SOULFLY

Foto© by Nathan Dobbelaere

Eine verdammt laute Kirche

SOULFLY finden mit „Rituals“ zu alter Stärke zurück und verbinden Blastbeats mit Mörder-Grooves. Max Cavalera verrät uns einiges über die Riten der Metal-Welt, über seine musikalische Erziehung und über die Loyalität der Fans.

Ich hatte schon immer den Eindruck, als sei Metal durch und durch von Ritualen geprägt. Ich meine, allein die Art, wie wir Musik hören, ist voller Rituale. Vinyl zum Beispiel. Da hast du die großen Cover, du musst sowohl den Plattenspieler als auch die Platten selbst pflegen. Dann legst du ganz vorsichtig die Nadel auf die Platte. Heute hast du Instagram und die ganze Onlinewelt, was auch sehr gut sein kann. Ich habe unglaublich viele Bands darüber kennen gelernt. Auch diese neue Herangehensweise an Musik steckt voller Rituale.“ Ich versuche, cool zu bleiben am Telefon, denn immerhin rede ich mit Max Cavalera, einer der Helden meiner Jugendzeit. Er vertieft seinen anfänglichen Gedanken: „Headbangen, Circle Pits, die Hörner in die Luft recken ... das ist alles so durchritualisiert, es ist wie in einer verdammt lauten Kirche.“

Natürlich will ich direkt wissen, was Rituale für Max bedeuten. Immerhin haben SOULFLY „Rituals“ als Titel und Motiv für ihr neues Album gewählt. „,Rituals‘ ist ein verdammt starker Name und verdammt Metal noch dazu. Er erklärt sich nicht direkt von selbst und überlässt einiges der eigenen Interpretation.“ Aber wo finden sich nun die Rituale in Max’ Leben? Und wie wirken diese in seiner Kunst? „Ich habe eine ziemlich obsessive Haltung in manchen Dingen. Ich mache vieles, das normale Menschen nicht machen würden. Zum Beispiel wenn ich ein Flugzeug betrete, tue ich das immer mit meinem linken Fuß zuerst. Türen öffne ich immer mit der rechten Hand. Ich habe also ein sehr durchritualisiertes Leben.“

Entstanden ist „Rituals“ in Zusammenarbeit mit Produzent Josh Wilbur, der schon mit LAMB OF GOD, TRIVIUM und ALL THAT REMAINS Großes schuf. Wie war es also, mit ihm zusammenzuarbeiten? „Es war fantastisch; ein ganz neues Level. Wir sind wieder mehr zu den Tribal-Elementen zurückgekehrt und haben etwas geschaffen, das das Level von ,Primitive‘ und ,Prophecy‘ erreicht. Ich glaube, ,Rituals‘ ist ein SOULFLY-Song für die Ewigkeit. Josh war dabei immer mehr als nur ein Produzent, da er schon ein riesiger Fan war von ,Soulfly I‘ und zuvor ,Chaos A.D.‘ von SEPULTURA. Ich bin selbst immer noch sehr begeistert von extremen Underground-Metal und habe ihm da eine ganze Menge zeigen können. So entstand eine gute Mischung aus Blastbeats und Tribal-Grooves. Das Beste aus beiden Welten. Wir sind verdammt stolz auf das Endergebnis.“

In „Dead behind the eyes“ ist Randy Blythe von LAMB OF GOD zu hören und in „Under rapture“ Ross Dolan von IMMOLATION. „Ich kenne Ross Dolan schon seit den frühen Neunzigern. IMMOLATION spielten auch eine Weile als Opener für uns. Ich liebe ihre Platten. Sie haben nie eine schlechte Scheibe herausgebracht. Wir tourten eine ganze Menge zusammen und dann kam eins zum anderen und ich schrieb ,Under rapture‘ für ihn. Mit Randy war es eine ganz andere Geschichte. Da war es mehr wie ein glücklicher Unfall. Ich meinte zu Josh Wilbur eher im Scherz: ,Zeig ihm den Song, er könnte ihm gefallen‘, und Josh tat dann genau das. Randy verliebte sich sofort in den Song. Randy ist wirklich ein super Typ und eine echte Größe im modernen Metal.“

Zum Schreibprozess fällt Max einiges ein: „Es war derselbe, wie ich ihn in den letzen 25 Jahren durchlaufe. Ich habe zu Hause Stunden über Stunden Riffs geschrieben und sie gesammelt. Dann habe ich viel mit meinem Sohn Zyon gejammt und ihm einiges an Blastbeats gezeigt. Er liebt Bands wie DEFTONES und BLACK ­SABBATH. Ich habe ihm dann zum Beispiel IMMORTAL vorgespielt. Dann haben wir im Studio die verschiedenen Einzelteile zu Songs zusammengebastelt. ,Ritual‘ wurde quasi im Studio geboren. Alles lief diesmal etwas spontaner ab und hat ein leichtes Industrial-Feeling bekommen, wie etwa bei CODE ORANGE. Das Schreiben macht einfach wahnsinnig Spaß und ich bin immer mit ganzer Leidenschaft dabei, Platten zu machen.“

Zum Ende unseres Interviews komme ich auf das zu sprechen, was mir am meisten auf den Nägeln brennt. Was hat sich verändert im Laufe dieser unglaublichen Karriere? „Wir sind gewachsen und gewachsen, ohne dabei wirklich erwachsener zu werden. Es war nie mein Ziel, immer größer zu werden, aber mir war mein Stamm immer sehr wichtig. Und mein Tribe liebt es.“ Dann wird es noch mal emotional und für mich als Fanboy unvergesslich, als Max kurz gedankenverloren beschreibt, was ihm seine Band bedeutet: „SOULFLY haben mich wirklich gerettet. Das erste Album war so was wie meine Erlösung, meine Heilung. Scheiße, ohne SOULFLY würde ich wahrscheinlich jetzt nicht mit dir reden. Mir bedeutet das die Welt und ich liebe es zu sehen, dass es so vielen Menschen da draußen ebenso viel bedeutet. Ich meine, die Fans beweisen unglaublich viel Loyalität zu dieser Band. Es gibt so viele Leute da draußen, die haben sogar SOULFLY-Tattoos, und das weiß ich sehr zu schätzen. Sich tätowieren lassen tut scheiße noch mal weh. Das bedeutet mir verdammt viel.“