MIDNIGHT

Foto© by Hannah Verbeuren

Der Hölle ganz nah

Gerade wollten MIDNIGHT mit ihrem letzten Album „Rebirth By Blasphemy“ live so richtig durchstarten, da fiel den Amerikanern kurzerhand die Pandemie auf die Füße. Nun gibt es mit „Let There Be Witchery“ eben das fünfte Album von Athenars Kellerprojekt.

Athenar, wo bleibt die Seven-Inch mit der Wegwerf-B-Seite?

Ich bin ein großer Fan dieser Wegwerflieder. Ich liebe sie. Dabei bin ich mir gar nicht sicher, ob es dieses Mal wieder eine Vinyl-Single geben wird. Ich weiß nur, dass wir ein Video zu „Szex witchery“ drehen werden. Außerdem wird die Japan-Pressung meines Wissen nach einen Bonustrack enthalten.

Nun hast du schon erwähnt, dass es einen Videoclip geben wird. MIDNIGHT sind mit dem letzten Album zu Metal Blade gewechselt, nachdem ihr jahrelange im Untergrund aktiv ward. Wie sind nun die Erfahrungen nach einem Release auf einem größeren Label?
Ihre Bemühungen waren großartig, das Problem war eher, dass zu dieser Zeit die Welt nicht mithalten konnte. Metal Blade wissen genau, was sie tun. Es wäre richtig gut gewesen, mit ihrer Power rauszugehen, Shows zu spielen und die Dinge zu tun, die jede dahergelaufene Band tut. Wir hatten dazu leider noch keine Gelegenheit. Vielleicht klappt es ja dieses Mal.

Bevor es mit dem ganzen Schlamassel losging, wart ihr aber viel unterwegs, sogar auf größeren Touren mit OBITUARY und ABBATH. Wie war es nach dieser Intensivierung des Live-Geschäfts wieder alles herunterzufahren und seine Zeit zu Hause zu verbringen?
In dieser Phase haben wir tatsächlich so viel getourt, wie noch nie zuvor. 2019 haben wir gut siebzig Konzerte gespielt. Das war großartig. Das hatten wir noch nie vorher getan, aber es hat Spaß gemacht. Die Umstellung danach war nicht so schlimm. Ich verkaufe ja Drogen, um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren, wie die meisten Amerikaner – kleiner Scherz. Es war aber wirklich kein Problem. Ich fühle mich daheim wohl, ich mag es, hier zu sein. Und in meiner Nachbarschaft sind alle nett.

Wenn wir schon bei deinen Nachbarn sind: Haben die sich jemals darüber beschwert, dass du im Keller Krach machst, etwa wenn du neue MIDNIGHT-Songs schreibst?
Nein, überhaupt nicht. Manchmal sind sie sogar zu freundlich. Ich frage mich, ob sie nicht einfach mal normale Arschloch-Nachbarn sein können. Während der Pandemie sind wir aber noch ein Stück zusammengerückt. Da viele nicht arbeiten waren, haben wir uns oft nachmittags getroffen und so Nachbarschafts-Zeug gemacht. Sie wissen aber, dass ich ein Weirdo bin und über den Teufel und Satan singe. Das sind ja alles Leute mit normalen Jobs und gehen in die Kirche.


Hast du das kommende Album wieder komplett im Keller geschrieben? Ich hatte vor einiger Zeit mal irgendwo gehört, dass du dein Untergeschoss renovieren wolltest.
Nein, die Renovierung fiel flach. Das wäre zu luxuriös geworden. Ich mag das Gefühl von Betonfußböden und kahlen Wänden. Aber ansonsten, ja, ist wieder alles im Keller entstanden. Dort steht meine Vierspurmaschine, dort liegt anscheinend die Inspiration. In den unteren Ebenen der Welt. Je näher du den feurigen Kreisen der Hölle bist, desto größer ist die Inspiration.

Wenn ich mir einen Song wie „In sinful secrecy“ anhöre, gibt es da eine fast schon fröhliche Melodie im Hintergrund. Wie spielt da die Vierspurmaschine mit rein? Legst du Schicht auf Schicht, bis der Track sich vollständig anfühlt, oder sind diese Spuren schon von Anfang an in deinem Kopf?
Ich mache das so, wenn ich ins Studio gehe: Im Keller schreibe ich nur Entwürfe. Da gibt es nur zwei Gitarren auf den Demos. Auf einer Spur ist das Schlagzeug, auf einer der Bass und auf zweien die Gitarren. Demos für den Gesang nehme ich nie auf. Die kommen das erste Mal beim Aufnehmen des Albums hinzu. Gerade hier möchte ich die Sache spontan halten. Bei meinem Gesangsstil würde es sich sonst zu ausgereift und durchdacht anhören. Wenn meine Stimme mehr Melodien singen würde, müsste ich wohl an am Gesang arbeiten, so aber haue ich ihn einfach raus. So kommen die Lieder zustande.

Gibt’s im Studio auch nur zwei Gitarrenspuren oder dürfen es hier mehr Layer sein?
Erstmal gibt es nur diese beiden, es ist aber im Studio kinderleicht, noch mehr hinzuzufügen. Wenn du hier noch einen Einfall hast, kannst du es sehr schnell umsetzen.

Du sprachst schon von Spontanität. Wie spontan ist die Musik von MIDNIGHT generell? Für mich hört sie sich nicht sehr geschliffen oder verkopft an.
Manchmal ist es wirklich schwer, denn ich bin ja nur eine Person. In einer normalen Band kannst du dich ja noch von der Spontanität der anderen mitreißen lassen. Wenn du zu viert im Raum bist und einer ein cooles Riff geschrieben hat, wird ein anderer davon inspiriert und baut etwas darauf auf. Plötzlich hast du eine ganze Nummer. Das geht alleine eben nicht. Deshalb nehme ich im Keller alles so schnell wie möglich auf. Ich versuche, nicht darüber nachzudenken. Ich nehme es einfach auf. Erst später, wenn mir vielleicht noch einmal etwas einfällt, ändere ich im Studio vielleicht etwas an der Leadgitarre und füge noch Gesang hinzu. Für mich ist das aber der einzige Weg, hier die Spontanität zu erhalten.

Du kokettierst ja gerne mit deinem amateurhaften Umgang mit den Instrumenten. Auf der anderen Seite sind deine handwerklichen Fähigkeiten in Sachen Songwriting gehobene Klasse. Fast jeder Track ist ein Hit. Woher kommt das?
Das ist ein großes Kompliment. Diese Form von Kunst ist ja relativ einfach. Es ist jetzt nichts Hochgestochenes. Aber du musst es gut umsetzen. Ich denke, das kommt daher, wie und wo ich aufgewachsen bin. In einer Arbeiterfamilie in Cleveland. Es ging immer darum, dass man das, was man tut, so gut wie möglich macht. Wenn du eine Reinigungskraft bist, sieh zu, dass du das Klo so sauber wie möglich putzt! So ist das auch in der Musik. Und selbst in den extremsten Songs möchtest du gute Hooks haben. Auch HELLHAMMER haben die. Sie haben Refrains, Riffs und Grooves. Es spricht also meiner Meinung nach nichts dagegen, einen gut funktionierenden Song zu schreiben.