TOM SCHWOLL

Foto

Punx aus Kreuzberg

ES WAR MORD haben bei Tomatenplatten eine neue EP veröffentlicht. Eigentlich Grund genug, um mit ihrem Gitarristen Tom Schwoll über die „In der Miesosuppe“-7“ und auch über sein neues Soloprojekt FLEUR DE MALHEUR zu sprechen. Da Tom aber außerdem in Bands wie COMBAT NOT CONFORM, ZERSTÖRTE JUGEND, MANSON YOUTH und JINGO DE LUNCH gespielt hat, werfen wir auch mal einen Blick auf die Vergangenheit des Punk im Kreuzberg der Achtziger Jahre.

Tom, warum hast du dein Schaltraum-Tonstudio aufgegeben, liegt das auch an der Pandemie?

Das Tonstudio habe ich schon vor ein paar Jahren aufgegeben. Die Ohren funktionieren nicht mehr so, wie es für diesen Job erforderlich ist. Ich hätte Personal einstellen müssen und wäre dazu verdonnert gewesen, am Schreibtisch zu sitzen. Zudem hat sich die Miete plötzlich verfünffacht, daher hätte ich Kompromisse eingehen müssen. Ich habe den Schaltraum in der Nalepastraße auf dem ehemaligen DDR-Rundfunk-Gelände über zehn Jahre betrieben. Diese Zeit war extrem wichtig für mich, die Möglichkeit, großartige Kollegen wie zum Beispiel Smail Shock und THE SHOCKS sowie andere Musikbesessene wie Thomas Götz, Brezel Göring und Françoise Cactus, Tim Kerr und die BIG BOYS oder auch Moses Schneider bei der Arbeit zu beobachten, hat mich sehr beeindruckt. Der Schaltraum war fast so etwas wie eine Institution. Die Räumlichkeiten sind phänomenal, die Entwicklung der Stadt Berlin, mit dem damit verbundenen finanziellen Leistungsdruck, war eher schwierig.

Konntet ihr mit ES WAR MORD die Zeit der Pandemie nutzen, um neue Songs einzuspielen? Die letzte Veröffentlichung liegt ja auch schon einige Zeit zurück.
Wir haben jede Menge neue Lieder eingeübt. Sechs Lieder für eine Single, die bei Tomatenplatten in der Reihe „4 Track Mind“ erschienen ist. Thomas Götz hat zusammen mit Max Power die Aufnahme geleitet. Das Konzept war die Verwendung eines Vierspur-Kassettenrecorders, den sich Thomas irgendwo günstig geschossen hat. Im Vorfeld haben wir bei den Proben beschlossen, uns Lieder auszudenken, die nur 1:30 Minuten lang sind. Ich glaube, mit dem Ergebnis sind alle hochzufrieden. Ich für meinen Teil bin extrem happy. Außerdem haben wir zwölf neue Lieder für eine LP aufgenommen, die wieder bei Gregor von Sounds of Subterrania Records erscheinen wird. Die Aufnahmen waren ebenso spannend, ein Riesendank geht an Thomas Götz, Smail Shock und Marten Ebsen, der mittlerweile auch Bass bei uns spielt, weil Dietmar das alles zu viel wurde. Nebenbei habe ich ein neues Projekt angefangen: FLEUR DE MALHEUR. Da geht es aber ausschließlich um mich und eine akustische Gitarre.

Während ich bei den Bands, bei denen du in den Achtziger Jahren bis in die Neunziger Jahre aktiv warst, also ZERSTÖRTE JUGEND, MANSON YOUTH und JINGO DE LUNCH, eine Entwicklung vom Hardcore bis zu rockigen Crossover sehe, spielt ihr bei ES WAR MORD einen düsteren Punk-Sound, der auch in die Achtziger Jahre gepasst hätte. Liege ich da falsch?
Nö, wahrscheinlich nicht. ES WAR MORD war von Anfang an ein Rückbesinnungsprojekt auf die Zeit vor JINGO DE LUNCH.

Mit Sepp hast du ja schon bei ZERSTÖRTE JUGEND und JINGO DE LUNCH zusammengespielt. Habt ihr jemals den Kontakt zueinander verloren?
Nein, Sepp ist ja vor zwei Jahren aus persönlichen Gründen bei ES WAR MORD ausgestiegen. Wir kennen uns fast vierzig Jahre, da möchte ich zusammenfassend anmerken, dass er in meinem musikalischen Werdegang eine extrem wichtige Figur war und auf persönlicher Ebene immer noch ist. Die Vorstellung, was aus mir geworden wäre, wenn ich Yvonne und Sepp nicht getroffen hätte, finde ich eher besorgniserregend.
Noch einmal zu FLEUR DE MALHEUR. Wie bist du auf die Idee gekommen, ein Soloprojekt zu starten?
2019 habe ich eine ganze Weile im Wintergarten in einer Varieté-Show gespielt. Ursprünglich war ich sogar als musikalischer Leiter vorgesehen, der Job war mir dann aber zu stressig, da gibt es kompetentere. Na, jedenfalls mussten wir immer so etwas wie ein Vorprogramm gestalten, 45 Minuten. Manchmal habe ich mich alleine dahin gesetzt und die Einschlaflieder für meine Tochter abgespult, die ich ihr vor zwanzig Jahren vorgespielt habe, manchmal haben wir zu fünft gedaddelt. Na ja, in den zwei Jahren Pandemie gab es ja immer wieder längere Lockdown-Phasen und aus Versehen habe ich dann mal ein Lied aufgenommen, „Wayfarin’ stranger“, und noch ein anderes. Engineer war unser musikalischer Leiter Moe Jaksch, er hat außerdem Kontrabass und Pedal Steel gespielt. Ich habe Gregor dann gefragt, ob er davon eine 7“ machen möchte und er hat mir vorgeschlagen, lieber eine ganze LP in dieser Atmosphäre aufzunehmen, aber mit eigenen Stücken.

Das Info spricht von Düsterfolk und Psychoblues. Was können wir uns darunter vorstellen, wie entstehen die Songs und Texte?
Es soll tragisch sein mit ein wenig Kitsch. So wie ich eben. Stell dir den Typen vor, der um fünf Uhr morgens, wenn die Party gelaufen ist, traurige Lieder zur Gitarre singt, während die Kellner das schmutzige Geschirr abräumen. Ein bisschen depressiv, wie jemand, der sich gerne alleine besäuft, seinen Gedanken hinterher schwimmt, auf der Suche nach dem ganz speziellen Soundtrack, den man braucht, wenn man in den Keller geht, um nachzuschauen, ob man noch am Leben ist. Die Idee hinter diesem Projekt war, dass ich in der Lage bin, allein mit Gitarre ein Lied vorzutragen, quasi als Auflage. Die Texte sind persönlich.

Was ist nach all den Jahrzehnten als Musiker deine Motivation weiterzumachen?
Die Motivation bleibt, Lieder zu machen über Menschen für Menschen, die sich angesprochen fühlen. Das ist ein guter Ansatz, auch bei sich selber nachzufühlen, wo oder warum eine Situation suboptimal oder ausweglos scheint.

Was war zuerst da: Punkrock oder das Gitarre spielen? Und gibt es Bands, die dich besonders beeinflusst haben?
Mit Gitarre spielen habe ich 1973 angefangen. Und ja, die gibt es – zu viele, um die hier alle aufzuzählen.

Wie bist du damals auf Punk aufmerksam geworden?
Wie bei den meisten Menschen in meinem Alter kamen zuerst die SEX PISTOLS und CLASH. Später dann Nina Hagen, FEHLFARBEN, die mit „Monarchie und Alltag“ eine echte Aufbruchsstimmung erzeugt haben, THE CURE und POLICE fand ich auch sehr cool. Der letztendliche Impuls, da wirklich mitmachen zu wollen, kam dann aber erst 1980 mit der ersten SLIME-Scheibe. Heute bin ich froh, dass ich damals eine radikale Entscheidung getroffen habe, weil ich glaube, dass ein akademischer Abschluss und der Weg dorthin, mich zu einem unglücklichen Menschen gemacht hätten.

Wie sah die Punk-Szene in Berlin aus?
Punk spielte sich für mich erst mal hauptsächlich in Kreuzberg ab. Es gab das SO36, das Frontkino, man traf sich am Kotti oder auf dem Heinrichplatz. Die Görlitzerstraße 37, wo nur Punks wohnten, war auch immer eine gute Anlaufstelle. Dann gab es den Kuckuck, wo ich UPRIGHT CITIZENS oder VORKRIEGSJUGEND gesehen habe, die Musichall war irgendwo in Steglitz. EXPLOITED haben da gespielt, als die „Troops Of Tomorow“ rauskam. Fand ich aber nicht so geil. Mein Kumpel Holger und ich haben dann das After Eight in der O3 eröffnet, also da, wo heute Coretex ist. Ich glaube, zur Eröffnung haben DIE ÄRZTE gespielt, bin mir aber nicht mehr ganz sicher. Fakt ist aber, dass Jan sich den Namen „After Eight“ ausgedacht hatte. Der Laden hat nicht lange gehalten, weil ständig die Bullen da waren und alles ausgeräumt haben. Später kam dann noch die T.E.K. dazu, wo ich Sepp, und Dietmar, David Pollak und viel andere wichtige, tolle Menschen kennen gelernt habe. Petra Ostertag, die dort gearbeitet hat und die erste VORKRIEGSJUGEND-LP und die Split-LP von MANSON YOUTH und HOSTAGES OF AYATOLLAH rausbrachte, war einige Zeit meine Bewährungshelferin und hat mich vor einem sicheren Knastaufenthalt bewahrt.

Du hast COMABAT NOT CONFORM mitgegründet. Lief das parallel zur Auflösung von ZERSTÖRTE JUGEND?
Nein, COMBAT NOT CONFORM wurde gegründet, kurz nachdem 1983 die erste ZERSTÖRTE JUGEND-LP erschienen war. Da gab es die aber schon gar nicht mehr. Ich habe COMBAT NOT CONFORM dann gecancelt, weil Heiland und Sepp wieder ZERSTÖRTE JUGEND machen wollten und mich gefragt haben, ob ich mitspielen möchte.

Laut Info zu dem Rerelease auf Weird System heißt es im Booklet, dass auch gerade du den Sound der Band mitgeprägt hast, der sich ja hin zu vertrackterem, rockigen Hardcore entwickelte. Siehst du das ähnlich?
Weird System ist ein extrem dubioses Label, mit sehr unseriösen Geschäftspraktiken, ohne Abrechnungen und theoriebewiesenen Behauptungen. Ich war der „Leadgitarrist“, die Songs sind gemeinsam entstanden. „State of mind“ war ein Song, der von mir kam. Der Bassist bei dieser Produktion hieß Fritz, war zwölf Jahre älter als ich und spielte außerdem bei PLAN B, einer kommerziell sehr ambitionierten Berliner Pop-Band mit CLASH-Einflüssen. Er hing mit DEPECHE MODE im Damaschke Night Club rum und quasselte ständig Kante, wer, wie, was, warum.

Du hast mir gesagt, dass dir das Cover der „Spastic Nightmare“-12“ überhaupt nicht gefällt. Von wem kam die Idee und wer hat das umgesetzt? Gab es andere Coverideen?
Wir hatten eine Grafik von Fritz Ebeling, die David Pollack von Destiny Records nicht gefallen hat, welche dann aber letztendlich fürs Textblatt verwendet wurde. Das Cover, so wie es ist, hat ein Heavy-Metal-Drummer aus Bielefeld gemacht, dessen Namen ich vergessen habe. Da musst du Helge oder Finne fragen, vielleicht entsinnen die sich.

Der Sound der „Spastic Nightmare“12“ ist doch vertrackter als der des Debüts, es gab nun englische Texte. War das ein Zeichen der Zeit oder auch dein Einfluss?
Das mit den englischen Texten ist nicht auf meinem Mist gewachsen, das war Heilands Idee. Das fand ich damals schon schade. Yvonne hat ihm geholfen, das weiß ich noch. Es könnte sogar sein, dass der eine oder andere Text komplett von ihr kam. Die ellenlangen, auswendig gelernten Soli habe ich gespielt. Das Bedürfnis, mir das zuzumuten, war da schon erschreckend groß.

Auf deiner Wikipedia-Seite steht, dass du als Studiomusiker bei der LP der VORKRIEGSJUGEND aktiv warst. Was können wir uns darunter vorstellen?
Hihi, ich habe ein Solo bei „The end“ gespielt.

VORKRIEGSJUGEND und ZERSTÖRTE JUGEND, da gab es Überschneidungen im Line-up. War es da eher Freundschaft oder Konkurrenz?
Klaus, der Sänger, mochte die erste ZERSTÖRTE JUGEND-Platte nicht besonders. Als immer mehr klar wurde, dass Sepp lieber wieder bei ZERSTÖRTE JUGEND spielen wollte als bei VORKRIEGSJUGEND, hatte er einen ziemlichen Hass auf mich. Das war insofern unangenehm, weil er eine charismatische, intelligente Persönlichkeit war und zehn Jahre älter als ich.

Schon 1985 lösten sich ZERSTÖRTE JUGEND auf. Was waren die Gründe?
Heiland wollte wieder Schlagzeug spielen und gründete die Band VELLOCET und ich habe lieber an MANSON YOUTH-Stücken gearbeitet. Irgendwie war die Luft raus und das Projekt „Gitarrenrock“ gescheitert.

Deine nächste Band war MANSON YOUTH – wieder was mit „Jugend“ im Bandnamen.
Na klar, da waren wir ja auch noch jung. Bassist Finne kannte ich schon länger, wir waren quasi Gründungsmitglieder von COMBAT NOT CONFORM. Nach „Spastic Nightmare“ – der Titel hinkt ja schon dermaßen – wollte ich schleunigst etwas Neues beginnen. Also fing ich an, mit Finne und Uwe, dem ehemaligen Drummer von DEUTSCHE TRINKERJUGEND, zu proben. Finne hat dann Yvonne gefragt, ob sie singen will, und die wollte. Leider hatte sie nur wenig Zeit. Wir haben im Proberaum das Instrumentarium auf Kassetten aufgenommen, mit denen sie die Texte ausgearbeitet hat. Im Proberaum war Yvonne meistens nur sehr schlecht zu hören. Als sie dann im Studio stand und ihre Parts eingesungen hat, ist uns allerdings ein Licht aufgegangen.

Warum kam es zum Split der MANSON YOUTH und wie zur Gründung von JINGO DE LUNCH?
Ich habe MANSON YOUTH aus persönlichen Gründen verlassen, allerdings war zu dem Zeitpunkt schon klar, dass ich wieder mit Yvonne spielen würde. Sepp war auch Feuer und Flamme, wenn ich mich richtig erinnere. Henning kam durch Yvonne dazu. Steve hatte mich schon ein paar Mal mit MANSON YOUTH gesehen und irgendwann mal in der Kneipe angequatscht, dass er gerne mal mit mir spielen würde. Die beiden haben mich von Anfang an fasziniert und rückblickend kann ich sagen, dass 1987 ein fantastisches Jahr für mich war.

Ihr habt mit JINGO DE LUNCH einen vom Berliner Senat ausgeschriebenen Nachwuchswettbewerb gewonnen. Wie ist das passiert? Warum habt ihr teilgenommen?
Wir haben ein Demotape produziert, mit Como, dem Gitarristen von LOLITAS. Das waren circa 150 Stück, die wir an Labels und Veranstalter geschickt haben. Irgendwer kam dann auf die Idee, die dort abzugeben. Ein paar Wochen später bekamen wir Post. Der Berliner Senat hatte uns eine Woche Studio spendiert, im senatseigenen „Beatstudio“. Dort haben wir dann die „Cursed Earth“-12“ aufgenommen. Im Folgejahr hatten wir dann ein Management, das sich um die Anmeldung gekümmert hat. Wir mussten zweimal im Quartier Latin spielen und haben 10.000 DM kassiert. Das war ein Haufen Schotter für ein paar halbwüchsige Punx aus Kreuzberg.

Du hast JINGO DE LUNCH 1994 verlassen. War waren die Gründe?
1994 war ich der festen Überzeugung, dass sich die Band, auch in der Art zu arbeiten, meilenweit von dem entfernt hatte, was sie für mich ursprünglich ausgemacht hat. Die anderen und auch das Umfeld, Leute, die damals sehr nah an der Band waren, haben das wohl anders wahrgenommen. Da hat schon eine krasse Entfremdung stattgefunden.

Bei all den Gigs, die du seit den Achtzigern gespielt hast, welche Konzerte oder Touren sind dir in besonderer Erinnerung geblieben?
Die ersten Auftritte mit JINGO DE LUNCH waren schon sehr aufregend, die schönste Tour war gleich am Anfang nach Belgien und Frankfurt, wo wir, glaube ich, in der Au gespielt haben, dann die „Rock’N’Roll Damnation“-Tour mit LOLITAS und THE STRANGEMEN, nicht zu vergessen MOTOR WEIRDOS, deren Drummer sich mittlerweile Jacques Palminger nennt. Wir waren 1989 drei Wochen mit BAD BRAINS unterwegs und haben die komplette RAMONES-Tour mitgespielt.

Gibt es Texte beziehungsweise Songs, die du so heute nicht mehr schreiben oder auch spielen würdest?
Ich würde nicht noch mal auf die Idee kommen, eine Band MANSON YOUTH zu nennen, sicher nicht. Und der Song „Kaiser Wilhelm“ von ZERSTÖRTE JUGEND könnte missverstanden werden.

Im Rückblick, wie war es für dich, in den Achtzigern in einer Punkband gespielt zu haben?
Damals gab es keine Mobiltelefone, keine Computer und kein Internet. Wer halbwegs gute Aufnahmen haben wollte, musste ein Studio mieten, und wer sich vernetzen wollte, musste Briefe schreiben. Studio war teuer, deshalb war die Vorbereitung wichtig. Heute kann jeder, der über einen Computer mit entsprechendem Programm verfügt, eine LP am Computer zurecht schnipseln. Der Vorteil ist, man kann die Dinger überall auf den Tisch stellen, hängt ein Interface dran und los geht es.

Wie sieht es mit früheren Bandkolleg:innen neben Sepp aus? Machen die noch Musik, habt ihr noch Kontakt?
Yvonne spielt mittlerweile Bass bei TREEDEON, und ich finde, die sind wirklich etwas Besonderes. Steve hat ein Projekt namens KOLLER mit deutschen Texten, die gefallen mir auch super. Henning spielt bei BAD BRIANS, einer Konzept-Coverband, sie spielen ausschließlich Coverversionen von Punk- und Hardcore-Klassikern bis 1990. Absolut authentisch.

Als wie männlich/machistisch oder emanzipatorisch hast du die damalige Szene wahrgenommen?
In der Anfangsphase von JINGO DE LUNCH, als klar wurde, dass wir eine stabile Band werden könnten, haben wir viele Einladungen bekommen. Der etwas scheinheilige Kritikpunkt in unserem sozialen Umfeld war, dass wir wegen der attraktiven, exotischen Sängerin öfter gebucht werden als andere Bands. Der moralische Druck, der so initiiert werden sollte, ist klar. Es kam aber noch dicker. Ein Kumpel von uns hatte im Rauch-Haus mit Edding einen sehr auffälligen Cartoon an die Wand gezeichnet, direkt hinter dem Tresen, gut ausgeleuchtet. Wahrscheinlich hat er sich extra eine Leiter besorgt und die Aktion länger geplant: ein Äffchen mit Dreadlocks, in die ein Knochen geknotet war. Darüber dann ein Schriftzug „Bimbo De Luxe“. Die rassistische Konnotation hinter der Aktion war eindeutig, aber alle haben das Maul gehalten und gegrinst. Wie sich das anfühlt als Betroffene, kann ich nur erahnen, da müsste man Yvonne fragen.

---

Diskografie
ZERSTÖRTE JUGEND „s/t“ (LP, Shlitz, 1984) • „Spastic Nightmare“ (12“, Destiny, 1985) • „Tanz aus dem Ghetto“ (Comp LP, Weird System, 2003) • MANSON YOUTH „Split“ /w HOSTAGES OF AYATOLLAH“ (LP, Zorro, 1986) • JINGO DE LUNCH „s/t“ (MC, 1987) • „Perpetuum Mobile“ (LP, We Bite, 1987) • „Cursed Earth“ (LP, Bonzen, 1988), „Axe To Grind“ (LP, We Bite, 1989) • „The Independent Years“ (CD, Rookie, 2007) • „Fressen und Moral“ (CD, Rozbomb, 2009) • DIE SKEPTIKER (LP, Rausch, 1998) • „Aufsteh’n“ (LP, Destiny, 2013) • „Kein Weg zu weit“ (LP, Destiny, 2018) • „Geburtstagsalbum Live Festsaal Kreuzberg 2019“ (2LP, Destiny, 2021) • ES WAR MORD „s/t“ (MC, Wild Wild East, 2016) • „Unter Kannibalen“ (LP, Sounds Of Subterrania, 2017) • „Tod im Garten“ (LP, Sounds Of Subterrania, 2018) • „In der Miesosuppe“ (7“, Tomatenplatten, 2021)