VIO-LENCE

Foto© by Gene Ambo

Always Hardcore

Nach fast dreißig Jahren kommen die Kalifornier dieser Tage mit neuer Musik um die Ecke. Wir sprechen mit Sänger Sean Killian über die Reunion und das Schreiben nach all der Zeit.

Sean, was hast du in den 29 Jahren seit dem letzten Album gemacht? Eine andere Band hattest du in der Zeit nicht, oder?

Ich bin Generalunternehmer und war für den Bau großer Gemeinde- und Wohngebäude zuständig. Ehrlich gesagt hatte ich keinerlei Verlangen danach, wieder Musik zu machen. Ich habe zwei Kinder und musste für meine Familie sorgen. Dann wurde ich irgendwann leberkrank und all diese Leute kamen auf mich zu und haben Benefiz-Shows für mich auf die Beine stellt. Chuck Billy, Steve Souza und Mark Osegueda, um nur ein paar zu nennen. Nachdem ich dann meine Operation hatte und wieder etwas auf die Beine gekommen war, habe ich mich gefragt, wie ich es ihnen allen zurückzahlen könnte. Mit ihrem Geld haben sie meine Familie am Leben gehalten. Ich wusste, dass ich wieder auf die Bühne und etwas tun musste. Als Phil Demmel, unser alter Gitarrist, bei MACHINE HEAD raus war und seine Shows mit SLAYER gespielt hatte, habe ich ihm geschrieben, ob wir nicht ein paar Konzerte spielen wollen. Danach wollten die Leute immer mehr und mehr von uns.

Aber wirklich zurückgezahlt hast du ihnen das Geld nicht, richtig?
Nein, nein, ich habe ihnen ihre Mühen mit Konzerten vergolten.

Wie überrascht wart ihr, dass noch immer so viel Interesse für VIO-LENCE besteht?
Phil und ich hatten uns im Vorfeld darüber unterhalten. Wir wollten nicht eine große Location buchen und am Ende taucht niemand auf. Die Kapazität des Metro in Oakland liegt ungefähr bei 1.000 bis 1.200 Leuten. Wir waren geschockt, als wir die Tickets zum Verkauf gegeben haben: fünf Stunden später waren sie ausverkauft! Leute schrieben uns auf Instagram, dass wir noch mehr Tickets anbieten müssten, da sie keine Chance gehabt hatten, welche zu kaufen. Wir haben dann noch eine Matinee-Show angesetzt. Diese Karten waren dann in fünf Minuten weg. Das war unerwartet. Die Konzerte waren großartig, fast so wie in den Achtzigern.

Und wie ist es nun, wieder eine aktive Band zu sein? Seit 1993 hat sich ja schon einiges verändert.
Es hat sich absolut geändert. Damals hast du ein paar Fanzines Interviews gegeben und hattest keine Ahnung, wie groß deren Reichweite war. Oder du warst bei ein paar College-Radiostationen zu Gast, deren Empfang nicht weiter als bis zu dem Parkplatz davor reichte. Heute ballerst du deine Inhalte raus und Tausende können sie sehen. Wir erreichen rund 23.000 Menschen. Früher hattest du keine Chance, auf einen Schlag solch eine Aufmerksamkeit zu bekommen. Es ist großartig. Du kannst sogar live ins Internet gehen und die Leute an den Studioaufnahmen oder einer Probe direkt teilhaben lassen.

Wer ist aktuell eure Zielgruppe? Wie sprecht ihr neue Fans an?
Als wir zurück waren und unsere Reunion-Shows gespielt haben, habe ich mit genauso mit Sechzehnjährigen gesprochen wie mit deren Eltern oder mit Leuten, die niemals gedacht hätten, uns je wieder live zu sehen. Es gab jüngere und ältere. Wir wollten damals schon die Härtesten sein. Es ging uns nie um etwas anderes. Die Oldschool-Fans, die schon in den Achtzigern dabei gewesen waren, wissen, dass es uns live immer um die absolute Zerstörung ging. Es gab niemanden, der härter war als wir. Denen kann ich versprechen, dass das immer noch unser Ziel ist. Viele der Bands von damals haben sich weiterentwickelt, das darf man von uns nicht erwarten. Das neue EXODUS-Album ist zum Beispiel auch Hardcore-Thrash. Auch darauf gibt es keinen melodischen Scheiß zwischendrin, keinen Versuch, etwas sein zu wollen, was man eigentlich nicht ist. Auch Phil und ich wollen immer noch die Härtesten und Schnellsten sein. Manchmal fällt einem das dann aber auch auf die Füße. Als wir wieder begonnen haben, miteinander Musik zu machen, musste ich mir wieder diese vielen Texte merken, und musikalisch hatten wir ja schon einige irre Sachen angestellt.

Eine der großen Stärken von VIO-LENCE ist dein eigenwilliger Gesang, dessen Phrasierung und dessen Strukturierung. Wie kommst du auf diese Pattern und Wörter, die du singst?
Im Proberaum kümmern wir uns vornehmlich um die Riffs und passen diese an. Meist nehmen wir dann die Musik auf ein 24-Spur-Gerät auf. Diese Bänder nehme ich dann mit nach Hause und verfasse dazu meine Texte. Meine einzige Maxime ist, dass ich mit meiner Stimme nicht den Gitarren folgen möchte. Einzig bei „Serial killer“ mache ich das. Ansonsten versuche ich, etwas Eigenes zu ergänzen. Ich versuche, einen Rhythmus, einen Groove zu finden. Wenn ich dann einen Titel habe oder ein Thema, über das ich schreiben möchte, setze ich mich an den konkreten Text. Dann versuche ich, zwischen den Gitarren meinen Platz zu finden. Manchmal habe ich am Ende drei verschiedene Versionen eines Liedes. Ich möchte auch nicht, dass jeder Vers gleich ist, und versuche für jeden eine andere Struktur zu finden. Ich bin echt glücklich, dass mir das Texten recht leicht fällt. Das Schwierige ist wirklich, die Pattern zu finden. Sobald diese da sind, fällt mir der Rest sehr leicht.

Und war es schwierig, nach all der Zeit wieder in einen kreativen Schreibmodus zu kommen?
Ja, der erste Song, den wir fertiggestellt hatten, war „Flesh from bone“. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich wieder in der entsprechenden Stimmung war. Auch bei „Screaming always“ habe ich wochenlang nach der richtigen Struktur in den Strophen gesucht. „Let the world burn“ hingegen fiel mir quasi zu. Es war ganz unterschiedlich. Aber es war immer so, wenn der Rhythmus einmal stand, ging es mit dem Text selbst sehr schnell. Ich versuche aber mittlerweile, mich etwas erwachsener auszudrücken – auch wenn das F-Wort hier und da noch vorkommt. Aber auch wenn es manchmal etwas vulgärer wird, erlege ich mir selbst keinen Filter auf. Wenn du eine VIO-LENCE-Platte auflegst, musst du damit rechnen, provoziert zu werden. Wenn dir das nicht gefällt, solltest du etwas anderes hören!