MARATHONMANN

Foto© by Alexander Penndorf

Die wilden Achtziger

Die Münchener MARATHONMANN haben auf ihrer neuen Platte ihren Sound neuen, nein, alten Einflüssen geöffnet. „Maniac“ ist stark von den Vibes der Achtziger geprägt, atmet die Luft der Videotheken und fällt damit im Katalog der Band etwas aus dem Rahmen. Mit Sänger Michael Lettner sprechen wir über das Album und wie authentisch sein Bild der Achtziger eigentlich ist.

Ich weiß, ihr seid Filmnerds und für Fans der Filme dieser Epoche gibt es super viele Easter Eggs auf „Maniac“. Ich hatte dir ja auch mal zwischendurch geschrieben, als ich über diese Sachen gestolpert bin; da sind Anspielungen auf „Indiana Jones“ drin , auch „Star Wars“, jetzt in eurem Video „Knight Rider“, „Die unendliche Geschichte“ und so weiter. Da gibt’s viel zu entdecken, was ihr da reingepackt habt. Welches Lebensgefühl vermittelt dir diese Epoche und diese Filme?

Also zuerst muss ich sagen, dass du diese „Indiana Jones“-Anspielung bemerkt hast, das finde ich super! Ich glaube, das wissen nicht viele. Das ist ja in „Auryn“ und „Auryn“, da wissen auch viele nicht, dass es aus „Die unendliche Geschichte“ ist. Aber das freut mich natürlich dann immer zu zu hören, das liegt wahrscheinlich an unserem Alter. Ich finde einfach, dass die Achtziger Jahre super spannend waren, auch wenn ich da noch sehr jung war. Ich bin 1983 geboren, und habe jetzt auch nicht so viel mitbekommen. Aber wenn man sich halt damit befasst, und ich bin ein großer Retro-Fan, Retro-Spiele-Fan und beschäftige mich viel mit den Achtziger Jahren. Da sind so viele Neuerungen rausgekommen, und man hat sich so viel getraut. Die CD kam raus, dann kam die VHS und Videotheken, die Diskos, die Neue Deutsche Welle, die zum Teil mit Kinderinstrumenten Musik gemacht haben. Da gab es irgendwie keine Grenzen. Dann das Nintendo und so. Wenn ich auch nur darüber rede, fühle ich diesen ganzen Vibe dieser spannenden Sachen. Wenn man heute sehr jung ist, dann kommt man gleich in dieses ganze digitale iPad- und Virtual-Reality-Zeitalter. Man hat sich in den Achtzigern so viel mehr getraut und einfach dieser ganze Vibe. Ich war da ja noch klein, aber so stelle ich mir das halt vor. Dass jeden Tag irgendwas Neues mit Spannung erwartet wurde, und neue Musik rauskam. Und die Frisuren und Klamotten! Man hat einfach mal gemacht und diese technischen Erfindungen, was da für ein Blödsinn rauskam. Da gibt es ja auch sehr viele Dokumentationen drüber, wie die Leute mit minimalsten Sachen was erschaffen wollten, auch in der Musik. Nimm nur „Boys don’t cry“, da ist ja nicht mal die Gitarre gestimmt, selbst auf der Aufnahme. Also so klingt es. Aber das war einfach der ganze Vibe, dieses „Da ist was Neues“ und „Wir machen jetzt einfach mal“. Auch mit den ganzen Filmen, die mir einfach dieses Gefühl geben, wenn ich die auf VHS anschaue mit dieser Körnung wie „Terminator“, „Zurück in die Zukunft“, „Indiana Jones“, „Star Wars“. Was da alles auf die Welt losgelassen wurde. Heutzutage wird natürlich auch viel gemacht, aber es ist alles so nebenbei. Da kommt dann der hundertste iPod raus, das iPhone 16 und so und da ist keine Aufregung mehr. Damals hatte das für mehr Gänsehaut gesorgt.

Diese Retrowelle ist natürlich überall zu spüren, in Filmen, im Fernsehen, in Serien, in Podcasts, im Gaming. Ist das auch ein Stück weit ein Eskapismus, dass man sagt, man erinnert sich an die „gute alte Zeit“, weil gerade die letzten zwei Jahre alles scheiße war? Diese Sehnsucht nach einer einfacheren Zeit?
Definitiv. Ich sammele ja so viel Achtziger-Jahre-Zeug und jedesmal, wenn ich mir ein NES-Spiel kaufe oder so, da kommt richtig so ein Kribbeln hoch, wenn ich dieses alte Cartrige in der Hand halte. Das war damals das Spiel, das hat man übers Wochenende ausgeliehen, und hat es das ganze Wochenende gezockt und das war das Ding. Klar würde ich mich da gerne irgendwie hinflüchten. Um diese Zeit noch mal zu erleben, weil eben heutzutage einfach so viel auf einen einprasselt, auch von der Musik her. Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich an neuen Sachen hören soll. Ich gehe immer wieder auf „Best of 80s“-Playlists und dann höre ich irgendwie die alten Songs, die mir halt irgendwas bedeuten. Wenn man da aufgewachsen ist in den Achtzigern, dann hat man natürlich eine Verbindung zu gewissen Melodien, Textzeilen, Filmen, Schauspielern. Man verbindet ja irgendwelche Gefühle damit und wenn ich dann einen Song höre und an Weihnachten ’89 denke, und als Bild im Kopf unterm Weihnachtsbaum sitze, klar, das sind natürlich solche Gefühle, da denke ich nicht an 2002, wenn ich irgendeinen Song höre. Da war dann irgendwann der Cut.

Was ich ganz interessant finde, mit diesem das Cartridge in der Hand halten: Ich glaube, es ist auch viel das Haptische, klar kannst du dir immer noch Schallplatten kaufen und so. Aber man hört es letztendlich über Spotify oder Apple, man guckt auf Netflix. Es ist alles digital. Du hast eigentlich nichts mehr, ich weiß noch, wie damals ein Kumpel von mir auf DVD umgestiegen ist, der hat mir sechzig VHS-Kassetten mit „Star Trek Next Generation“ geschenkt, die er bei SAT.1 aufgenommen hat. Das hat man halt nicht mehr, wirklich was in der Hand zu halten, das einen damit verbindet.
Man muss natürlich in der Gegenwart leben und das Beste draus machen. Aber Beispiel Videotheken: Weil man ja ewig vorm Fernseher mit Streaming hockt und mit der Fernbedienung zehn Jahre lang sucht, welchen Film man schauen soll, und dann schläft man ein. weil man nichts findet. Und damals einfach in eine Videothek gehen, eine VHS in der Hand halten, im Hintergrund läuft irgendwie Cyndi Lauper, Chips dazu zu kaufen. Und dann diesen Film abends schauen. Das gibt es einfach nicht mehr. Das wird auch nie mehr kommen. Das ist natürlich für mich als Jugendlicher der Achtziger/Neunziger etwas, das ich mir wahrscheinlich immer wieder abrufen will, und das merkt man natürlich auch auf der neuen Platte mit diesen ganzen Sounds und diesen Easter Eggs. Damit man das wieder fühlt, das Haptische, die Videokassette, die Platte, die CD, die MiniDisk, genau das ist es. War halt schon so eine coole Zeit und das wollten wir einfach auf die Platte bringen. Es ist auch alles mit Original-Synthesizern eingespielt. Wir haben keine Plug-ins verwendet, wir haben uns halt wirklich mit original alten Roland Juno und Prophets ausgerüstet und haben deshalb alles auf analogen Synthies aufgenommen. Das wollten wir auch, eben nicht so aus der Dose.

Musstet ihr euch auch erst mal reinfuchsen? Ich weiß, ihr hattet Unterstützung von dieser Nicky von KOCHKRAFT DURCH KMA, die euch geholfen hat, aber inwieweit habt ihr euch selber auch in diese Sachen reinarbeiten müssen?
Genau, aber ich bin jetzt nicht so der Computerexperte, darum habe ich mir ein paar Geräte geholt, also jetzt nicht die ganz alten, und habe einfach mal geschaut, was man damit machen kann. Und damit haben wir die Vorproduktion gemacht. Und so haben wir uns natürlich schon reingefuchst mit den ganzen Reglern da, haha! Aber die Nicky hat natürlich die originalen Analog-Synthies und wir haben uns ein paar auch geliehen. Das ist ja alles unbezahlbar. Und dann haben wir mit Nicky, die es eingespielt hat, versucht, den Sound zu erklären, wie er sein soll, und sie hat dann halt rumgedreht. Wir haben da schon viel Hilfe gehabt von Beray, unserem Produzenten, und Nicky. Aber erst mal haben wir uns schon bisschen reingefuchst, wir haben alle Synthies zu Hause.

Du bist 83er-Jahrgang und durch die ganze Epoche beeinflusst. Man sieht natürlich auch durch Serien wie „Stranger Things“, dass diese Achtziger-Ästhetik und -Sounds wieder da sind, auch in Videospielen mit Pixel-Look. Inwieweit, denkst du, ist dein Bild von den Achtzigern authentisch und wie weit von diesen neueren Sachen geprägt? Du warst ja Ende der Achtziger erst sieben.
Ich glaube, das ist schon teils-teils. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was 1985 oder 1986 so war. Natürlich muss ich auf die Sachen zurückgreifen, und vielleicht war ich vor zehn Jahren noch nicht so auf die Achtziger geprägt. Und wie du sagst, diese ganze Retro-Spiele-Sache, „Stranger Things“ und so, das hat mich natürlich wieder getriggert: Ja, damals, geil, und „Dungeons & Dragons“ und so. Und dann habe ich mich wieder damit befasst und die alten Bilder angeschaut von damals. Und mal wieder auf dem Speicher meiner Eltern nach Kram gesucht. Wenn ich jetzt „Stranger Things“ sehe, dann fühle ich das schon, dass das so war. Oder wenn ich jetzt einen Achtziger-Jahre-John Travolta-Film oder Horrorfilme sehe, von dem Vibe her. Ich kann ja nur darauf zurückgreifen, weil ich mich ja eigentlich gar nicht mehr richtig erinnern kann. Nur ein paar Fetzen, als ich den GameBoy bekommen habe, das war aber 1990 schon. Wie man an „Turtles“-Figuren gekommen ist und dann kommen halt so Fetzen zurück, wie ich die Achtziger erlebt habe. Es sind natürlich diese Bruchteile und Fetzen. Ich habe ja früher Horrorfilme gesammelt und da hatte ich schon sehr viel zu tun, da war ich gerade 18, mit diesen ganzen Achtziger-Jahre-Slasher- und Splatterfilmen. Ich glaube, die letzten Jahre kam das alles wieder hoch, ich habe mich damit befasst, Dokumentation angeschaut und kann mich natürlich nur darauf stützen. Und auf paar Bilder im Kopf, die ich halt noch noch habe, aber irgendwie fühle ich einfach diesen Vibe. Ich fühle es einfach, ich kann es nicht genau erklären, was es ist, aber irgendwie hänge ich an diesen Achtziger Jahren.