TODD TRAINER (SHELLAC)

Foto© by Christoph Lampert

My Little Drummer Boy Folge 68

Nachdem zwei Jahre lang alle Interviews nur noch online stattgefunden haben, konnten wir für die erste Post-Corona-Folge dieser Serie gleich einen besonderen Wunschkandidaten gewinnen. Todd Trainer ist mit seiner Band SHELLAC seit über dreißig Jahren aktiv, war in mehr als 35 Ländern auf Tour und hat in seiner Karriere über 25 Alben aufgenommen. Er besticht bei seinem Schlagzeugspiel durch die Präzision eines Uhrwerks und immer wieder neue Rhythmusideen, die den Sound seiner Band so unverwechselbar machen. Das Interview mit dem äußerst gut gelaunten Mr. Trainer fand direkt nach seinem Soundcheck in Leipzig statt.

Todd, gibt es aus deiner frühen Kindheit Geschichten, dass du schon auf den Töpfen deiner Eltern herumgetrommelt hast?

Ich wünschte, ich könnte dir das erzählen, aber solche Geschichten gibt es von mir nicht. Aber wir hatten bei uns zu Hause einen Schaukelstuhl, in dem ich sehr gern gesessen und Musik gehört habe. Ich saß dann mit meinen Kopfhörern in diesem Schaukelstuhl und habe laut Musik gehört. Dabei habe ich so obsessiv geschaukelt, dass der Stuhl zerbrochen ist. Mein Vater hat den Stuhl dann zum Händler zurückgebracht und ihn umgetauscht, weil er ja schließlich keinen defekten Stuhl hatte kaufen wollen. In dem neuen Schaukelstuhl ging das Spiel natürlich genau so weiter. Das sind meine ersten musikalischen Erinnerungen, und noch bevor ich dann anfangen konnte, auf Töpfen oder Pfannen zu trommeln, hatte mein Bruder bereits ein eigenes Schlagzeug. Ich war damals elf Jahre alt und bereits großer Musikfan.

Kommst du eigentlich aus einer musikalischen Familie?
Also meine Eltern waren große Musikliebhaber, aber nicht selber Musiker. Bei uns zu Hause lief eigentlich immer viel klassischer Rock’n’Roll. Ich selbst wurde eher durch meinen älteren Bruder und meine ältere Schwester musikalisch geprägt. Mein Bruder hörte THE BEATLES und THE ROLLING STONES sowie bei den härteren Sachen BLACK SABBATH und später AEROSMITH, während meine Schwester viel Curtis Mayfield, SLY & THE FAMILY STONE und mehr so funkiges Zeug hörte. Das sind so die ersten Sachen, die mich musikalisch beeinflusst haben.

Durftest du das Schlagzeug deines Bruders auch benutzen?
Mein Bruder und ich haben uns zu dieser Zeit ein Zimmer geteilt und da stand natürlich auch sein Schlagzeug herum. Ich habe eigentlich alle Dinge von meinem älteren Bruder übernommen. Ich trug seine Klamotten auf, ich bekam seine Schlittschuhe und seine alten Baseballhandschuhe, und als er dieses Schlagzeug nach Hause brachte, habe ich es ebenfalls auch als meins betrachtet. Er hat mir dann ein paar Sachen gezeigt und ich habe angefangen, Schallplatten nachzuspielen. Glücklicherweise hatten wir sehr verständnisvolle Eltern, die uns immer unterstützt haben, und es gab auch nie großen Ärger mit den Nachbarn.

Wie lange hat es gedauert, bis du deine erste eigene Band gegründet hast?
Ich habe einen Großteil meiner Teenagerjahre, ungefähr von elf bis sechzehn, für mich allein getrommelt und dann versucht, meine besten Freunde zu überreden, sich eine Gitarre und einen Bass zu besorgen, damit wir eine Band gründen konnten. Wir hatten dann für einige Zeit unsere erste Kellerkombo, aber wir klangen immer nur wie jede andere Band, ohne etwas wirklich Originelles zustande zu bringen. Mit der Zeit entwickelten sich unsere musikalischen Interessen aber in unterschiedliche Richtungen und während ich mich dem Punk zuwandte, bevorzugte unser Bassist eher RUSH und YES und diese ganze progressive Rockmusik. Unser Gitarrist verliebte sich in eine Frau und das war leider das Ende seiner musikalischen Karriere, die Band zerbrach endgültig. Meine erste richtige Band hatte ich in Minneapolis, als ich in der lokal bekannten Band RIFLE SPORT den Drummer ersetzen sollte. Das war für mich eine große Herausforderung, denn ich war ein riesiger Fan der Band. RIFLE SPORT spielten damals mit HÜSKER DÜ oder auch SOUL ASYLUM zusammen, die ja auch aus Minneapolis kamen. Und als die Jungs mich fragten, ob ich ihr neuer Drummer werden wollte, war das natürlich eine große Chance für mich. Ihr Drummer hatte die Band verlassen, und weil ich bei jeder ihrer Shows abhing, kannten sie mich als großen Fan. Die Konzerte waren damals mit fünfzig bis siebzig Leuten im Publikum ja sehr klein und jeder kannte irgendwie jeden. Ich war tatsächlich 13 Jahre lang bei RIFLE SPORT und wir haben auch einige Alben aufgenommen, aber irgendwie habe ich mich nie wirklich wohl gefühlt, denn ihr alter Drummer war technisch sehr gut gewesen und seine Parts fühlten sich für mich nicht wirklich organisch an. Es war irgendwie so, als ob ich immer in die Rolle eines anderen schlüpfen musste.

Erinnerst du dich an die ersten Shows, die du gespielt hast?
Das war 1983 und ich war total nervös. Und das ist auch gleich ein wichtiger Tipp, den ich jungen Drummern mit auf den Weg geben kann: Wenn du ordentlich geübt hast und dich mit deinen Parts wohl fühlst, dann hast du ein gutes Selbstvertrauen, wenn du auf die Bühne gehst. Fühle dich wohl, und dieses Wohlbefinden gibt dir die Selbstsicherheit, die du benötigst. Nervosität ist ein schreckliches Gefühl. Wir wollen nicht nervös sein, denn das sind wir schon, wenn wir zum Zahnarzt gehen. Wir wollen also nicht nervös sein, wenn wir Rockmusik spielen, und ich bevorzuge deshalb „aufgeregt sein“ als Konzept. Aufregung ist ein wunderbares Gefühl und deshalb sage ich jungen Drummern immer wieder: „Seid aufgeregt und habt Spaß dabei.“ Ich selbst war jahrelang sehr selbstkritisch mit mir, weil ich immer dachte, ich würde den Fußstapfen eines anderen nicht wirklich gerecht werden. Ich habe dann in der Band BREAKING CIRCUS gespielt, in der ich einen Drumcomputer ersetzen sollte. Ich musste sehr präzise die bereits programmierten Drumparts nachspielen. Ich musste also in meinen ersten beiden Bands genau in ein schon bestehendes Schema hineinpassen und mit musikalischer Freiheit hatte das wenig zu tun. Mit SHELLAC wurde dann alles anders. Als Steve und ich 1992 anfingen, zusammen Musik zu machen, fühlte ich mich plötzlich frei, weil ich ab diesem Zeitpunkt mein eigener Drummer sein konnte. Steve hat ein sehr eigenwilliges Rhythmusverständnis und sein Sinn für bestimmte Beats ist wirklich einzigartig. Das funktioniert für mich wunderbar und wir beide haben in dieser Hinsicht eine wirklich großartige Verbindung. Für uns hat das auch nichts mit Math-Rock zu tun, weil alle Parts ganz natürlich aus uns herauskommen. Es hat also wirklich bis zur Gründung von SHELLAC gedauert, bis ich endlich das Gefühl hatte, der Drummer sein zu dürfen, der ich in meinen vordefinierten Rollen vorher nie war.

Hast du jemals Schlagzeugunterricht genommen?
Tatsächlich habe ich im Alter von 13 oder 14 Jahren mal eine Unterrichtsstunde genommen. Ich erinnere mich nicht mehr wirklich an den Lehrer, aber ich erinnere mich gut an die Erfahrung, die damit verbunden war. Das war gar keine so schlechte, aber der Lehrer hat mich als Erstes gleich ein Schlagzeuglehrbuch kaufen lassen und mir aufgetragen, die ersten acht Seiten mit Grundübungen zu lernen. Ich wollte aber nichts auswendig lernen, ich wollte Schlagzeug nicht lesen, sondern ich wollte Schlagzeug spielen. Also bin ich nach der ersten Stunde nicht mehr hingegangen und habe lieber meinen eigenen Weg verfolgt. Im Nachhinein betrachtet wären ein paar Basics sicherlich nicht schlecht gewesen, aber andererseits sind die meisten meiner Lieblingsdrummer auch keine technisch perfekten Musiker, und nur wenige interessierten sich für irgendwelche vorgefertigten Charts. Ich mochte immer geschmackvolle Drummer wie Keith Moon von THE WHO oder John Bonham von LED ZEPPELIN, ich war ein riesiger Fan von Pete Thomas von THE ATTRACTIONS oder Martin Chambers von THE PRETENDERS, der wirklich phänomenal war. Mit meinen Lieblingsdrummern ist es eigentlich so, dass sie alle auch in Bands spielten, die ich sehr mochte. Es gibt bestimmt Drummer, die technisch sehr gut sind, aber wenn sie in Bands spielen, die ich nicht mag, interessiert es mich auch nicht. Es geht eben immer um das Gesamtpaket, denn ich bin ja Musikliebhaber und interessiere mich nicht nur für den Drummer einer bestimmten Band. Natürlich ist der Schlagzeuger ein entscheidender Bestandteil am Konzept einer Band, aber am Ende muss doch die gesamte Chemie stimmen.

Erinnerst du dich noch an deine ersten Studioaufnahmen?
Oh ja, da war ich wirklich sehr nervös. Wenn du ein Studio betrittst, ist plötzlich alles ganz anders als vorher. Du trägst dann plötzlich Kopfhörer, was man ja normalerweise im Übungsraum nicht macht, und alles hört sich ganz anders an. Als ich das erste Mal in einem Studio war, hatte ich durch die Kopfhörer das Gefühl, dass die einzelnen Trommeln irgendwie vom Schlagzeug getrennt wären. Das Instrument, mit dem ich beim Üben so vertraut war, stand plötzlich nicht mehr vor mir, sondern kam durch die Kopfhörer. Das war ein sehr irritierendes Gefühl. Ich habe auch nur ein einziges Mal Aufnahmen mit einem Klicktrack gemacht und diese Erfahrung hat mir die Augen geöffnet. RIFLE SPORT-Bassist Pete Conway hatte ein Soloprojekt namens FLOUR und ich sollte im Studio zu einem Drumcomputer spielen. Das war so brutal, dass ich es hinterher nie wieder getan habe. Ich hatte bei meinen ersten Studioaufnahmen auch immer Probleme, die Hi-Hat unter dem Kopfhörer wirklich gut zu hören, und heute gebe ich jungen Schlagzeugern immer den Tipp, bei ihren ersten Aufnahmen ein Ohr unter dem Kopfhörer zu haben und eines offen zu lassen. Für mich funktioniert das ausgezeichnet, denn so kann ich alle Nuancen hören, die ich benötige. Ich kann den Aufnahmeprozess einfach viel mehr genießen, wenn ich mein Instrument so wahrnehmen kann, wie ich es jeden Tag im Übungsraum höre. Studioaufnahmen machen ja nicht den größten Teil unserer Zeit aus und da sollte es sich schon so anfühlen beziehungsweise anhören, wie man es aus dem Probealltag gewohnt ist. Bei SHELLAC haben wir uns inzwischen im Studio eine gewisse Arbeitsroutine angeeignet. Wir spielen einen Song nur drei- oder viermal, und wenn wir dann nicht zufrieden sind, machen wir einfach mit dem nächsten Song weiter. Wenn ein Song nicht gleich funktioniert, wie er sollte, wird er auch mit Gewalt nicht besser, aber grundsätzlich sind wir immer gut vorbereitet und verbringen im Studio viel weniger Zeit, als viele Leute wohl denken.

Hast du nach der Highschool daran gedacht, dein Geld mal als professioneller Schlagzeuger zu verdienen?
Nein, nicht wirklich. Ich habe gleich nach der Highschool meinen ersten Vollzeitjob angenommen und den auch für zwanzig Jahre behalten. Ich hatte das Glück, dass mein Arbeitgeber mich sehr unterstützte, wenn wir mit der Band auf Tour gehen wollten, aber wir hatten niemals den Gedanken, Berufsmusiker zu werden. Das war alles nur zum Spaß, und auch wenn wir manchmal von einer Karriere als Musiker geträumt haben, war die Realität doch eine andere. Heute sieht das anders aus, denn an diesem Punkt in meinem Leben habe ich meine Ausgaben und meine Bedürfnisse extrem reduziert, so dass ich mit den Unterrichtsstunden, die ich gebe, über die Runden komme.

Wie bist du auf die Idee gekommen, deine eigene Schlagzeugschule aufzubauen?
Also, da war dieser Gentleman aus Minneapolis, der ein großer SHELLAC-Fan war, und der kam eines Tages zu mir und fragte, ob er und ein paar seiner Freunde ein paar Unterrichtsstunden bei mir nehmen könnten. Ich sagte ihm, dass ich kein Lehrer sei und mein Stil außerdem sehr von dem eines klassischen Schlagzeugers abweicht. Ich verstehe auch nichts von den Grundlagen und weiß nicht, was ich ihnen beibringen sollte. Mein Ansatz ist eher, wie man am Schlagzeug kreativ sein kann, um sich von anderen zu unterscheiden. Der Typ blieb aber hartnäckig und am Ende hat er mich zu sich eingeladen, wo er verschiedene Drumkits aufgebaut hatte, und ich schließlich sechs Leuten ein paar Dinge am Schlagzeug gezeigt habe. Das hat mir schon Spaß gemacht, aber als mich einige der Leute gefragt haben, ob wir das nicht regelmäßig machen könnten, habe ich abgelehnt, weil ich mich nicht als Lehrer gefühlt habe. Ich hatte neben meinem Vollzeitjob auch keine Zeit. Doch dann habe ich den verloren und musste jede Art von Arbeit annehmen, um über die Runden zu kommen. Ich war Tellerwäscher, Servierer, Hausmeister und Gabelstaplerfahrer, bis mich ein Freund beiseite genommen und mir klargemacht hat, dass ich mein Talent als Schlagzeuger nicht so einfach verschwenden dürfte. Ich habe nachgedacht und mir überlegt, dass ich es vielleicht doch einmal mit Unterrichtsstunden bei uns im Viertel versuchen könnte. Ich hatte gerade als unabhängiger Schlagzeugtrainer in der Nachbarschaft angefangen, als ich einen Typen kennen lernte, der dabei war, eine Musikschule aufzubauen. Dieser Typ wusste, wer ich war, und fragte mich, ob ich nicht der Schlagzeuglehrer in seiner Musikschule werden wollte. Also habe ich den Schritt gewagt und gab Schlagzeugunterricht an dieser Musikschule, die aber aufgrund von schlechtem Management nach einem Jahr schon wieder schließen musste. Ich hatte allerdings eine ganze Menge Schüler und einen extrem tollen Raum im zweiten Stock, mit großem Fenster und natürlichem Licht, was ja für einen Übungsraum sehr selten ist, so dass ich nach der Schließung der Musikschule dort einfach alleine weitergemacht habe. Dort bin ich für fast sieben Jahre geblieben, bis ich dann in die Räumlichkeiten eines großen Musikladens bei uns in Minneapolis umgezogen bin.

Gibst du Unterricht für Kinder und Erwachsene?
Der Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen ist in meinem Fall ganz einfach. Die Erwachsenen, mit denen ich angefangen habe zu üben, waren immer SHELLAC-Fans und wollten wissen, was ich bei den einzelnen SHELLAC-Songs spiele. Das wollte ich aber nicht, denn das waren ja meine eigenen Songs und ich möchte ja die Schüler:innen zu ihrem eigenen, individuellen Stil ermuntern. Mit Kindern ist das ganz anders. Als ich an der Musikschule begann, war mein erster Schüler vier Jahre alt. Ich sah ihn an und wusste nicht, was ich mit ihm anfangen sollte. Heute, sieben Jahre später, ist er immer noch mein Schüler und ein phänomenaler Drummer. In die Musikschule kamen eben hauptsächlich Kinder und da musste ich zunächst einmal meine Herangehensweise an den Unterricht überdenken. Für Kinder ist es viel befriedigender, wenn sie nach einer halben Stunde Unterricht einen einfachen Drumbeat spielen können, als wenn ich sie mit Technikübungen quäle. Wichtig ist für mich, dass ich die Kinder für das Schlagzeugspielen begeistere, während ich mit Grundlagentraining jemandem das Instrument für immer vermiesen kann. Bei meinem Konzept kommt die erste Grundlagenübung erst nach der vierten Unterrichtsstunde dran und nach vier weiteren ist Übung Nummer zwei an der Reihe. Insgesamt habe ich elf Rudiments ausgesucht, so dass jeden Monat eines drankommt und die Schüler:inne theoretisch nach einem Jahr fertig sind. Glücklicherweise bleiben die meisten aber doch länger, weil sie einfach Spaß am Trommeln gefunden haben.

Bei SHELLAC spielst du ja ein eher reduziertes Drumkit. Hast du dich jemals an einem großen Doppelbass-Kit versucht?
Darf ich dir eine Gegenfrage stellen? Warst du jemals ohne eigenen Schlagzeug-Roadie auf Tour? Dann weißt du Bescheid, wie anstrengend es ist, jeden Abend dein Schlagzeug aufzubauen. An so eine riesige Doppelbassschießbude mit ewig vielen Tomtoms ist da gar nicht zu denken. Als Steve und ich mit SHELLAC angefangen haben, spielte ich ein klassisches Rock-Kit mit fünf Trommeln, und weil Steve in Chicago lebt, musste ich zu den Proben immer zu ihm fliegen und habe dort auf seinem kleinen Jazz-Kit mit nur vier Trommeln und kleinerem Durchmesser gespielt. Ich nannte es das „Sport-Modell“, denn es war sehr klein und kompakt, aber es stellte sich heraus, dass es alles hatte, was ich für meinen Sound benötigte. Das Schlagzeug, das du spielst, hat einen enormen Einfluss darauf, was für ein Drummer du wirst. Wie viele Trommeln und wie viele Becken benötigt du für deinen Sound? Wie viele Auswahlmöglichkeiten hast du und wie viele davon brauchst du wirklich? Viele dieser großen Metal-Drummer, die aussehen wie Bodybuilder, spielen riesige Monsterdrumsets mit unzähligen Becken und Toms, aber ich brauche das echt nicht. Das kleine Set genügt mir völlig, um meine Ansprüche zu befriedigen. Ich habe einmal hinter so einem riesigen Monster von Schlagzeug gesessen und der Besitzer sagte zu mir: „Spiel doch mal!“ Daraufhin habe ich ihm erklärt, dass ich in einer Stunde einen Termin hätte und bis dahin unmöglich jede einzelne seiner Trommeln ausprobieren könnte.

Bei SHELLAC gibt es ja viele langsame, hypnotische Songs. Findest du es anstrengender, langsame Songs zu spielen als die Uptempo-Nummern?
Aber ganz sicher. Stell dir einfach die Takte in einem Musikstück vor und denk dann an einen Takt, der eine Meile lang ist, bei dem es eine ganze Minute dauert, ihn zu spielen. Wenn dieser im Viervierteltakt nur vier Schläge hat, ist es sehr, sehr schwer, diese Schläge präzise auszuführen, weil man sehr leicht danebenliegen kann. Wenn der Takt aber nur vier Sekunden lang ist, muss man nicht sehr präzise spielen, weil niemand hört, ob du danebenliegst oder nicht. Bei SHELLAC ist es so, dass wir nie viel über Tempo reden, sondern wir spielen einfach, wie es sich für uns richtig anfühlt. Das ist so, als ob man spazieren gehen würde, denn da denkt man auch nicht konzentriert über das Tempo nach, sondern es passiert einfach.

Gibt es unter den vielen Platten, die du aufgenommen hast, eine, die für dich besonders heraussticht?
Ich bin eigentlich mit allen Platten, die ich mit Steve zusammen aufgenommen habe, sehr zufrieden, weil ich mich in Steves Studio immer sehr wohl fühle. Rückblickend kann ich sagen, dass mich unsere Aufnahmesession für „Terraform“ in den Abbey Road Studios sehr beeindruckt hat. Das ist zwar aus diesem Grund nicht gleich mein Lieblingsalbum, aber wegen der Historie dieses Studios war es eine unvergessliche Erfahrung für mich. Bei dieser Session haben wir auch diesen zwölf Minuten langen Opener „Didn’t we deserve a look at you the way you really are“ aufgenommen. Wir hatten fast den perfekten Take eingespielt, als dreißig Sekunden vor Ende des Songs plötzlich das 2“-Tapeband im Rekorder zu Ende war. Da war ich wirklich verärgert, weil wir erst ein neues Band einlegen und schließlich den ganzen Song noch mal aufnehmen mussten. Wir nehmen ja immer alles in einem Take auf. So sauer war und bin ich danach nie wieder gewesen. Mit dem Ergebnis war ich am Ende natürlich trotzdem sehr zufrieden.

Übst du viel für dich allein oder probst du nur mit der Band?
Für mich allein übe ich gar nicht, und ich habe bei mir zu Hause auch gar kein akustisches Drumset stehen. Unter der Woche spiele ich nur mit meinen Schlagzeugschüler:innen und bringe ihnen neue Sachen bei. Proben tue ich nur, wenn wir uns mit der Band treffen, und zum Glück sind wir da so gut eingespielt, dass wir vor einer Tour nicht zusätzlich proben müssen. Für diese Europatour haben wir zum Beispiel nur eineinhalb Stunden extra geprobt, um uns einzustimmen.

Verfolgst du neben SHELLAC noch andere musikalische Projekte?
Ich habe ja mit BRICK LAYER CAKE schon immer mein Soloprojekt gehabt und im Laufe der Zeit vier Platten veröffentlicht. Auch jetzt habe ich schon wieder einige neue Songs zusammen, so dass ich sicherlich irgendwann wieder ein neues Album veröffentlichen werde. Zur Zeit denke ich darüber nach, ein Drum-Ensemble mit den Kids aus meinen Kursen an den Start zu bringen. Der Plan ist, drei Mädchen und drei Jungen als Gruppe auftreten zu lassen, wobei ich mir über die Zusammensetzung noch nicht ganz im Klaren bin. Ich denke an vier Kids, die Floortoms spielen, und zwei Kids, die Snaredrums spielen werden, aber meine Überlegungen dazu sind noch nicht ganz abgeschlossen. Ich bin also immer sehr beschäftigt und werde nicht noch in einer weiteren Band Schlagzeug spielen.