MEIN KOPF IST EIN BRUTALER ORT

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Brutal und intelligent

Es gibt dieses hartnäckige Klischee, dass brutale Musik auch inhaltlich stumpf sein muss, während die intelligenten Texte bei den Bands erwartet werden, die fragil und zerbrechlich daherkommen. Blödsinn, denken wir, und so denkt auch Christian, Sänger der Band aus Frankfurt am Main.

Sofern ich mich recht erinnere, war mein erstes Review, das ich damals fürs Fuze geschrieben habe, eins zu eurem ersten Album „Brutalin“. Hattet ihr auch schon mal so einen Erstes-Mal-Aha-Effekt?

Wir haben einen Gig als Vorband für SOULFLY spielen dürfen und saßen an einem sehr sonnigen Tag vor dem Musikbunker in Aachen. In der Hand hatten wir ein exzellentes Eis, das es dort um die Ecke gab. Max Cavalera lief an uns vorbei, nickte uns zu und sprach: „Hey!“ Er lief weiter und kehrte kurz darauf zurück – mit einem sehr großen Eisbecher und nickte erneut. Uns gefällt der Gedanke, dass wir möglicherweise in diesem Moment eine Legende beeinflusst haben. An die Show danach denken wir auch gerne zurück!

Einem ersten Mal wohnt bekanntlich ein Zauber inne, beim dritten Album steckt man dann schon tief drin in der Industrie. Vermisst ihr die unschuldige Anfangszeit oder seid ihr eher froh, jetzt gefestigt und mittendrin zu sein?
Wir haben mit unserem Management, Verlag und Label großartige Partner gefunden, die uns viele schöne Dinge ermöglichen und jetzt auch einiges von den Schultern nehmen. Dafür sind wir allerdings auch nicht mehr nur uns selbst verpflichtet. Unser Ziel war es immer, mit unserer Musik vor großem Publikum zu spielen. Alleine schafft man das nicht. Wenn wir wirklich etwas vermissen, dann sind das Live-Konzerte vor netten Menschen in Feierlaune.

Nicht nur auf eurem aktuellen Album, sondern schon immer bestachen sowohl eure Titel als auch eure Lyrics durch Formulierungen, die das Linguistenherz höher schlagen lassen. Wie entstehen eure Texte, wie ist der sprachliche Arbeitsprozess beim Songwriting, von der Songidee bis zum Finished Product?
Vielen Dank! Es beginnt immer damit, dass uns etwas berührt oder bewegt. Wenn das Thema uns selbst nicht bewegt, können wir kaum erwarten, dass andere Leute sich mitreißen lassen, wenn wir davon erzählen. Manchmal sind es persönliche Erlebnisse, ein anderes Mal sind es Radiomeldungen oder Memes, die etwas in uns auslösen, das dann zu den ersten Zeilen führt. Dann folgt in der Regel der zähe Ausarbeitungsprozess, denn wenig im Songwriting ist nerviger, als festzustellen, dass man noch sehr viel mehr hätte sagen können, aber so viele Silben einfach nirgendwo verständlich untergebracht werden können. Und hier kommen die Stilmittel ins Spiel. Wenn am Ende alles passt und groovet, ist es definitiv die Mühe wert. Christians großer Traum ist, dass er mal einen seiner Texte in einem Landesabitur korrigieren darf.

Leider, leider sagen viele Menschen, dass sie beim Musikhören nicht so auf die Texte achten. Wie geht ihr als Künstler, die etwas zu sagen haben, mit dieser Haltung um?
Gutturaler Gesang sorgt leider nicht für bessere Verständlichkeit. Das ist uns bewusst. Wir verstehen unseren Gesangsstil in diesem Genre als weiteres Instrument in der Band. Da kommt es eher auf Stimmung, Rhythmik und Phrasierung an, damit der Song die gewünschte Wirkung entfaltet. Die Inhalte der Texte bieten da ein zusätzliches Angebot, mit dem man sich beschäftigen kann. Wer sich auf diese tiefere Ebene begibt, soll nicht von uns enttäuscht werden – so zumindest der Anspruch an uns selbst. Wenn sich jemand nicht mit den Texten beschäftigen will, aber Spaß auf unseren Konzerten und mit unserer Musik hat, ist das für uns absolut in Ordnung.