ROUGHNECK RIOT

Foto© by Jim Taylor

Alles abfackeln

Wut und Raserei gehören zu ihnen, seit sie Musik machen – nur dass ROUGHNECK RIOT all das in eher geschmeidige Folk-Punk-Melodien verpacken. So auch auf ihrem neuen Album „Burn It To The Ground“, über das wir mit Bassist Ryan sprachen, und das einmal mehr einen Rundumschlag gegen alles und alle umfasst: den Brexit, die Pandemie, die an den europäischen Grenzen versagende Politik. Da kann man schon mal alles abfackeln wollen. Aber dafür ist er ja da, der Punk – findet auch Ryan.

Ryan, wenn man sich draußen in der Welt umschaut und die vergangenen paar Jahre Revue passieren lässt, dann kommen dir als Musiker aus England sicher Dinge wie der Brexit und die Pandemie in den Kopf. Beide auf ihre Weise verheerend. Ist das der Grund, warum ihr euer neues Album „Burn It To The Ground“ genannt habt?

Durchaus. Wobei der Titel schon vorher feststand, denn das ist für uns ja nicht nur ein aktuelles Gefühl. Dieser Nihilismus zeichnet uns seit jeher aus. Nicht nur in dieser Post-Brexit-Apokalypse.

Man muss die Wut rauslassen.
Absolut! Es war schließlich eine seltsame Zeit. Wenn ich an Anfang 2016 zurückdenke, dann wäre damals ja niemand von uns auf die Idee gekommen, dass wir die EU je verlassen würden. Das war ein Schock. Es folgten vier Jahre, in denen der Brexit seinen Lauf nahm mit allen seinen Konsequenzen. Es folgte die Pandemie, die alles stilllegte. Wir haben seit drei Jahren nicht mehr getourt. Und wenn es irgendwann wieder möglich sein sollte, wird es aufgrund des Brexits wohl kompliziert, aufs europäische Festland zu kommen. Wir wollen nach Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und wissen nicht, wie das funktionieren soll. Das alles macht Angst – mal ganz abgesehen von all den anderen Problemen, die existieren.

Nicht umsonst heißt ein Song auf dem Album „Lampedusa“ und setzt sich mit der erbärmlichen Situation Flüchtender an Europas Grenzen auseinander.
Genau. Und angesichts all dieser Dinge muss man letztlich irgendein Ventil finden, um seinen Frust rauszulassen. Um etwas zu tun.

Noch mal zurück zum Brexit: Ich sprach vor ein paar Wochen mit Jet von BUSTER SHUFFLE aus London, die für einen Gig in Düsseldorf nach Deutschland kamen. Er sagte mir, dass sie früher einfach ihre Sachen in den Bandbus geschmissen hätten und losgefahren wären. Heute aber müssten sie für jedes Instrument Dokumente ausfüllen und einen bürokratischen Kleinkrieg austragen, um aufs Festland zu kommen.
Wir haben seit dem Brexit nicht mehr bei euch gespielt und haben das somit noch nicht erlebt. Aber so ist es wohl. Das haben wir auch schon mitbekommen. Früher mussten wir immer nur dieses Dokument der GEMA ausfüllen, wenn wir nach Deutschland kamen. Das war’s. Jetzt wird wohl ein Berg an Unterlagen auf uns zukommen. Wir wollen im März erst mal nach Frankreich. Ich bin gespannt.

Wann habt ihr das letzte richtige Konzert gespielt?
Wir hatten zwar im September vier kleinere Gigs hier in England. Aber streng genommen war das eigentlich im Dezember 2018. Danach haben wir ein Jahr Pause gemacht. Eine Auszeit, unter anderem, weil ich auf Reisen gegangen bin. Unser Plan war, danach das nächste Album rauszubringen – und dann kam die Pandemie.

Wie war das, bei diesen kleinen Shows wieder auf die Bühne zu gehen?
Seltsam. Wir fühlten uns unsicher – und das nach 17 Jahren auf der Rolle! Wir waren nervös. Wir wussten nicht: Was spielen wir nach dieser langen Zeit? Alte Songs? Neue Songs? Am Ende war es wirklich herzerwärmend und irgendwie enthusiastisch. Es hat die Vorfreude geweckt auf das, was demnächst hoffentlich wieder kommt.

Hättet ihr diese Pause gemacht, wenn ihr gewusst hättet, was kommt?
Das ist eine schwierige Frage. Aber ich denke, ich kann sagen: ja. Denn wir haben davor jahrelang wirklich kaum eine Pause gemacht. Waren nur unterwegs. Wir brauchten die Pause, um die Akkus wieder aufzuladen. Nur wurde sie eben länger als geplant. Immerhin, das neue Album macht vieles leichter. Es gibt uns die Sicherheit, dass es weitergeht.

Wäre dieses neue Album ein anderes geworden ohne Corona?
Die Songs haben wir letztlich über einen Zeitraum von sieben Jahren geschrieben. 2018 waren wir mit ihnen schon mal im Studio – und haben sie jetzt eben noch einmal überarbeitet. Aber ich denke, sie sind jetzt, nach all diesen Erfahrungen, noch stärker und intensiver geworden. Man kann auch sagen: Wir haben noch mehr Wut nach all dem. Wut, die raus muss! Und in vier Jahren, beim nächsten Album, wird diese Wut vielleicht noch größer sein, sich noch einmal potenziert haben, haha.

Weil die Welt sich bis dahin ebenso wenig zum Guten hin verändert haben wird wie in den vergangenen Jahren?
Genau. Wir könnten zwar auch ein paar fröhliche Songs schreiben. Aber wir sind besser, wenn es in Moll klingt. Dazu sind wir einfach zu politisch.

Was interessant ist, denn ich habe auch schon mit Bands gesprochen, die der Überzeugung sind: „Wenn wir auf der Bühne oder im Studio stehen und Musik machen, dann muss Politik draußen bleiben. Dann sollen die Leute all das Schlechte vergessen.“ Wie denkst du darüber?
Ich bin überzeugt, dass man als Musiker oder Musikerin nicht drumherum kommt, auf Politik einzugehen. Zumindest ist es schwer, das nicht zu tun. Vor allem wenn man sich anschaut, wie es derzeit nicht nur weltweit, sondern hier bei uns in England mit der Regierung der Tories aussieht. Außerdem schlägt dir Politik ja nun mal überall entgegen. Jedes Mal, wenn du den Fernseher anschaltest, wenn du dich in den sozialen Medien umschaust, springt sie dich an, siehst du Korruption und Egoismus. Musik kann da einen Gegenpol schaffen. Sie kann Solidarität unter denen erzeugen, die auf der anderen Seite stehen und diese Dinge nicht hinnehmen wollen. Punkrock ist ja das beste Beispiel dafür. Und wenn die Menschen uns hören und sich womöglich davon anstecken, inspirieren lassen, dann haben wir einen Beitrag geleistet durch unsere politische Haltung.

Du sagst, Punk sei „das beste Beispiel“ dafür. Allen bösen Kommerz- und Ausverkaufsvorwürfen zum Trotz hat diese Szene also nach wie vor ihre Berechtigung?
Ja! Weil es im Punk um Anti-Autorität geht. Wobei ich betonen möchte: Wir haben aller Politik zum Trotz natürlich auch Spaß, haha. Zudem halte ich „Burn It To The Ground“ für eine Platte, die nicht nur politisch ist, sondern auch sehr introspektiv. Sie blickt stellenweise darauf zurück, wie wir uns entwickelt haben. Wie wir 17 Jahre lang zusammen durchgehalten haben.

Wie habt ihr das geschafft?
Weil wir als Jugendliche angefangen haben, und weil wir trotz der Tatsache, dass nicht mehr alle dabei sind, im Kern zusammengeblieben sind. Das hat viel mit Freundschaft zu tun. Und auf die blicken wir in einigen neuen Songs auch zurück.