MAGDEBORED

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Ein Hoch auf die Komplexität

So manche sitzen sicher hin und wieder missmutig zu Hause rum und fragen sich, warum sie als Teenager keine Band gegründet haben. Dass es aber nie zu spät ist, beweisen MAGDEBORED. Die vier Leipziger:innen Jan (voc), Cassi (bs), Jana (dr) und Lukas (gt) haben den Missmut in den Wind geschlagen und veröffentlichen mit „Es bleibt: komplex“ ihr erstes Album. Jana und Jan erzählen im Interview von der Reise hin zur ersten Platte.

Wie habt ihr euch als Band zusammengefunden?

Jana: Lukas und Jan haben sich zuerst zusammengefunden. Die zwei waren schon befreundet und wollten gern mal eine eigene Band starten. Lukas wollte Gitarre spielen und bei Jan war klar, dass es Gesang wird. Er hat ja auch immer schon gerne Gedichte geschrieben.

Du hast Gedichte geschrieben?
Jan: Ja. Manche sagen moderne Lyrik, manche sagen Gedichte, andere sagen weder noch. Es ist ganz praktisch, dass ich jetzt eine Band habe, in der ich die Texte verbraten kann.

Hast du die Texte mal anders verbraten als im Bandkontext?
Jan: Als Jugendlicher habe ich an Lyrikwettbewerben teilgenommen.

Poetry Slams?
Jan: Nee, das war damals im ländlichen Raum von Deutschland noch nicht hip.
Jana: Irgendwann kam Jan auf mich mit dem Plan einer Band zu, weil er wusste, dass ich wieder Schlagzeug spielen wollte.
Jan: Ich hatte Bock, das mit dir zu machen, und wusste, dass du spielen willst, aber es schon länger nicht umsetzt. Für den Bass war anfangs Mus dabei. Später kam dann Cassi als Bassistin zu uns.

Und so sind MAGDEBORED geboren. Ist das „Angefressen“-Tape dann schnell entstanden?
Jana: Wir haben im Mai 2018 mit Proben angefangen und im November unser erstes Konzert gespielt. Im Mai darauf war das Tape da. Ein Jahr nach der Gründung.
Jan: Es ist ja von uns allen die erste Band, daher mussten wir einfach mal sehen, was passiert. Hätte auch sein können, dass wir nach drei Monaten sagen, dass es ja ganz nett war, aber doch nicht so richtig funktioniert.
Jana: Dass es doch so gut funktioniert und direkt das Tape entstanden ist, war zumindest für mich sehr überraschend.

Euer neues Album heißt „Es bleibt: komplex“. Viele Punkbands mögen es ja sehr klar in ihren Aussagen und ihrer Haltung. Ist dieser Titel ein Kommentar auf Punk?
Jan: Wenn, dann ein Kommentar auf Punk, auf die Gesellschaft, auf die Welt, auf Politik, auf gesellschaftliche Zusammenhänge, auf Diskriminierung und so weiter. Einfache Antworten sind mir meistens suspekt und das spiegelt sich auf dem Album wider. Mir fällt zu jedem Argument noch ein Gegenargument ein, auch für mich selbst. Im Titel steckt aber eine Doppeldeutigkeit. Es geht auch um die Redewendung „Komplexe haben“, also um persönliche Unsicherheiten.

Im Vergleich zu „Angefressen“ habt ihr einen Sprung gemacht, was den Sound betrifft. War euch das Tape rückblickend zu rauh und schrammelig?
Jana: Wir haben uns im Vorhinein kein Ziel für den Klang gesetzt. Mittlerweile sind wir alle besser an unseren Instrumenten und so ist die Musik auch komplexer geworden.
Jan: Wir haben alle mehr dazugelernt und wollten das auch umsetzen. Es wäre uns zu langweilig gewesen, genau wie am Anfang zu spielen.

Im „Bierschinken“-Podcast habt ihr darüber debattiert, in welches Genre sich eure Musik fassen lässt. Interessant daran war, dass das Wörtchen Emo gar nicht gefallen ist, was mir zu eurer Platte aber schon in den Sinn kommt.
Jan: Wir haben nach dem Podcast nicht noch mal darüber gesprochen. Wo wir uns einig sind: Das ist Punk mit deutschen1 Texten. Weil ich keine andere Sprache kann. Es ist zu hören, welche Bands wir mögen und wo unsere Schnittmengen sind. Zum Beispiel RATTENGOLD, KOMMANDO SONNE-NMILCH, EA80, DUESENJAEGER oder TURBOSTAAT.

Das Album erscheint zum einen als Tape auf Jans Label Jean-Claude Madame und auf Vinyl dann bei SM Musik. Wie kam das zustande?
Jan: Mit Jean-Claude Madame mache ich zusammen mit meinen Freunden Dennis und Ali seit Jahren hauptsächlich Tapes und das war natürlich der kürzeste Weg. Stahni von SM Musik ist einer der Menschen, die ich am längsten in Leipzig kenne. Wir haben uns damals bei ihm am Plattenstand kennen gelernt und da treffen wir uns immer gerne wieder. Wir haben auch noch einige andere Labels angefragt, von den meisten gab es aber Absagen. Stahni hatte zwar auch keine Kapazitäten, aber hat es dann trotzdem gemacht.

Im Song „Mimimikry“ kommt ein schöner Neologismus vor: „Identitäter“. Könnt ihr mir dazu mehr erzählen?
Jan: Gemeint ist damit die neue Rechte mit ihrer identitären Politik. Es geht darum, wie sich die Rechte als Opfer stilisiert, aber Täter ist. Das Wort „Identitäter“ ist tatsächlich geklaut von einer jungen Lyriker:in, die ich mal live in Bremen gehört habe. Der Begriff ist hängen geblieben. Er soll sich nicht nur auf diese identitäre Bewegung beziehen, sondern allgemeiner auf die neue Rechte.

Auf Bandcamp nennt ihr eure Mailadresse mit der Bitte um Hass, Liebe oder Kritik. Habt ihr tatsächlich mal eine Mail bekommen?
Jana: Bisher haben wir nur eine E-Mail erhalten. Da hat uns eine Person gefragt, ob es noch Punk sei, eine Ersatzgitarre dabei zu haben. Leider ist das bisher die einzige Mail.
Jan: Ja, leider. Ich fände es schön, Feedback zu bekommen. Ich behandle in den Texten ausschließlich schwierige Themen und das macht ja was mit den Leuten. Ich will niemand vor den Kopf stoßen, außer vielleicht irgendwelchen Arschlöchern. Aber vielleicht finden Leute Formulierungen schwierig und da machen wir gerne das Gesprächsangebot. Indem wir unsere Musik veröffentlichen, gehen wir sowieso in den Diskurs, aber wir wollen auch das ausdrückliche Angebot machen, uns eine Mail zu schreiben, wenn Leute das möchten. Ich glaube, das ist tatsächlich ein Oldschool-Emopunk-Move.