UP FOR NOTHING

Foto© by Stephanie Augello

Flucht nach vorn

Ganze sechs Jahre vergingen seit ihrem letzten Album, zwischenzeitlich hatten sie sich sogar schon aufgelöst: Doch nun sind die New Yorker UP FOR NOTHING endlich zurück und liefern mit „Escape Route“ eine sagenhaft gute Platte ab, die allen Freund:innen des rauh-melodischen Punkrock wahre Freudentränen in die Augen treiben dürfte. Wir sprachen mit Sänger Justin Conigliaro.

Justin, gib uns doch bitte mal einen Einblick in die Bandhistorie von UP FOR NOTHING. Wie und wann ging das damals mit euch los?

Angefangen hat alles im Jahr 2002, als wir unsere ersten Songs schrieben und begannen, Konzerte zu spielen. Wir waren wirklich noch sehr jung, gerade mal 15. Da wir alle mit Punkrock aufgewachsen sind und diese Musik schon immer lieben, sind wir natürlich noch immer dankbar dafür, dass wir in irgendeiner Form schon so lange zur Szene dazugehören. 2008 veröffentlichten wir unser erstes Album und begannen, hier in den Staaten zu touren. Seitdem haben wir ein paar weitere Platten veröffentlicht, die wir mit Pete Steinkopf von THE BOUNCING SOULS aufgenommen haben – einschließlich unseres neuesten Albums „Escape Route“, das kürzlich erst erschienen ist. Eines meiner absoluten Highlights war unsere erste und bislang einzige Europatour mit unseren kanadischen Freunden THE PENSKE FILE im Jahr 2016. Das war grandios.

Sechs Jahre sind seit dem Vorgänger-Album „Swindled“ vergangen, eure zwischenzeitliche Auflösung inklusive. Das ist eine ziemlich lange Zeit. Was ist seitdem passiert und was hat euch dazu bewogen, die Band zu reaktivieren?
Nach unseren Touren im Jahr 2016 haben wir beschlossen, die Band aufzulösen, um uns mehr auf uns selbst und unsere individuelle Zukunft zu konzentrieren. Während dieser Auszeit haben drei von uns geheiratet, unser Schlagzeuger Tom hat zwei wunderbare Kinder bekommen, ich konnte mich wieder meinem Studium widmen und meinen Master-Abschluss machen. Jetzt arbeite ich im Schulwesen mit Jugendlichen zusammen, was mir große Freude bereitet. All dies war für uns alle sehr wichtig und die Pause von der Band war wirklich nötig, um diese Dinge zu verwirklichen. Jetzt, da wir alle etwas älter geworden sind und jeder mit beiden Beinen fest im Leben steht, machte es einfach Sinn, die Band wieder ins Leben zu rufen und sich verstärkt der Musik zu widmen. Der Zeitpunkt war einfach genau richtig und es fühlt sich verdammt gut an.

Kommen wir auf eure neuen Songs zu sprechen. Was hat euch während des Schreibens thematisch am meisten inspiriert und inwieweit haben die derzeitige politische Situation in den USA oder die Corona-Pandemie einen Einfluss auf die Dinge, die ihr auf dem neuen Album aufgreift?
Das ist eine schräge Geschichte, denn wir begannen bereits 2019 mit der Arbeit an den Songs für diese Platte, noch bevor Corona aufkam. Ich schrieb damals den Titelsong über einen Menschen, der gedanklich endlich frei sein möchte, sich aber in seinem Kopf völlig gefangen fühlt. Daraufhin schlug ich den anderen Jungs vor, „Escape Route“ auch zum Titel des Albums zu machen, weil ich spürte, dass ich zu diesem Thema noch viel mehr zu sagen hätte. Doch dann kam plötzlich die Pandemie und die Worte bekamen eine völlig neue Bedeutung, da wir alle in unseren Häusern gefangen waren und das Gefühl hatten, flüchten zu müssen, um endlich wieder frei zu sein. In diesem Sinne dreht sich ein Großteil des neuen Albums tatsächlich um das Thema Flucht – einerseits um das physische Abhauen und andererseits auch um die Sehnsucht, den eigenen Gedanken zu entfliehen. Die politische Lage unseres Landes hingegen haben wir versucht, nicht in die Songs einfließen zu lassen. Denn wir wollten unseren Fans und Hörern auch eine Möglichkeit bieten, den Gedanken an den Albtraum der amerikanischen Politik zu entkommen. Insofern ist auch das wieder eine Flucht und passt gut zum Gesamtkonzept.

Du sagtest, du bist im Schulwesen tätig. Was macht deiner Meinung nach die Beziehung zwischen Punk, Bildung und der Macht des Wissens aus? Und wie reagieren deine Schüler, wenn sie herausfinden, dass du Musiker bist?
Ich bin Schulleiter einer Highschool hier in Brooklyn, NY, und kümmere mich insbesondere um die Planung aller außerschulischen Aktivitäten für die Jugendlichen, wie beispielsweise Begabtenförderung, Berufsausbildungsmöglichkeiten, Exkursionen, Aktivitäten für die Oberstufe und viele andere schulübergreifende Initiativen. Ich denke, Bildung ist eine ganz essenzielle Komponente im Punk. Gerade durch Punkrock – und eben nicht in der Schule – habe ich so viele wichtige Dinge in Bezug auf Politik, Rasse, Religion, geistige Gesundheit und die Menschheit im Allgemeinen gelernt. Das war für mich letztlich auch ein ganz entscheidender Faktor bei meiner Berufswahl, denn ich habe den Wunsch, bei der Erziehung unserer Jugend mitzuwirken und den Kids etwas Sinnvolles beizubringen. Und meine Schüler sind immer total begeistert, wenn sie mitbekommen, dass ich Musiker bin. Sie gehen dann sofort auf YouTube, um zu überprüfen, ob es auch wirklich stimmt, denn oftmals glauben sie es mir zuerst nicht. Sobald sie merken, dass ich die Wahrheit sage, stellen sie dann immer eine Menge Fragen über das „Rockstar-Leben“, wie sie es selbst nennen.

Kannst du uns zu guter Letzt noch einen Einblick in die Zukunftspläne von UP FOR NOTHING geben? Habt ihr vor, auf Tour zu gehen, und können wir euch dann auch irgendwo in Europa sehen?
Am liebsten wollen wir die Dinge zuerst einmal so nehmen, wie sie kommen. Wir können definitiv nicht mehr so viel touren wie früher, aber wir sind wirklich froh, dass so viele Leute unsere neue Platte mögen. Selbstverständlich ist es das Größte, für so viele Leute und in so vielen Staaten und Ländern wie möglich zu spielen. Aber wir haben uns zur Regel gemacht, erst einmal die Gelegenheiten wahrzunehmen, die für uns persönlich und als Band am meisten Sinn ergeben – gerade vor dem Hintergrund unserer familiären und beruflichen Situation. Unsere erste richtige Show, die wir wieder zusammen gespielt haben, war im vergangenen November gemeinsam mit THE BOUNCING SOULS, FACE TO FACE und THE SUICIDE MACHINES hier in New York City. Das war fantastisch und hat wirklich wieder das Feuer bei uns entfacht. Gerade haben wir unsere Record-Release-Show hinter uns und im August gibt es eine Show in Philadelphia sowie ein von uns organisiertes Festival in Brooklyn, das Fun Fest. Wir hoffen wirklich, dass wir bald wieder nach Europa kommen können, denn das war auch für uns eine unglaublich bereichernde Erfahrung.