THIN ICE

Foto

Der Hardcore-Punk-Tradition verpflichtet

Bands wie THIN ICE gibt es nicht viele. Oldschool-Hardcore-Bands, die noch nicht endlos viele Kilometer auf dem Tacho haben, sondern gerade erst am Anfang stehen. Die Band aus dem fränkischen Schweinfurt gibt es gerade erst zwei Jahre. Frischlinge im Business. Ihre ersten Shows haben sie mit JUDGE, AGNOSTIC FRONT oder BOLD gespielt. Nach einem 4-Track-Demotape bringen die Newcomer jetzt beim Dresdner Label Farewell Records die EP „Keep It Alive“ heraus. Sieben Tracks, die den Spirit von Bands aus Brooklyn oder Queens atmen, erzählen Sänger Simon Hereth und Gitarrist Tobias Schultheis.

ihr habt ja alle schon in diversen Bands aus Schweinfurt und Umgebung gespielt. Wie hat es mit THIN ICE angefangen?

Tobi: Den Impuls für den Start habe ich gegeben. Ich habe damals mit unserem anderen Gitarristen Lukas viel gejammt. Der hatte vorher noch nie in einer Band gespielt und kommt aus meiner Nachbarschaft. Mit meiner anderen Band ZERRE läuft ja gerade nichts. Damals kamen noch Esther am Bass und Schlagzeuger Michi dazu und THIN ICE waren geboren. Ich sollte auch den Gesang übernehmen, das wollte ich aber nicht. Dann haben wir Ende 2019 Simon gefragt, ob er das machen kann. Der hat dann noch seinen Bruder Julian mitgebracht, der Esther am Bass ersetzt hat. Mit dem jetzigen Line-up ging es also im Frühjahr 2020 los.

Woher kommt die Begeisterung für diesen Oldschool-Hardcore-Sound? Eure bisherigen Bands ZERRE, THE POOR DEVILS oder LOKUSBOMBER klangen ganz anderes.
Simon: Wir fühlen uns den Wurzeln von Hardcore-Punk einfach sehr verbunden und hören auch selbst viel Oldschool-Kram. Vor allem aus den Achtzigern aus New York. Dieser rauhe Sound hat uns in unserer Jugend einfach unheimlich geprägt. Das holt uns einfach viel mehr ab als der Sound der ganzen jüngeren Bands. Dieser Ursprung von Hardcore bedeutet uns unheimlich viel und das merkt man THIN ICE einfach an. In unserem Leben und Denken hatten Bands aus den Achtzigern einen großen Einfluss und das soll sich in unserer Musik und in den Texten widerspiegeln. Auch wenn wir uns vielleicht nicht anhören wie BLACK FLAG oder MINOR THREAT.

Euer erstes Demo habt ihr mit Hilfe von RICK TICK EVIL-Gitarrist Colin Frank in eurem Proberaum eingespielt. Die EP hat Jason Rowe aufgenommen, gemischt und produziert. Wie kam das?
Simon: Jason kommt eigentlich aus Australien und war Sänger bei CAPITAL ENEMY. Vor fünf Jahren hat er mit seiner anderen Band CROWNED KINGS bei uns auf dem Stäbruch Festival in Untererthal bei Hammelburg gespielt. Da hat er die Liebe seines Lebens kennen gelernt und ist von Melbourne nach Unterfranken ausgewandert. Zusammen mit unserem Kumpel Daniel hat er sich im Nachbardorf Obererthal ein Studio aufgebaut. Die sieben Songs von THIN ICE haben wir allerdings noch nicht in seinem Studio aufgenommen, weil es noch nicht ganz fertig war.
Tobi: Die ersten Aufnahmen haben wir bei Jason daheim im Wohnzimmer gemacht. Bass und Gitarren haben wir dann an einem Wochenende zu Hause bei Lukas eingespielt. In Oehrberg, einem Ortsteil von Burkardroth. Und später dann die Vocals. Das hat sich wegen Corona alles ziemlich lange hingezogen. Angefangen haben wir im März und fertig waren wir im Oktober.

Womit beschäftigen sich eure Texte? Bei Bands wie AGNOSTIC FRONT oder SICK OF IT ALL geht es ja oft um Treue, Einigkeit und die Szene an sich. Wie ist das bei euch?
Simon: In unseren Texten geht es darum, wie wichtig wir es finden, dass man sich damit beschäftigt, wie die ganze Szene entstanden ist. Vielen Bands sind die Ursprünge und die Motivation von damals nicht mehr so wichtig. Wir kommen selbst aus dem Punk und haben uns damit beschäftigt, seit wir 15 Jahre alt sind. Viele unserer Freunde sind früher mit uns zu Shows gefahren und machen jetzt ganz andere Dinge. Wir sind dabeigeblieben. Für viele junge Musiker geht es inzwischen nur um harte Riffs und darum, cool zu sein. Wir unterstreichen in unseren Texten, dass es wichtig ist, sich mit den Themen in der Szene intensiv zu beschäftigen, wenn man schon Teil davon ist. Wir meinen es einfach ernst und das sagen wir auch.
Tobi: Vor etwa zehn Jahren sind wir noch mit vielen Autos zum Stattbahnhof nach Schweinfurt gefahren, um Konzerte anzuschauen. Wir hätten sogar Busse anmieten können. Viele von diesen Leuten sieht man gar nicht mehr.
Simon: Es geht uns auch darum, den Nachwuchs wieder für die Szene zu begeistern. Bei mir im Dorf gibt es einige Youngster, die jetzt auch mal zu Shows mitgekommen sind. Die haben über die Energie gestaunt, die da im Saal entstanden ist, und waren völlig hin und weg. Vielleicht entsteht so wieder was Neues.

Simon, du veranstaltest ja seit zehn Jahren mit dem Stäbruch in Untererthal ein Indoor-Hardcore- und Punk-Festival und betreibst seit sechs Jahren das Online-Magazin „Away From Life“. Warum gibt es so wenig Nachwuchs im Oldschool-Hardcore?
Simon: Acts wie SICK OF IT ALL oder AGNOSTIC FRONT sind seit fast vierzig Jahren auf Tour. Die wird es auch weiter geben, weil sie dranbleiben. Viele jüngere Bands orientieren sich stärker an Trends. Die ballern ein Album raus, lassen sich abfeiern und sind dann auch bald wieder weg. Es gibt nur ganz wenige wie zum Beispiel COMEBACK KID, die sich durchbeißen. Die Veranstalter dürfen natürlich auch nicht immer nur dieselben populären Namen buchen, sondern sollten auch jüngere Bands aufbauen. Außerdem ist dieser Oldschool-Sound einfach nicht mehr so angesagt. Vor allem das jüngere Publikum feiert gerade andere Sachen wie Metalcore ab. Wenn ich mich bei Shows so umschaue, dann ist bei vielen Oldschool-Shows das Publikum auch einfach älter. Bei jüngeren Bands ist genau das Gegenteil der Fall.

Wenn es nach dem Lockdown irgendwann wieder mit Konzerten losgeht, wird bestimmt viel auf Abstand geachtet. Ist eine Hardcore-Show ohne Körperkontakt überhaupt vorstellbar?
Tobi: Möglich ist natürlich alles. Unsere ersten Shows werden mit Sicherheit mit Maske und eineinhalb Meter Abstand laufen, da bin ich mir sicher. Außerdem wird wohl nur die Hälfte der Besucher zugelassen, vermute ich. Mit Securities überall, die das überwachen. Da wird natürlich die Stimmung leiden, aber die Leute wollen keine Online-Shows mehr sehen. Besser als gar nichts.
Simon: Die Leute sind einfach froh, mal wieder herauszukommen und Live-Musik zu sehen. Auch wenn alles fehlt, was Hardcore/Punk ausmacht. Die Nähe, die Energie. Außerdem geht es darum, Veranstalter und Bands zu unterstützen. Alles ist besser als nichts.