Punk Art #20

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Stefan Weyer

In dieser Artikelreihe stellen wir Menschen aus der Punk- und Hardcore-Szene vor, die sich im weitesten Sinne grafisch betätigen und Poster, Flyer, Cover gestalten. Diesmal sprechen wir mit Stefan Weyer, den man auch als Gitarrist von LOVE A kennt.

Bitte stell dich vor.

Ich heiße Stefan Weyer, bin 1981 in Trier geboren, wo ich auch den Großteil meines Lebens verbracht habe. Seit 2011 wohne und arbeite ich in Köln. Neben meinem Job als Grafikdesigner spiele ich Gitarre bei LOVE A, was meine derzeitige Szeneaktivität eigentlich auch schon vollumfänglich beschreibt. Mit Punkmusik zum allerersten Mal in Kontakt gekommen bin ich vermutlich so in der dritten Klasse, als mein Cousin bei einem Besuch die leiernde Kopie einer DIE ÄRZTE-Kassette in meinem Rekorder vergessen hatte. Tiefergehendes Interesse für die Musik entwickelte sich dann Mitte der Neunziger – zunächst mit bekannteren Bands wie SLIME oder BAD RELIGION, gefolgt von eher Post-Punk-lastigem Sound und Underground-Hardcore. Damit einhergehend standen regelmäßige Konzertbesuche an den Wochenenden auf dem Programm und die erste eigene Band wurde gegründet. Glücklicherweise waren in Trier und auch im benachbarten Saarland damals schon immer engagierte Leute am Start, die gute Bands gebucht haben. Etwa 2001 kam es zur Gründung der Band DANSE MACABRE mit diversen Releases bis 2009. Etwa zeitgleich fingen wir auch an, selbst Hardcore- und Screamo-Shows im Exhaus und diversen Proberäumen zu veranstalten. Ab 2010 ging es dann ohne Verzerrer und Geschrei mit LOVE A los.

Seit wann betätigst du dich künstlerisch, wie fing das an, wie ging es weiter?
Gebastelt und gezeichnet habe ich als Kind und Jugendlicher schon immer gerne. Als ich irgendwann die erste Band hatte und wir selbst anfingen, Konzerte zu organisieren, habe ich mich oft um die Artworks und die Vorlagen für fotokopierte Flyer und Poster oder die Layouts von Webseiten gekümmert. Nach der Schule habe ich Kommunikationsdesign studiert und die Gestaltungsgrundlagen ganz klassisch noch mal von der Pike auf gelernt. Nebenher habe ich natürlich auch weiterhin Plattencover und Merchandise für meine eigenen und andere Bands entworfen. Im Anschluss an mein Studium habe ich zunächst als Freelancer meine Brötchen verdient, um schließlich 2011 nach Köln zu ziehen und dort zwei Jahre später mit zwei guten Freunden zusammen das Designstudio sons of ipanema zu gründen.

Wie arbeitest du? Klassisch mit Papier und Farbe, oder digital am Rechner?
Hauptsächlich arbeite ich am Rechner oder Tablet. Da ich viel mit Collagetechniken arbeite, geht das digital einfach am schnellsten und gibt mir die größte Flexibilität. Hin und wieder greife ich aber auch auf manuelle Techniken zurück, indem ich Dinge ausdrucke, von Hand nachbearbeite, übermale und wieder einscanne oder abfotografiere. Das macht immer großen Spaß und ist eine willkommene Abwechslung zur Arbeit am Monitor.

Bist du Autodidakt oder kannst du auf eine klassische künstlerische Ausbildung verweisen?
Wie schon gesagt, habe ich mir Anfangs die technischen Skills selbst angeeignet und viel ausprobiert. Das spätere Studium hat bei mir allerdings schon sehr dazu beigetragen, wesentlich versierter in dem zu werden, was ich da tue. Vor allem gestalterische Grundlagen und wesentliche konzeptionelle Dinge habe ich von da mitgenommen. Was man technisch lernt und in welche Richtung man sich entwickelt, hängt eher von einem selbst ab und es ist viel Eigeninitiative gefragt.

Hast du Vorbilder, welche Stile beeinflussen dich?
Als ich anfing, erste Plattencover und Konzertflyer zu gestalten, hatte ich keinen blassen Schimmer und habe natürlich versucht, den Style, den ich interessant fand, zu kopieren und Sachen in ähnlicher Form zu adaptieren. Meistens wusste ich gar nicht, wer hinter den Designs steckte, die ich damals gut fand. Generell war ich aber weniger von reinen Zeichnungen inspiriert, wie man sie oft bei Metalbands gesehen hat, sondern mehr von den rauhen Collagetechniken, wie ich sie in ganz einfacher Form in Fanzines wie dem Wasted Paper oder etwas feingliedriger auf vielen Punk- und Hardcore Platten gesehen hatte. Ausschneiden, kopieren und drüber kritzeln – so fing alles an und ich habe versucht, besser darin zu werden, darauf aufzubauen, um jedesmal irgendwas anders zu machen. Als ich deren Platten zum ersten Mal in die Finger bekam, war ich total fasziniert von den Artworks von REVERSAL OF MAN und COMBATWOUNDEDVETERAN. Hier wurde viel mit Collagen aus aufgerasterten Fotos gearbeitet und das teilweise mit Illustrationen kombiniert – ich glaube, deren Gitarrist Chris Norris war für die ganzen Layouts verantwortlich. Auch die Arbeiten von Chris Taylor, dem Sänger von PG. 99, fand ich super. Das ging aber oft schon mehr in eine illustrativere Richtung. Ein paar Jahre später haben mich die Arbeiten von Eduardo Recife sehr inspiriert, sowohl was Collagetechnik als auch Typografie anging. Obwohl ich mittlerweile meine Tools und Workflows habe, mit denen ich arbeite, lasse ich mich immer noch – ob ganz bewusst oder eher unterbewusst – von den verschiedensten Arbeiten inspirieren und versuche hier und da, ausgetretene Pfade zu verlassen und Dinge anders zu machen als bisher.

Gibt es deine Kunst zu kaufen?
Auf meiner Website verkaufe ich einige Drucke. Hauptsächlich gibt es hier freie Arbeiten in limitierter Auflage als Riso-, Giclée- oder Siebdruck. Ich habe aber auch ein paar Motive in höherer Auflage als Offset- oder Digitaldruck im Programm und ein paar LOVE A-Motive sind ebenfalls zu haben. Die Preise reichen, abhängig von Art des Drucks, Größe und Limitierung von 10 bis 40 Euro.

Arbeitest du völlig frei oder auch im Auftrag, etwa für Bands oder Konzertveranstalter?
Hauptsächlich arbeite ich mit meiner Agentur auftragsmäßig für Kunden aus ganz anderen Bereichen. Hin und wieder werden wir auch mal von Bands oder Labels angesprochen und es kommt zu einer Zusammenarbeit für deren Albumproduktion und dem, was sonst noch gebraucht wird für eine anstehende Tour. Was generell die Gestaltung von Albumcovern, Tourpostern, Merchandise und Musikvideos angeht, habe ich den letzten Jahren aber eigentlich hauptsächlich Kram für meine Band gemacht, was dann aber eher in der Freizeit und neben meiner Agenturtätigkeit passiert. Das Gute daran ist, dass die Jungs mir hier immer weitestgehend freie Hand lassen und mir vertrauen, was mir die Arbeit natürlich sehr erleichtert. Wenn du für andere Bands arbeitest, musst du dich doch sehr oft mit den unterschiedlichen Befindlichkeiten der Künstler auseinandersetzen, was nicht selten maximalen Aufwand und eine hohe Anspruchshaltung bei nicht ganz so motivierendem finanziellen Entgegenkommen bedeuten kann. Für mich bleibt die Faszination für ein Projekt auch mal schnell auf der Strecke, wenn zu viel von der Seite „reingequatscht“ wird. Deshalb habe ich in der nahen Vergangenheit neben LOVE A fast ausschließlich für sehr gut befreundete Bands gearbeitet und stecke meine Zeit ansonsten mittlerweile eher in freie Arbeiten.

Was ist mit Ausstellungen?
Nein, weder gab oder gibt es momentan Ausstellungen meiner Arbeiten, noch ist in Zukunft diesbezüglich irgendetwas geplant. Sollten sich unter den Ox-Lesern namhafte Galeristen befinden: Für entsprechende Anfragen stehe ich selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Was gibt dir deine Kunst emotional?
Abgesehen davon, dass ich mich selbst nicht als Künstler bezeichnen würde, gibt einem die kreative Arbeit eigentlich die komplette Bandbreite der Emotionen. Einerseits ist es ein sehr gutes Gefühl, wenn man eine Arbeit fertiggestellt hat und zufrieden ist mit dem Ergebnis. Es liegt natürlich in der Natur der Sache, dass das, was man gestaltet, den Weg in die Öffentlichkeit findet und für die auch bestimmt ist. Positives Feedback und Anerkennung schmeicheln dem eigenen Ego natürlich – alles andere wäre gelogen. Andererseits können die Emotionen auch in die komplett andere Richtung umschlagen und man ist frustriert, weil man stundenlang vor dem Rechner sitzt, verkrampft versucht, aus verschiedenen Elementen eine harmonische Komposition zu erstellen, und absolut gar nichts auf die Kette zu bekommen scheint. Dann hast du auf einmal das Gefühl, du könntest alles in die Ecke feuern und würdest besser einen anderen Job machen. Wenn aber im nächsten Augenblick der Knoten platzt und dir plötzlich alles ganz einfach von der Hand geht, bist du wie in einem Rausch und arbeitest auch mal bis in die frühen Morgenstunden durch, weil du nicht aufhören kannst, bis das Artwork fertig ist.