To have or not to have

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Billy von Unity Worldwide Records über Pre-Order

Zur Zeit ist das Streaming im billigen Abo (oder für lau) das meistgenutzte Musikmedium. Vinyl wird zunehmend als so genanntes Pre-Order angeboten, bei dem Monate vor dem Erscheinen eine LP bestellt und bezahlt wird. Ob und warum das Pre-Order-System für kleine Plattenfirmen nötig ist, erklärt uns Billy Sven Günther, der mit Joe Foster das kleine deutsch-amerikanische Label Unity Worldwide Records betreibt.

Als Musikkonsument habe ich momentan zunehmend die zwei Möglichkeiten: Ich streame – oder ich muss vorbestellen, um eine LP überhaupt zu bekommen. Wie siehst du das?

Pre-Order hat für unser Label zwei Vorteile. Ich kann ungefähr abschätzen, wie groß das Interesse ist, was bei uns vor allem bei einer neuen Band, wie zum Beispiel damals FIELD DAY, wichtig ist. Ich habe mit Fertigstellung der Testpressung nämlich noch die Möglichkeit, die Auflage zu erhöhen, damit die Platte in den Läden auch wirklich ausreichend vorrätig ist. Und natürlich ist Pre-Order wichtig, um die Herstellungskosten zu decken – anders geht das bei uns nicht. Zu den Majorlabels und auch großen Indies muss man sagen, dass über Pre-Order die Möglichkeit des Chartens eines Releases geschaffen werden soll. Sprich, alle Pre-Order-Verkäufe zählen erst am Release Tag. Chartet ein Release, ist es also in den Top 100, dann wird die Platte auch im Radio gespielt und beispielsweise in großen Märkten angeboten.

Der Zeitraum zwischen Pre-Order und dem tatsächlichen Verkauf wird immer länger. Warum?
Presswerke nehmen aktuell teils überhaupt keine Neukunden mehr an. Viele Majors pressen den Backkatalog von Bands nach. Natürlich nachvollziehbar, wenn Bands, die von der Musik leben, seit Februar 2020 keine Einnahmen mehr haben. Dazu haben sie Veröffentlichungen wegen Corona ewig hinausgezögert, was auch nachvollziehbar ist, wenn man ein Release nicht auch live bewerben kann. Dazu müssen sie Leute bezahlen, die dort arbeiten. Wir sind dagegen auf den „Break Even“ ausgerichtet – Joe und ich machen das neben unseren normalen Jobs und wollen damit nichts verdienen, aber auch kein Minus machen. Über Pre-Order versuchen wir die Herstellungskosten abzudecken, sprich die Rechnung des Presswerks bezahlen zu können. Hier sind wir auch wahnsinnig dankbar, dass die Fans uns dieses Jahr bewusst unterstützt haben, indem sie unsere Platten dennoch gekauft haben, ohne sie live hören zu können. Zum anderen liegen die langen Herstellungszeiten auch an Corona und den Folgen. Aufgrund von Lieferengpässen ging den Presswerken in den letzten Monaten sogar teilweise das Granulat, also der Rohstoff, aus. Dazu gab es Quarantäne und Kurzarbeit. Bei uns hat eine Produktion früher maximal zehn bis zwölf Wochen gedauert. Momentan warte ich alleine auf die Testpressung zehn bis zwölf Wochen – und dann noch mal zehn bis zwölf Wochen, bis alles fertig ist. Ein Pre-Order-Zeitraum von fünf Monaten ist den Leuten aber nicht zumutbar. Deshalb schalten wir aktuell nur noch eine Pre-Order, wenn ich weiß, dass es bis zum Street Day ungefähr noch sechs Wochen dauert. Das hat den Nachteil, dass ich nicht mehr flexibel bin und eventuell mit der Veröffentlichung gleich nachpressen muss. Was wieder um die zehn Wochen in Anspruch nimmt.

Die letzte große Sache bei euch war der „Strength Thru Unity“-Benefiz-Sampler für das Conne Island in Leipzig. Die Pre-Order kam gleich noch als Limited Edition. Warum?
Der Grund für die Pre-Order war vor allem, dass das Geld beim Conne Island so schnell wie möglich ankommt, um den Laden finanziell zu unterstützen. Zusätzlich wollten wir sicherstellen, dass die Herstellungskosten zum Release Day bereits weitestgehend gedeckt sind. Finanziell war das für uns eine große Hausnummer, die Joe und mir auf die Füße hätte fallen können. In unseren kühnsten Träumen sind wir nicht davon ausgegangen, dass der Sampler innerhalb von 24 Stunden ausverkauft ist. Dank der Pre-Order bei unseren Freunden im Coretex in Berlin, konnten wir alle Rechnungen, wie Herstellung und GEMA, sofort bezahlen. Die befreundeten Mailorder von Contra Records bis Revelation in den USA haben dann ihre kompletten Einnahmen direkt ans Conne Island überwiesen. Bei dem Sampler war von vornherein klar, dass wir wegen vertraglicher Absprachen nur 1.000 Stück machen konnten, wovon schon 200 an alle Beteiligten gingen. Über die letzten Monate habe ich mir von den Bands und Labels die Genehmigung eingeholt, dass wir noch einmal 500 Stück für den Verkauf nachpressen dürfen. Logisch, der Gewinn geht wieder ans Conne Island.