TIGER ROUGE

Foto© by Band

Alles mit Augenzwinkern

Es ist das ewige Lied: Düsseldorf ist nicht nur die von den Hosen besungene Modestadt. Düsseldorf ist auch die Stadt, die gefühlt unentwegt neue Punkrock-Bands hervorbringt. Eine der jüngsten, wenngleich aus Musikern älterer und längst bekannter Bands bestehend, ist TIGER ROUGE. Und die veröffentlichten jetzt ihr selbstbetiteltes Debütalbum im schicken 10“-Format. Wir lassen uns von Gitarrist Björn erzählen, wie das mit dieser nächsten neuen Band aus der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt so gekommen ist.

Ihr habt TIGER ROUGE Ende 2019 gegründet. Es gab euch ein paar Wochen – dann kam die Pandemie. Für Musiker, die gerade loslegen wollen, der Worst Case. Wie seid ihr damit umgegangen?

Wir haben viel geprobt, Songs geschrieben und die dann aufgenommen. Möglichst live im Proberaum. Und das alles unter der Hand, da man sich ja eigentlich gar nicht mehr wirklich treffen durfte, haha. Wir haben uns ein Mischpult mitgebracht und konnten uns der Musik widmen.

Wo liegt denn euer Proberaum?
An der Ronsdorfer Straße in Düsseldorf-Flingern.

Das ist das unterirdische Geflecht von Proberäumen, in dem auch Bands wie die BROILERS, 4 PROMILLE, KOPFECHO und ROGERS untergekommen sind oder waren. Überspitzt gesagt also die halbe Düsseldorfer Szene. Zudem habt ihr alle schon zuvor in anderen Bands aus Düsseldorf gespielt, unter anderem bei LAZY BOMBS, COBRA JIM oder GTOs. Ich stelle dir also die Frage, die man jedem Musiker und jeder Musikerin aus Düsseldorf stellen muss: Was macht die Szene dieser Stadt aus?
Es ist dieses Miteinander. Jeder kennt jeden. Wir haben alle schon in verschiedenen Bands gespielt. Und unsere Wege haben sich eben immer gekreuzt. So haben wir uns ja letztlich auch gegründet: Nachdem ich sieben Jahre lang nach den LAZY BOMBS überhaupt keine Musik mehr gemacht hatte, kam Elmar, unser Sänger, mir gerade recht, als er mich ansprach und mir sagte: „Hör mal, wir haben da einen Bassisten und einen Schlagzeuger. Lass uns doch mal was gemeinsam machen und schauen, was passiert.“ Und es passierte: TIGER ROUGE.

Normalerweise ist die Frage nach dem Bandnamen verpönt. Trotzdem: Was hat es auf sich mit diesem Namen?
Wir saßen versammelt im Proberaum, sagten uns: „Wir müssen jetzt einen Namen finden. Jeder macht mal ein paar Vorschläge.“ Und unser Bassist Steve, der Zahntechniker ist, sagte dann: „Bei uns steht im Labor so eine Pulle rum, auf der steht ‚Tiger Rouge‘.“ Da drin ist ein rotes Pulver für irgendeine zahnorthopädietechnische Sache. Wir dachten sofort: Das hört sich gut an. Und damit war die Suche beendet.

Auf dem Cover eurer Platte ist ein Tigerfell zu sehen, das in einer Blutlache liegt. Es sieht aus wie die Splatter-Version des TV-Sketchs „Dinner for One“, nur dass sich Butler James beim Stolpern übers Fell hinlegt und sich irgendwas böse aufschlägt.
Na ja, so besoffen, wie er am Ende immer ist, haut das hin, haha.

Ein Zeichen dafür, dass TIGER ROUGE Humor können?
Absolut! Wir sehen alles mit einem Augenzwinkern. Wir wollten ursprünglich eine echte weiße Siamkatze nehmen, die blutbefleckt ist und in einer Blutlache sitzt. Aber dann kam unser Grafiker mit dem Tiger. Und das war dann die bessere Variante. Bei der anderen hätte uns womöglich ein Shitstorm ereilt, haha.

Das eigentlich politisch und gesellschaftlich geprägte Genre Punk darf also in schlimmen Zeiten auch mit Witz daherkommen?
Ja. Natürlich darf man die politische Komponente nie vergessen. Der Ukraine-Krieg, die Querdenker, die AfD – das muss man im Bewusstsein haben. Aber man darf dennoch nicht alles so bierernst nehmen. Man muss sich einen Funken Humor bewahren. Sonst bringt es keinem etwas. Und Humor zieht sich durch das ganze Album. Nimm den Song „Punk-rock in E major“. Da nehmen wir uns selbst und dieses Märchen der ewigen Tour-Romantik aufs Korn. Alle denken ja immer: Die sind auf Tour! Das ist ganz toll! Die erleben viel! Aber im Endeffekt ist es so: Wir fahren, wir warten auf den Gig, wir spielen – wenn wir Pech haben, sollen wir dafür sogar noch zahlen. Pay to play eben. Und das war es dann. Völlig unromantisch also, haha.

Ich schätze, das Stück „I wanna live in the 80s“ ist auch nicht so bierernst gemeint.
So ist es, haha. Es gibt in jeder Dekade schreckliche Musik. Und es kamen trotzdem immer auch gute Bands raus. Bezüglich der Neunziger etwa erinnern wir uns zwar an irgendwelche schrecklichen Eurodance-Sachen. Aber es gab auch eine Band wie NIRVANA. Und mich hat es eben musikalisch gepackt in den Achtzigern. Mit „Appetite For Destruction“ von GUNS N’ ROSES. Als ich diese Platte hörte, wollte ich Gitarrenmusik machen. Elmar wiederum ist etwas älter. Bei ihm war es „Killers“ von IRON MAIDEN. Wir sind alle so um die vierzig, fünfundvierzig, das haben wir damals also alles mitgenommen. Wir sind damit großgeworden. Und es war nicht alles schlecht, haha.

Dennoch sei ein wenig Kritik gestattet: Nur acht Songs sind für ein erstes Album doch recht mau.
Wir haben zwanzig Songs geschrieben, aber wollen noch etwas aufbewahren für eine kommende EP oder Platte. Wir wollen etwas in der Hinterhand haben, wenn es weitergeht. Klar, es hätten auch zehn Songs sein können. Doch dafür fehlte uns dann das Geld für die Studiozeit. Das wäre eine Hetzerei geworden. Also sagten wir uns: Wir nehmen lieber nur acht gute Stücke als zehn, von denen dann ein paar nicht ausgereift sind.