deshalb haben wir auf „Satanic Age“ auch den Song „Naked city“ gecovert. Fünftens: DWARVES „Must Die“. Definitiv eine meiner Lieblingsbands. Bringen nach wie vor richtig gute Alben raus. Guter grober Humor und schön immer den Mittelfinger ins Spießergesicht. Die Platten sind auch richtig gut produziert und musikalisch vielfältig.