RISKEE & THE RIDICULE

Foto© by Cris Watkins

Grime-Punk aus dem Obstgarten

Sie sind tätowiert, sie sind aggressiv und sie kommen aus der Grafschaft Kent, die man auch den Obstgarten Englands nennt. RISKEE & THE RIDICULE haben sich in den vergangenen Jahren einen Namen in der britischen Punk- und Hardcore-Szene gemacht. Allerdings hat es eine Weile gedauert. Anfangs erntete das Quartett mit dem einzigartigen Sound zwischen GALLOWS, THE STREETS und LINKIN PARK vor allem verständnislose Blicke. Inzwischen hat sich die Grime-Punk-Band etabliert und füllt locker größere Venues. Das vierte Studioalbum „Platinum Statue“ vollzieht allerdings eine Kehrtwende. Die Texte sind nicht mehr so hochpolitisch wie auf den ersten drei Album, sondern richten den Blick nach innen. Warum das so ist, erzählt uns Frontmann und Rapper Scott Picking aka Riskee.

Ihr habt wirklich einen ungewöhnlichen Stil. Wie ist es dazu gekommen?

Letztendlich ist der Sound von RISKEE & THE RIDICULE die Summe unserer unterschiedlichen Interessen und Einflüsse. Ich war lange MC auf Raves in London und habe Pirate Radio gemacht. Dagegen kommt unser Gitarrist Jimbo aus der Hardcore-Szene. Unser anderer Gitarrist Jordan steht voll auf Math-Rock und unser Drummer Matt ist großer Fan von Pop-Punk. Unser Sound ist also das Ergebnis davon, dass wir vier irgendwann zusammen in einem Raum gelandet sind.

Und wie seid ihr zusammengekommen? Normalerweise gibt es zwischen diesen Szenen nicht viele Berührungspunkte.
Jimbo habe ich schon ungefähr vor zehn Jahren kennen gelernt und schon damals zu ihm gesagt, dass ich gerne mal das Genre wechseln würde. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon angefangen, richtige Songs mit Melodien zu schreiben. Ich wollte einfach meinen musikalischen Horizont erweitern. Und er hatte dann großen Einfluss darauf, wie diese Songs heute klingen.

Wie ist der Bandname RISKEE & THE RIDICULE entstanden?
Riskee ist mein Spitzname. Warum ich den bekommen habe? Keine Ahnung. Haha. Das musst du meine Kumpels in Camden fragen. Mit THE RIDICULE ist die ganze Band gemeint. Anfangs waren wir ein Duo, nur Jimbo und ich. Akustikgitarre und Spoken Word. Bevor wir zu einer kompletten Band angewachsen sind. „Ridicule“, also „Lächerlichkeit“ bezieht sich auf unseren gewagten Crossover, denn wir sind davon ausgegangen, dass wir erst mal ausgelacht werden für unsere Musik. Von Leuten, die nicht verstehen, was wir da machen. Aber das waren natürlich Gedanken aus den Anfangstagen der Band. Ich finde den Namen jetzt immer noch cool.

Wenn man eure Songs hört, bemerkt man viele unterschiedliche Einflüsse, wie GALLOWS, THE STREETS oder sogar SLEAFORD MODS.
GALLOWS sind meine und Jimbos absolute Lieblingsband. Die leben und arbeiten nur etwa zwanzig Minuten Autofahrt entfernt von uns. Mike Skinner finde ich auch schon lange ziemlich gut. Ich habe ein paar CDs von THE STREETS in meinem Auto. Das waren also definitiv Einflüsse für uns. SLEAFORD MODS habe ich erst sehr spät entdeckt. Ich mag die Musik und den politischen Ansatz von denen, aber ich kenne die Band noch gar nicht so lange. Also eher kein Einfluss.

Auf euren ersten drei Alben waren eure Texte sehr politisch. Diesmal richtet sich euer Blick vor allem nach innen. Es geht um Mental Health oder eure Erfahrungen mit der Musikindustrie. Wie kam’s?
Die politischen Themen lagen mir einfach im Blut. Ich bin halb-irisch, halb-schottisch. Die irische Seite meiner Familie stammt aus Belfast in Nord-Irland. Die haben durch die sogenannten Troubles, den Bürgerkrieg, wirklich schlimme Jahre erlebt. Deshalb ist der Hass auf Ungerechtigkeiten tief in mir verwurzelt. Aber auf dem neuen Album war es einfach mal Zeit, in sich hinein zu horchen und seine eigenen Probleme aufzuarbeiten. Depressionen, Angstzustände oder Hoffnungslosigkeit. Die meisten Songs handeln von mir selbst und meinen ganz persönlichen Problemen. Es gibt aber auch Texte, in denen ich Geschichten aus meinem Freundeskreis oder der Band aufgreife.

Sind das Spätfolgen der Pandemie?
Ich glaube, jeder hat damit zu kämpfen. Vor allem durch die Lockdowns, in denen man gezwungen war, sich intensiv mit sich selbst auseinanderzusetzen. Jeder in der Band hat da sein eigenes Päckchen zu tragen. Die Inspiration für die Texte stammt also ganz klar aus dieser Zeit und wir haben einfach versucht, daraus eine kraftvolle Platte zu machen, die vielleicht wieder anderen dabei hilft, mit ihren Problemen klarzukommen. Für mich war es ganz schön hart, mich so zu öffnen.

Gib mir ein paar Beispiele, worum es in den Songs konkret geht. Die erste Single zum Beispiel heißt „My name“.
Da geht es um Leute, die Spaß daran haben, andere Menschen im Internet bloßzustellen. Die aber nicht mehr den Mund aufbekommen, wenn man ihnen gegenübersteht. Der Song geht also raus an all diese Trolls und Keyboard-Warriors oder bitchy Musikerkollegen, die unschöne Dinge über uns gesagt haben. Wenn jemand etwas über uns zu sagen hat, soll er uns das ins Gesicht sagen, finde ich. „How I feel“ dagegen ist ein Stück über den Kampf gegen Alkoholsucht. Jimbo ist jetzt seit vier Jahren trocken und die anderen in der Band lassen es schon mal ordentlich krachen. Das ist dann für ihn nicht so einfach. „Giving up“ wendet sich an alle, die Probleme mit Depressionen haben. Für die ist Musik vielleicht ein Ausweg und eine Möglichkeit, auf andere Gedanken zu kommen.

Wie habt ihr euren Platz in der Musikszene gefunden? Wart ihr viel in der Punk-Szene unterwegs?
Das war für uns sicher härter als für die meisten anderen Bands, die wir kennen. Wenn du eine Standard-Punkband bist, weißt du genau, in welchen Clubs du anklopfen musst. Ähnlich ist das bei Ska- oder Hardcore-Bands. Bei uns wussten die Veranstalter am Anfang nie, wo sie uns hinstecken sollen. Inzwischen haben wir uns aber daran gewöhnt. Wir sind jetzt selbstbewusst genug und sagen: Egal welcher Club, wir blasen alle weg. Wir sind die Band, von der alle sagen: Die sind anders. Wir sehen uns selbst als Punkband, aber nicht als 08/15-Standard-Punk. Wir spielen unsere ganz eigene Version von Punk. Ich liebe es, zwischen den Stühlen zu sitzen. Am Anfang war es schwer, aber mittlerweile haben wir uns einen Namen gemacht und können überall spielen.

Und wer kommt zu euren Konzerten?
Die Grime-Leute hören sich unsere Musik nicht an, das ist denen viel zu aggressiv. In die Hardcore-Szene gibt es einige Verbindungen, solche Leute sehen wir immer wieder bei unseren Shows. Aber auch viele Oldschool-Punks haben sich mit der Zeit an uns gewöhnt und haben tolle Abende bei unseren Konzerten.

Euer neues Album heißt „Platinum Statue“ und auf dem Cover ist die Statue von einem Kampfhund zu sehen. Was bedeutet das?
Das ist ein englischer Bullterrier. Die haben das Temperament eines Labradors. Nur wenn sie in die falschen Hände geraten, können sie sehr böse und gefährlich werden. Aber als Begleiter und Haustiere sind sie sehr schöne und angenehme Hunde. Meiner heißt Preston. Er liegt gerade neben mir und schläft friedlich. Er ist bereits zwölf Jahre alt, deshalb ist er schon ein bisschen taub. Er ist eine Art Maskottchen für unsere Band geworden. Das sind in meinen Augen die besten Hunde überhaupt, ich liebe sie. Und deshalb ist im Artwork unserer Platten immer wieder einer zu sehen.

Als ich das letzte Mal in England war, habe ich ein Hunderennen besucht. Das waren allerdings Windhunde. Ich habe damals ein paar Euro verloren, weil ich auf den falschen Hund gesetzt hatte.
Haha. Das glaube ich. Nicht weit von hier gibt es auch solche Hunderennen. Da bin ich als Kind auch oft hingegangen. All diese Typen mit den Schiebermützen und den Zigarren im Mund haben mich auch fasziniert. Der beste Zeitvertreib, wenn man aus der Working Class kommt. Ich war aber schon länger nicht mehr dort.

Im Vergleich zu euren älteren Alben hat sich bei „Platinum Statue“ euer Sound geändert. Mehr Metal, mehr Melodien, weniger Rap.
Das kann man schon so sagen. Ich rappe zwar viel auf dem Album, aber nicht so, wie die Leute das von mir gewöhnt sind. Der Grime-Einfluss ist auf den anderen Alben viel deutlicher zu hören. Diesmal wird mehr gesungen und die Vocals sind auch viel aggressiver. Wir haben diesmal auch unser Songwriting leicht verändert. Jimbo und Jordan arbeiten viel intensiver zusammen. Deshalb sind die neuen Songs vielleicht etwas komplexer als unsere älteren Sachen.

Was ist rund um den Release Ende August geplant?
Wir spielen im September eine spezielle Show in einer kleinen Brauerei in East London, Signature Brew in der Blackhorse Road. Die haben ein India Pale Ale nur für uns gebraut. Das wird „Platinum Statue“ heißen und dann dort verkauft. Außerdem sind jede Menge Konzerte in UK, aber auch in Deutschland geplant.