MOOSE BLOOD

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Die Emo-Band der Stunde

Sie sind so was wie die Band der Stunde. Nach ihrem Debüt „I’ll Keep You In Mind, From Time To Time“ reiten die vier Briten um Sänger und Gitarrist Eddy Brewerton und Gitarrist Mark E. Osbourne ganz oben auf der Emo-Rock-Welle. Auch der Nachfolger „Blush“ öffnete mit Songs wie „Knuckles“ immer mehr Türen. Nun steht mit „I Don’t Think I Can Do This Anymore “ das schwierige dritte Album in den Startlöchern und wirft direkt mit dem Titel ein paar Fragen auf. Soll es das nach so kurzer Zeit gewesen sein? Steht der große Umbruch an? Steht die junge Band aus Canterbury am Scheideweg ihrer Karriere? Es ist auf jeden Fall einiges passiert, zu dem Gründungsmitglied Osbourne im Interview Rede und Antwort steht. Soviel kann man schon mal vorwegnehmen: Es ist noch lange nicht Schluss.

Mit den elf Songs von „I Don’t Think I Can Do This Anymore“ beweist ihr, dass euch viel an Katharsis gelegen ist. Wann habt ihr realisiert, dass es an der Zeit ist, neue Songs zu schreiben?

Ehrlich gesagt, ist das einfach so passiert. Als wir die Tour zu unserem letzten Album „Blush“ beendet hatten, haben wir noch ein paar Festivals gespielt. Dazwischen waren wir jedoch nach einer recht langen Zeit mal wieder zu Hause. Dort haben wir uns dann darauf konzentriert, Ideen zu sammeln und diese zusammen mit der Band auszuarbeiten. Dass die Platte am Ende so persönlich und gleichzeitig auch wichtig für uns geworden ist, kam dann ganz von selbst.

Wann habt ihr denn gemerkt, dass euch die Platte dabei helfen könnte, ein paar Dinge zu verarbeiten?
Von vornherein sind wir mit der Prämisse ans Schreiben der Songs gegangen, dass wir die letzten Wochen und Monate reflektieren wollten. Dadurch mussten wir uns ganz bestimmten Situationen noch ein letztes Mal – hoffentlich – stellen, um sie richtig und final zu verarbeiten. Dadurch sind besondere Stimmungen entstanden, bei denen uns die Musik geholfen hat, sie zu lösen. Vor allem Eddy und ich haben einiges angesammelt, dass wir wirklich gerne hinter uns lassen wollten. Zum Glück haben wir mit MOOSE BLOOD das richtige Werkzeug, um eine negative Sache in etwas zu verwandeln, auf das wir, schlussendlich wirklich stolz sind.

Seit ihr vor vier Jahren „I’ll Keep You In Mind, From Time To Time“ veröffentlicht habt, ging es für euch permanent nach oben. Ihr spielt große Clubs sowie Tourneen und könnt eure Platten dadurch auch einer breiten Öffentlichkeit anbieten. Hattet ihr irgendwann mal Zweifel, dass ihr euch auf dem richtigen Weg befindet?
So grundsätzlich eigentlich nicht. Wie gesagt, es ist sehr befreiend, sich seine Sorgen und Gedanken von der Seele zu schreiben. Obwohl ich mal Kunst studiert habe, kam mir zum Beispiel nicht mehr der Gedanke, mich in einem Bild zu erklären. Wir haben keinen Masterplan, was wir wann und wo erreichen wollen. Um ehrlich zu sein, haben wir im Moment einfach das Glück, dass es ein paar Leute gibt, die das mögen, was wir machen und uns damit die Chance geben, etwas mit unserem Leben anzustellen, auf das wir schlussendlich verdammt stolz sind.

Ihr habt mal den Satz fallen gelassen, dass ihr es gerne hättet, wenn sich jeder das aus eurer Musik zieht, was er gerade braucht. Wie reagiert ihr, wenn euch jemand sagt, dass ihr sein Leben beeinflusst habt?
Wir sind sehr stolz, dass wir mit unserer Musik, mit dem Songwriting sowie Konzerten unsere Zeit verbringen dürfen. Dadurch lernen wir ja nicht nur unheimlich viele neue Menschen und Länder kennen. Wir machen Erfahrungen, die uns niemand mehr wegnehmen kann und die vielleicht andere Menschen als Inspiration nutzen. Natürlich macht es uns verdammt stolz und dankbar, wenn sich jemand intensiv mit unseren Songs beschäftigt und sie damit Teil seines Lebens werden. Ich meine, jeder von uns hat Bands und Songs, die man mit bestimmten Situationen, Menschen und Gefühlen verbindet. Das MOOSE BLOOD bei jemandem in solch einer Liste auftaucht, ist einfach nur schön.

Ihr habt im Vorfeld der Veröffentlichung eurer ersten Single „Talk In Your Sleep“ sogenannte Sheet-Music, also die Noten, die Gitarrentabulaturen und den Text, im Internet zur Verfügung gestellt. Was war eure Absicht dahinter und welche Version, die euch zugeschickt wurde, hat euch am besten gefallen?
Ich habe ein paar Versionen bei YouTube gesehen, die ich wirklich richtig gut und interessant finde. Die Idee hinter der Aktion war, dass die Leute, die sich mit unserer Musik beschäftigen, schon bevor wir etwas veröffentlichen, ihren persönlichen Beitrag bringen konnten. Intimer geht es eigentlich gar nicht. Natürlich sollte das auch die Vorfreude auf die eigentliche Single steigern, da ja viele Leute sehen wollten, wie nah sie am tatsächlichen Original liegen würden. Takt und Töne waren zwar vorgegeben, das Gefühl des Songs kann man aber gar nicht in diese runtergebrochene „Basis-Version“ packen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir das in Zukunft nun häufiger machen werden.

Der Song „Can we stay like this“ klingt viel mehr nach britischem Indie-Rock als nach dem Emo-Rock, den man von euch gewohnt war. Was ist die Geschichte dahinter?
Auf jeden Fall war das der letzte Song, den wir für „I Don’t Think I Can Do This Anymore“ geschrieben haben. Automatisch war da eine ganz andere Stimmung, eine Art Erleichterung – etwas Unbeschwertes. Es gab kein Demo davon, das wir mit ins Studio genommen haben. Der Text kann wie ein Liebesbrief an Eddys Frau verstanden werden, in dem er seine Dankbarkeit ihr gegenüber auszudrücken versucht. Damit steht er etwas in Kontrast zu den anderen Songs der Platte.

Welchen Einfluss hatte Beau Burchell, der neben der Produzententätigkeit auf all euren Alben, auch Gitarrist bei SAOSIN ist und damit nicht ganz unwichtig für Emo oder Post-Hardcore war?
Er ist wie ein weiteres Bandmitglied für uns. Als wir damals im Zuge der Produktion unseres ersten Albums „I’ll Keep You In Mind, From Time To Time“ mit ihm zusammenarbeiten durften, war uns klar, dass er uns am besten versteht und dass wir so perfekt zusammenpassen, dass wir auch niemand anderen ausprobieren wollen. Er weiß genau, wo wir mit unserem Sound hinwollen und auch hinkönnen. Er holt das gewisse Etwas aus uns raus, auch wenn wir dachten, dass wir vielleicht schon mit einem Song fertig seien. Dass er der Gitarrist einer für uns so wichtigen Band wie SAOSIN ist, stand glücklicherweise unserer gemeinsamen Arbeit nie im Weg. Es macht total Spaß und wir sind sehr glücklich, dass wir zusammengefunden haben.

Ihr habt euch im letzten Jahr von eurem Drummer Glenn Harvey getrennt nachdem Anschuldigungen wegen sexueller Belästigung gegen ihn aufgetaucht sind. Damals habt ihr euch klar von ihm distanziert. Habt ihr Bedenken, dass die Geschichte einen Schatten auf die Veröffentlichung von „I Don’t Think I Can Do This Anymore“ werfen könnte?
Zuallererst muss ich sagen, dass wir MOOSE BLOOD in diesen Tagen komplett in Frage gestellt haben. Es war eine sehr aufreibende Zeit, in der wir überlegt haben, wie groß der Einfluss dieser Sache auf uns verbleibende Bandmitglieder ist. Schlussendlich haben wir uns dann dafür entschieden, weiterzumachen und uns ganz klar zu distanzieren. Mit Lee Munday haben wir glücklicherweise einen Drummer gefunden, der uns auch musikalisch auf eine andere Stufe heben konnte. Er war direkt als Bandmitglied integriert und am Songwriting beteiligt. Natürlich verarbeiten wir auf der neuen Platte auch diese Erfahrungen und auch ganz konkret die Situation, in der wir damals steckten. Harvey hatte mit der Produktion von „I Don’t Think I Can Do This Anymore“ nichts mehr zu tun und ist auch kein Teil der Band mehr.

Besteht die Möglichkeit, dass nach einem so persönlichen Album wie „I Don’t Think I Can Do This Anymore“ irgendwann mal ein politisches MOOSE BLOOD-Album das Licht der Welt erblicken wird?
Ich denke, dass wir kein konkret politisches Album machen werden. Wir funktionieren ganz gut, wenn wir uns mit unseren persönlichen Dämonen beschäftigen und sie mit unseren Songs besiegen. Da Politik und die Gesellschaft ja einen permanenten Einfluss auf uns alle haben, finden sie auch indirekt in unserer Musik statt. Es gibt sicherlich genug Dinge, die absolut nicht so laufen, wie sie sollten: Brexit, das Wiedererstarken des Nationalismus oder der ganze andere Mist. Auf „I Don’t Think I Can Do This Anymore“ stehen aber noch die persönlichen Beziehungen und Erfahrungen im Vordergrund. Dabei wird es wohl auch erst mal bleiben.