Punk & Religion Teil 8: ANTI WORLD SYSTEM

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Protest(ant) and survive

D-Beat, Crust, Christentum? Finde den Fehler! Dachte ich zumindest, bis ich bei meinen Recherchen zur kleinen Reihe zu Punk und Religion auf die (mittlerweile aufgelöste) US-Band ANTI WORLD SYSTEM stieß. Wie zuvor in den Beiträgen zum Islam (Ox 145) und dem Judentum (Ox 146) sollte neben distanzierteren Stimmen auch diesmal wieder ein*e gläubige*r Vertreter*in zu Wort kommen. Das wird in diesem achten Teil der Reihe Gitarrist Michael Perlmutter sein. Er ist aktives Mitglied der Jesus People USA (JPUSA), auf die ich im letzten Beitrag in Ox 150 bereits eingegangen bin. Trotz ähnlicher Plattensammlungen sind Michael und ich vermutlich beide in diesem Interview bis an die Schmerzgrenze unserer fundamental unterschiedlichen Weltanschauungen gegangen. Aber Komfortzone ist für andere! Was Punk mit Reformation zu tun haben kann? Lest selbst!

Michael, woher kommst du, wo lebst du jetzt, was machst du?

Ich wurde 1971 als Sohn eines jüdischen Vaters und einer katholischen Mutter auf Long Island, NY geboren. Ich bin ein Christ in der dritten Generation.

Wie bist du mit Hardcore und Punk in Kontakt gekommen?
Ich kam in meinen mittleren Teenagerjahren mit Hardcore-Punk in Berührung. Davor hörte ich vor allem europäischen extremen Metal wie VENOM und CELTIC FROST, ich stand auf die Geschwindigkeit! Als Teenager, der auf Long Island aufwuchs, kam ich während der Crossover-Thrash-Ära zum New Yorker Hardcore und zu Bands wie AGNOSTIC FRONT, CRO-MAGS und SHEER TERROR. Ich mochte die thrashigen Gitarrenriffs und Drums, kombiniert mit dem Schreigesang im Hardcore Punk. Ich war förmlich süchtig nach dem Album „Cause For Alarm“ von AGNOSTIC FRONT. Sie waren und sind meine Lieblingsband im NYHC. Zu dieser Zeit war ich auch schon religiös. Was christliche Bands betrifft, waren die beiden wichtigsten THE LEAD und THE CRUCIFIED. Mir gefiel beides, aber aus unterschiedlichen Gründen. Die nicht-christlichen Bands sprachen meine politischen Ansichten an, Themen wie Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit und Zerstörung und Tod durch Aggression im militärischen Bereich. Die christlichen Gruppen hingegen entsprachen meinem Glauben, sie brachten Hoffnung für die Fragen, die von den nicht-christlichen Gruppen aufgeworfen wurden. Es ging um Nächstenliebe, den Triumph des Guten über das Böse, die Heiligkeit des Lebens, das Ausleben der christlichen Überzeugungen. Nicht nur wie ein Christ zu reden, sondern es täglich zu leben, ohne Kompromisse.

Wie bist du religiös geworden? War deine Familie bereits religiös geprägt oder passierte es aus freien Stücken?
Ich möchte zuerst sagen, dass ich den Begriff religiös nicht verwende. Jeder kann religiös sein und sich trotzdem nicht von seinem Glauben leiten lassen. Es ist nur ein Lippenbekenntnis. Wenn mir diese Frage gestellt wird, sage ich, dass ich ein Bündnis mit Gott geschlossen habe, das durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes, meines Messias, ermöglicht wurde. In dieser Beziehung vollzieht Gott in meinem Leben ein Werk und verändert mich auf übernatürliche Weise durch seinen Geist. Meine Eltern waren zu der Zeit, als ich geboren wurde, nicht gläubig. Möglicherweise waren sie religiös, aber standen nicht in einer Beziehung zu Gott. Zu dieser Zeit waren sie nur dem Namen nach jüdisch und katholisch.

Wie fing die ganze Sache mit ANTI WORLD SYTEM an?
Mir schwebte jahrelang die Idee für AWS im Kopf herum. Ich wollte eine Crossover-Hardcore-Punk-Band mit D-Beat-Elementen gründen. Eine Band, deren Aufgabe nicht nur darin bestand, die Botschaft des Evangeliums an eine dunkle und sterbende Welt weiterzugeben, sondern auch darin, Christen herauszufordern, wie Christus zu leben und die Schriften mit Sinn zu füllen. Nur davon zu sprechen, ein Christ zu sein, ist Heuchelei. Kennst du den Ausspruch ,,Ich mag deinen Christus, aber ich mag deine Christen nicht. Ihr Christen seid so anders als euer Christus“? Das meine ich.

Das nanntet ihr dann Reformationspunk. Was verstehst du darunter? Warum ist die Reformation für dich heutzutage relevant?
Wir nennen es Reformationspunk, weil die Kirche ständig reformiert werden muss: Semper Reformanda, immer reformierend. Wir müssen unser Leben der Heiligen Schrift anpassen und dürfen die Heilige Schrift nicht so uminterpretieren, dass sie das ausdrückt, was wir gerne hätten. Das bedeutet, dass wir täglich leben müssen, was die Heilige Schrift als Beispiel vorgibt. Auch dies ist wieder auf Christen ausgerichtet – sei wie Christus gegenüber allen Menschen, denen du begegnest. Wir alle machen Fehler, das ist verständlich, aber vom Christentum zu reden und im Widerspruch dazu zu leben, als ob die Heilige Schrift für einen nicht gilt, ist heuchlerisch. Die Kirche ist dazu berufen, ein Licht für die Nationen zu sein, und der einzige Weg, wie wir das tun können, ist uns Christus und seinem Wort zu unterwerfen. Reformationspunk bekennt sich auch zu den fünf Säulen der Reformation: Glaube allein, Schrift allein, Christus allein, Gnade allein, Ehre allein, Gott allein. Die protestantische Reformation war der wichtigste Protest in der ganzen Menschheitsgeschichte, ein Protest gegen religiöse Tyrannei und den Missbrauch der Religion.

Was fasziniert dich an Martin Luther, auch als historische Person?
Was uns an Martin Luther gefällt, ist seine unerschütterliche Überzeugung von der Heiligen Schrift, seine Treue zu Christus und sein glühender Wunsch, dass die Kirche der Heiligen Schrift und nicht dem Willen oder der Korruption der Menschen entspricht.

Martin Luthers Ansichten werden sehr heftig diskutiert – auch unter Protestant*innen. Besonders in seinen späteren Texten äußert er sich sehr antisemitisch, zum Beispiel in ,,Die Juden und ihre Lügen“, und auch sexistisch. Auf eurer Facebook-Seite habe ich einen Beitrag gesehen, in dem ihr euch pro Israel positioniert. Ist das nicht widersprüchlich? Wie gehst du mit dieser Seite Luthers um?
Stimmt! Das sind Überzeugungen aus seinem späteren Leben, die wir alle ablehnen müssen. Es gibt keinen Platz für Sexismus oder Antisemitismus, es gibt keinen Platz für Hass. Trotzdem, und ohne ihn zu entschuldigen, war dies zu seiner Zeit weit verbreitet und existiert auch heute noch in der Kirche. Wir lehnen diese Dinge entschieden ab. Was Luthers Werk betrifft, so weigere mich, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Ich kann das Gute, das er getan hat, das die heutige Kirche geformt hat, nicht ignorieren. Zwei Beispiele: Wir alle können dank seiner Übersetzung die Bibel in unseren eigenen Sprachen lesen, und wir brauchen niemanden, der uns erklärt, was sie aussagt. Was unsere Unterstützung für Israel betrifft, so sind wir aufgerufen, das jüdische Volk zu lieben. Heißt das, dass Israel perfekt ist? Ganz und gar nicht. Oder gefeit vor Kritik? Als ethnischer Jude habe und werde ich mich weiterhin gegen das Fehlverhalten von Seiten Israels sowie gegen die Handlungen meiner arabischen Vettern aussprechen. Die Zerstreuung und Wiedervereinigung des Volkes Israel wurde prophezeit, und die Menschen kehrten in das Land zurück, weil Gott das versprochen hat und er treu ist. Meine Frage lautet: Werden wir Gott treu und den Nationen ein Licht sein? Werden unsere Herzen zu ihm zurückkehren? Ohne dies wird es weder in unserem Land noch in unseren Herzen Frieden geben. Juden und Araber sind Kinder Abrahams und daher Blutsverwandte, Familienangehörige, Cousins und Cousinen. Diese Familienfehde muss beendet werden, und nur der Messias kann das tun, wir alle unterwerfen uns ihm. Dies geschieht langsam, aber es geschieht. Sowohl jüdische als auch arabische Christen verehren und beten gemeinsam für ihr Volk und ihr Land. Viele wollen Frieden, so wie ich.

Ihr habt euch in einem Song dafür ausgesprochen, dass den in arabischen oder persischen Ländern verfolgten Christen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Warum war euch das wichtig?
Um es klar zu sagen: Wir sprechen uns für alle gläubigen Menschen und jene ohne Glauben aus. Was den Schwerpunkt unseres Liedes betrifft, so wollten wir das Leiden unserer christlichen Brüder und Schwestern in diesen arabischen Ländern zeigen. Wir im Westen können sehr eurozentrisch sein und wissen nicht, was in der Welt geschieht. Wir müssen ein größeres Bewusstsein für die Menschen in aller Welt entwickeln. Manchmal vergessen die Menschen, dass Jesus/Yeshua kein westlicher „Weißer“ war, er war ein Jude aus dem Nahen Osten. Ein weiterer Grund, warum wir dieses Lied geschrieben haben, ist der, dass dies ein Ort ist, an dem Verfolgung stattfindet, und wir wollten Licht in diese Angelegenheit bringen und unsere Solidarität mit den Unterdrückten im Gebet ausdrücken.

Einige christliche Bands haben auch eine politische Agenda, nicht nur eine religiöse. CRASHDOG zum Beispiel verfolgten sozialistische Ideen und THE PSALTERS sprachen über den christlichen Anarchismus. Wie sieht das bei AWS aus?
Mit AWS haben wir bewusst keine politische Position bezogen. Wir verstanden uns als eine christliche D-Beat-Punkband, weder rechts noch links, weder konservativ noch liberal, sondern als eine biblisch-christliche Band. Wollte man uns politisch einordnen, würde man uns als Christdemokraten bezeichnen. Ich kannte vor Jahren einige der Jungs von THE PSALTERS. Tolle Jungs. AWS lehnten die so genannte christliche Anarchie im Hinblick auf die Bibel und insbesondere des Römerbriefes ab. Was CRASHDOG betrifft, so hatte ich das Privileg, mit ihnen zusammenzuleben und sogar zeitweise bei ihnen zu spielen. Ebenso bei HEADNOISE. Die lebten auch mit uns bei den Jesus People USA. Ich lebe seit den Neunziger Jahren dort.

Hardcore kann politisch sehr prägend sein. Betrachtest du christlichen Hardcore als ein Mittel für die christliche Missionsarbeit?
Ja, christlichen Hardcore, Punk und Metal. In diesen Musikstilen sind die Bands sehr offen, politisch, sozial und einige sind auch geistig offen. Beispiele für Bands, die ihren Glauben offen ausdrücken und dafür respektiert wurden, sind die CRO-MAGS sowie 108, die beide Krishna Consciousness-Gruppen sind. BAD BRAINS, FIREBURN und teilweise MURPHY’S LAW haben einen Rastafari-Glauben. Einige Bands vertreten das orthodoxe Judentum, wie MOSHIACH OI! aus Brooklyn. Oder nimm die ganze Taqwacore-Geschichte. Es gibt auch welche mit einem starken katholischen Glauben. Vinnie Stigma von AGNOSTIC FRONT zum Beispiel. Ich glaube also, dass die Botschaften christlicher Bands sehr gut in diese Genres passen. Die Jüngeren scheinen mir heutzutage intoleranter zu sein. Diejenigen von uns, die in den Achtziger Jahren in den Hardcore-Punk hineinwuchsen, respektierten zum größten Teil die gläubigen Menschen in der Szene, auch wenn wir oft anderer Meinung waren. Ich habe selber Atheisten unter meinen Freunden. Sie haben sich nie von meinen Überzeugungen bedroht oder beleidigt gefühlt. Das sollte ein Beispiel und eine Herausforderung für diejenigen sein, die heute auf Hardcore-Punk stehen und sich gerne rühmen, offen und tolerant zu sein.

Hardcore und Punk – und insbesondere D-Beat und Crust – sind ursprünglich sehr subversive, atheistisch geprägte Stilrichtungen. Sie stellen Autoritäten in Frage. Wie passt das deiner Meinung nach zu Religion? Du hast vorhin auch von Unterwerfung gesprochen. Ist der Glaube an Gott nicht ein Sinnbild für den Glauben an Autorität?
Ja, sowohl D-Beat- als auch Crust-Punk können sehr atheistisch, heidnisch und ablehnend gegenüber Religion sein. Aber gibt es einen besseren Weg, um die Wahrheit über Christus und die Bibel mit Leuten zu teilen, die bislang keine oder schlechte Erfahrungen mit Religion gemacht haben? AWS richten sich auch gegen kirchliche Heuchelei. Es geht nicht darum, einer Kirche zu huldigen, sondern wie Christus zu leben.

Aus meiner Perspektive scheinen Hardcore-Punk und Christentum nicht viele Gemeinsamkeiten zu haben: Individualismus vs. Kollektivismus. Nonkonformität vs. Konformität. Punk ist schwulenfreundlich, teilweise feministisch. Stimmst du dem zu? Wenn ja, wie gehst du damit um?
Ich glaube, dass das biblische Christentum viele Bezugspunkte zum Individualismus, zur Nonkonformität, zu Feminismus und sexueller Offenheit hat. Nimm den Individualismus: Als Individuen hat Gott uns alle einzigartig mit unseren eigenen besonderen Gaben geschaffen. Gott hat die Menschheit so vielfältig und schön geschaffen, von der Sprache bis zur Ethnizität. Wie ich bereits sagte, bin ich christlich-jüdisch in der dritten Generation. Ich bin mit Hebräisch und Jiddisch aufgewachsen und praktiziere mein Christentum als Christ des 1. Jahrhunderts, als Jude. Was den Kollektivismus betrifft, so ist er Teil des biblischen Christentums. Wir sind dazu berufen, Gemeinschaft zu praktizieren und unser Leben miteinander zu teilen. Ich lebe in einem Kollektiv in der Innenstadt von Chicago. Hier sind einige Bibelstellen, die vom Kollektivismus sprechen: Levitikus 19:18, Matthäus 26:36-40, Apostelgeschichte 2:42-47, Galater 6:2, Lukas 10:30-37. Wenn es um die Akzeptanz von Schwulen geht, gilt das Gebot, zu lieben und nicht zu hassen. Wir sollten alle Menschen willkommen heißen und sie lieben, ganz gleich, wer sie sind. Es ist Sünde, wenn Christen Homosexualität stärker verurteilen als andere Dinge, die in der Heiligen Schrift behandelt werden. Das ist ein heikles Thema, und ich möchte jetzt mit viel Sorgfalt und Liebe darüber sprechen. Als Erstes möchte ich deutlich machen, dass die Bibel und ihre Gebote für diejenigen bestimmt sind, die im Bund mit Gott stehen. Diese Gebote sollten niemals aufgezwungen oder dazu benutzt werden, jemanden zu verurteilen. Es sind die Gebote, nach denen wir als Christen leben. Eine von der LGBTQA+ Community oft zitierte Stelle ist 1. Korinther 6,9-11. Dort steht geschrieben, dass nicht jeder in das Himmelreich kommen wird. Es ist aber nicht das einzige Ausschlusskriterium. In diesem Text sind noch viele andere aufgeführt, denen verwehrt ist, ins Himmelreich einzutreten. Dazu gehören Götzenanbeter, Ehebrecher, Diebe, Gierige, Trunkenbolde, Verleumder und Betrüger. Wie kommt es, dass sich die Kirche aber vor allem auf die Homosexualität konzentriert? Warum wird das als schwerwiegender betrachtet, als die anderen Aspekte, die auf uns zutreffen können?

Beim Stehlen, Saufen und Betrügen habe ich doch eine Wahl. Es sind Entscheidungen. Homosexuell bin ich oder eben nicht, oder? Laut deiner Auflistung gilt das Schwulsein als schlechte Eigenschaft?
Nicht in meiner, sondern der der Schrift. Viele Christen kennen ihre eigene Schrift nicht richtig. Aus Vers 11 geht klar hervor, dass die Botschaft eindeutig für die Anhänger*innen der Kirche und nicht für diejenigen außerhalb der Kirche bestimmt ist. Darum sollten wir auch niemanden außerhalb unseres eigenen Glaubens nach unseren Überzeugungen beurteilen. Die Schrift erinnert uns weiterhin daran: ,,Was geht es mich an, über Menschen außerhalb der Kirche zu urteilen? Gott wird die außerhalb der Kirche richten, 1. Korinther 5,12-13a. Deshalb müssen Christen die Bibel genauer lesen und die Dinge zusammenhängend betrachten. Was für einen Buddhisten ist, ist für einen Buddhisten, was für einen Wicca ist, ist für einen Wicca, und was für Juden, Muslime und Christen ist, ist für sie und ihren Glauben. Nun möchte ich hinzufügen, dass der Dialog zwischen Menschen aller Glaubensrichtungen wichtig ist und dass er mit Liebe und Respekt geführt werden sollte. Letzten Endes kann und sollte man den Glauben niemandem aufzwingen.

AWS sind/waren Teil der JPUSA und haben auf Grrr Records veröffentlicht, die Teil der JPUSA sind. Warum ist oder war es für euch als Band wichtig, eine Verbindung zu den JPUSA zu haben? Ich frage, weil einige JCHC-Bands unabhängig bleiben wollten und sich weigerten, den JPUSA beizutreten.
Was AWS, CRASHDOG und HEADNOISE betrifft, so leben oder lebten und dienten wir alle in der Jesus People USA Covenant Church, einer bewussten Gemeinschaft von 200 Menschen, die zusammen in der North Side von Chicago leben. Aus meiner Sicht ist Grrr Records ein Label, das sich in seinem Tun auf die Bibel beruft und bei dem es besonders darum geht, die Ansichten von Jesus zu teilen. Viele andere christliche Punkbands, vor allem in der anarcho-christlichen Ausrichtung, waren mehr anarchistisch als christlich. Ich schätze, das ist der Grund. Ich selbst unterstütze den Anarchismus in keinster Weise, er steht im Widerspruch zur Heiligen Schrift.

Ist christlicher Punk/Hardcore in den USA deiner Meinung nach immer noch eine große Sache? Es scheint in letzter Zeit weniger Bands und Labels zu geben. Oder ist das alles mehr im Untergrund zu finden?
Christlicher Punk scheint bei der heutigen Generation auf der Strecke geblieben zu sein. Amerika wird insgesamt post-christlicher. Es gibt heute mit Sicherheit weniger christliche Bands und Labels. Neben Grrr Records fällt mir nur noch ein anderes Label ein, das Hardcore-Punk-Bands herausbringt: Vision of God Records. Das Label führt Bands aus vielen Genres wie Unblack Metal, Hardcore Punk, Death und Thrash Metal. Also ja, die Zeiten ändern sich, und deshalb ist es so wichtig, diese Bands und Labels heute zu haben. Viele Menschen heutzutage haben noch nie eine Bibelgeschichte gehört oder gelesen oder haben aufgrund irregeführter Gemeinden und vieler übermäßig politischer Christen ein verzerrtes Bild vom Christentum.

Zum Thema Politik und Glaube: Wie ist deine Haltung gegenüber dem Säkularismus, also der Trennung von Kirche und Staat? Sollte Religion eine strikt private Angelegenheit sein oder auch Grundlage für politische Entscheidungen?
Ich bin ein Befürworter der Trennung von Kirche und Staat, und sie sollte als solche bestehen bleiben. Das bedeutet, dass die Kirche sich aus der Politik heraushalten muss und der Staat sich aus unserem Glauben. Und ja, Glaube ist eine Privatangelegenheit. Ich teile meine Ansichten nur in der Gesellschaft eines anderen, der Interesse daran hat. Wenn es um politische Wahlen geht, stütze ich mich sowohl auf meinen Glauben als auch auf mein Gewissen. In den USA gibt es bislang keine Partei, mit der ich in allen Fragen übereinstimme, und vielleicht wird es auch nie eine geben. Nur zwei Wahlmöglichkeiten zu haben, die mit viel Geld unterstützt werden, hilft nicht eben weiter. Politik löst nicht alle Probleme und sorgt oft sogar für Spaltung.

Christlicher Hardcore und Punk wird in Europa eher kritisch betrachtet. Die Szene ist meist atheistisch und agnostisch geprägt. Wie ist das deiner Meinung nach in den USA?
Ja, das ist auch hier in den USA der Fall. Wie ich bereits sagte, müssen wir alle die Meinung und den Glauben des anderen respektieren. Es gibt viele Bands, die andere Meinungen und Überzeugungen vertreten als ich, und das ist in Ordnung. Es ist ihre Entscheidung, und das respektiere ich. Ich freue mich immer über eine Diskussion und bitte darum, sie zivilisiert zu führen. Es können schwierige Themen sein, die mit Sorgfalt und Verständnis behandelt werden müssen. Letzten Endes hat keiner von uns das Recht, jemandem seine Überzeugungen aufzudrängen. Wir müssen nur für den Dialog offen sein. Man kann auch jemanden respektieren, der andere Ansichten vertritt als man selbst, ob politische oder spirituelle. Ich habe viele Freunde, die völlig unterschiedliche Ansichten vertreten. Wir müssen uns wieder auf Respekt und Verständnis besinnen. Die Dinge aus der Sicht eines anderen zu sehen und zu lernen, im Gespräch unsere Emotionen zu beherrschen und nicht alles persönlich zu nehmen.

Was verurteilen streng gläubige Christen deiner Meinung nach am meisten an Punk und Hardcore?
Da kommt zumeist das völlig oberflächliche Argument, die Musik klinge nicht christlich. Aber wie bitte klingt denn christliche Musik? Ich glaube, es hat mit der Botschaft zu tun und nicht mit dem Musikstil. So wie es auf der einen Seite christlichen Punk, Metal und sogar Unblack Metal gibt, kann man mit klassischer Musik unchristliche Botschaften vermitteln. Man kann das in Analogie zum US-Waffenrecht verdeutlichen. Waffenrechte und Waffenbeschränkungen sind hier in den USA ein großes Thema. Diejenigen, die für Waffen sind, sagen, dass wir keine Waffenbeschränkungen haben sollten, weil es in ihrer Argumentation nicht die Waffen sind, die Menschen töten, sondern Menschen. So lächerlich das klingt, aber so denken die Menschen in den USA. Normalerweise sind es dieselben Leute, die glauben, dass es in subkulturellen Genres keine christlichen Bands geben kann. Die sagen, die Musik klinge böse, sie könne nicht christlich sein. Also benutze ich dasselbe Argument, um ihnen gegenüber meinen Standpunkt zu der Musik zu vertreten. Musik ist ein neutrales Ausdrucksmittel. Es hängt alles von der Botschaft ab.

Nach so vielen ernsthaften Fragen: Welcher ist dein Lieblings-Anti-Religion-Hardcore-Song?
Ja, das waren sehr herausfordernde Fragen für mich, aber gute. Was mein antireligiöses Lieblingslied betrifft:„Religious wars“ von SUBHUMANS. Ich liebe dieses Lied, weil es kein Angriff auf Gott oder Jesus selbst ist. Es handelt von der Unmenschlichkeit des Menschen gegenüber dem Menschen im Namen Gottes. Krieg war nicht die Botschaft Christi, sondern Liebe, Vergebung und Befreiung von der Macht der Sünde und des Todes, um eine neue Menschheit zu schaffen.

Möchtest du noch etwas loswerden?
Ich danke dir für das Interview und möchte jedem, der es liest, ein paar Dinge ans Herz legen: Bitte lies die Bibel für dich selbst. Selbst wenn du nicht gläubig bist, wirst du überrascht sein von dem, was du auf den Seiten dieses Buches findest. Beginne mit dem Johannes-Evangelium. Bitte sei in deinen Gesprächen immer offen und verständnisvoll gegenüber allen, mit denen du sprichst, vielleicht hast du gerade einen neuen Freund gewonnen. Sholem Aleykhem b’Shem Yeshua HaMoshiach. Friede sei mit dir im Namen Jesu, des Messias.