ROME IS NOT A TOWN

Foto

Eine gemeinsame Sprache

Die Band aus Göteborg veröffentlichte 2015 ihre erste Single und begeisterte seitdem auf der 12“ „Careful Like You Cared“ (2016), dem Album „It’s A Dare“ (2017), diversen Kleinformaten und nun dem neuen Album „Tender Arms Power Heels“ mit treibendem, druckvollem Post-Punk meets Noiserock. Den neuen Release nahmen wir zum Anlass eines Interviews mit Kajsa Poidnak (gt, voc), Susanna Brandin (gt, bk voc), Caroline Kabat (dr, bk voc) und Emma Wättring (bs, bk voc).

Wo erreichen euch meine Fragen?

Kajsa: Ich starre gerade in meinem Atelier an der Kunsthochschule in Umeå, Schweden, auf den Bildschirm meines Computers.
Emma: Ich bin gerade in meinem Zimmer in meiner Schule in Härnösand, Schweden. Ich bin letztes Jahr von Göteborg hierher gezogen, um dem Komponieren eine echte Chance zu geben. #lovemusic
Susanna: Ich bin in meinem Haus auf der schönen Insel Hisingen in Göteborg und stille mein Baby.
Caroline: Im Proberaumstudio in Göteborg, wo ich meine reguläre Arbeitszeit mit anderen musikalischen Dingen verbinde.

Ich liebe SONIC YOUTH, ich verehre Kim Gordons Stimme und „Catholic block“ ist mein absoluter Favorit. Könnte es sein, dass es euch genauso geht ...?
Kajsa: Klar! Ich meine, Kim Gordon ist großartig. Die Energie in ihrer Stimme ist einmalig. SONIC YOUTH sind für uns eine Inspiration unter vielen anderen. Mein Lieblingssong von ihnen ist „Cross the breeze“. Egal, wann ich es auflege, es fühlt sich immer richtig an, aber das gilt auch für „Toxic“ von Britney Spears.
Emma: Mir scheint, dass wir über die Jahre immer mit mit SONIC YOUTH verglichen wurden, aber ehrlich gesagt habe ich sie vorher nicht so oft gehört. Aber ja, es ist schmeichelhaft, weil ich denke, dass SONIC YOUTH und besonders Kim Gordon eine Art zu arbeiten haben, die völlig furchtlos ist, und für mich ist es das, worum es geht. Den Mut zu haben, so zu sein, wie man in diesem Moment ist.
Susanna: Ich würde sagen, dass ich 30% ihrer Musik absolut liebe und den Rest kann ich mir nur sehr schwer anhören. Aber Kim Gordon ist immer 100%.
Caroline: Ich denke, dass Bands und Künstler:innen, die offen sind für das Erforschen von Klängen und Möglichkeiten, sich auszudrücken, etwas zu schaffen und kreativ zu sein, immer interessant sind. SONIC YOUTH erfüllen ein paar dieser Kriterien, ja.

Wenn ich mir die Credits ansehe des neuen Albums „Tender Arms Power Heels“ – gibt es eine Geschichte zu diesem Titel? –, stelle ich fest, dass ihr nicht nur eine reine Frauenband seid, sondern dass auch Master, Mix und Tontechnik von drei Frauen übernommen wurden. Absicht oder Zufall?
Caroline: Wir haben uns viele verschiedene Tontechniker und Aufnahmestudios angesehen, und diese Leute waren die besten und wollten auch mit uns zusammenarbeiten.
Susanna: Ich fände es toll, wenn man diese Frage auch reinen Männerbands stellen würde. Ihr seid nicht nur eine reine Männerband, sondern auch Master, Mix und Tontechnik wurden von drei Männern erledigt. Warum eigentlich?
Kajsa: Kommunikation ist ein großer Faktor, wenn man mit Musik arbeitet, vor allem wenn es keine offiziellen Begriffe gibt, um die Gefühle zu beschreiben, die man mit Klängen ausdrücken will. Du musst mit den Leuten, mit denen du zusammenarbeitest, eine gemeinsame Sprache erfinden, und das ist jedes Mal eine andere, wenn sich die Konstellation der Leute ändert. Das ist eigentlich ganz schön.
Emma: Finde ich auch! Mit wem du arbeitest, ist immer ein wichtiger Faktor und dieses Mal hatten wir die Möglichkeit, es selbst zu entscheiden. Der Titel des Albums spiegelt irgendwie das wider, was wir in all den Jahren, in denen wir uns zusammen diesem Stück Musik gewidmet haben, besprochen und erlebt haben. Wir haben viel über die Bedeutung von Kontrasten nachgedacht, was ist der Inhalt eines bestimmten Worts? Wie wirkt sich diese Perspektive auf uns aus? Manchmal fühlt es sich so an, als ob sie uns aufgezwungen wird und man von uns erwartet, dass wir uns für das eine oder das andere entscheiden. „Tender Arms Power Heels“ ist eine Art Wortspiel, das das sowohl infrage stellt als auch bestätigt.

In der deutschen Punk-Szene gab es in letzter Zeit eine Debatte darüber, dass nicht-männliche Kunstschaffende in der Szene im Allgemeinen und auf den großen Punkfestivals im Besonderen unterrepräsentiert sind. Was sagt ihr dazu, was sind eure Erfahrungen, auch in Bezug auf Schweden?
Susanna: Ich würde nicht sagen, dass es eine Debatte ist, es ist eher eine Tatsache. Und das ist überall so. Wir tun, was wir können, um den Schlamassel zu beseitigen, aber ich fürchte, das ist ein viel größeres Problem als die Frauenquote eines Punk-Festivals.
Emma: Da stimme ich Susanna voll und ganz zu. Weißt du, wir hatten diese Frage in verschiedenen Formen schon hundertmal, aber wir fragen uns immer noch jedes Mal, wie wir dieses Problem lösen können.
Kajsa: Nun, prinzipiell ist es überall das gleiche Chaos, nur mit anderen Zahlen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir anders behandelt werden, weil die Typen, die hinter der Bühne arbeiten, so viel Angst haben, etwas Falsches zu sagen, oder sie gehen nach einem Gig einfach auf uns zu und geben uns ein paar Tipps, wie wir besser Gitarre spielen oder singen können. Das ist eine große Inspiration für uns.

Was ist für euch wichtig, wenn ihr Texte schreibt? Manche Bands sind großartig darin, Slogans und direkte Botschaften herauszuballern, in eurem Fall geht es eher um ... Geschichten?
Kajsa: Normalerweise schreibe ich die Texte, aber bei ein paar Songs auf diesem Album haben wir etwas Neues ausprobiert. Emma und ich haben eine Art Austausch in den Texten gemacht und das war eine sehr spielerische Erfahrung. Emma hat bei „Daydreamer“ und „Poison“ mit dem Schreiben angefangen, und ich denke, dass diese Songs die Art widerspiegeln, wie sie angefangen hat. Ich glaube, sie ist eher eine Geschichtenerzählerin als ich. Meiner Meinung nach sind die Texte in diesen beiden Liedern irgendwie direkter. Ich fühle mich eher zur Abstraktion hingezogen und neige immer dazu, die Texte als Konturen zu schreiben, die sich erst durch den unsagbaren Raum darin öffnen. Ich schätze, das könnte für manche Leute unklar sein, und manchmal ist es etwas schwieriger, sich zu entfalten, aber das ist die Art von Texten, die mich anspricht. Und natürlich weiß ich immer, aus welchen Lebenssituationen sie entstanden sind.