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TINDERSTICKS

Distractions

Auch wenn Stuart Staples, Frontmann der Anfang der Neunziger in Nottingham gegründeten TINDERSTICKS, betont, „Distractions“, das neue Album seiner Band zwei Jahre nach „No Treasure But Hope“, sei keine der Pandemie geschuldeten Platte, fällt es schwer, den sehr reduzierten Charakter der Songs nicht in irgendeiner Form darauf zurückzuführen. Generell waren die TINDERSTICKS in den letzten Jahren immer experimenteller geworden und bewegten sich überwiegend in kaum noch von konventionellen Rockstrukturen tangierten Bereichen von Neo-Klassik und Kammerpop. „Distractions“ wird aber vor allem geprägt von sehr minimalistischen Keyboard-Arrangements, bei denen der menschliche Drummer meist durch einen elektronischen Kollegen ersetzt wurde. Ungewöhnlich ist auch, dass drei der sieben recht langen Tracks Coverversionen sind: Neil Youngs „A man needs a maid“ (vom 1972er Album „Harvest“ und mit noch höherem Kitschfaktor versehen), Dory Previns „Lady with the braid“ in einer sehr schönen Version und „You’ll have to scream louder“ von TELEVISION PERSONALITIES, dem seine Punk-Wurzeln nicht mehr anzumerken sind. Am bemerkenswertesten dürfte aber der erste, elfminütige Track „Man alone (Can’t stop the fadin’)“ sein, der auch als SUICIDE-Hommage durchgehen könnte, auf jeden Fall würde man hier nicht gleich auf die TINDERSTICKS tippen. Wie alles, was Staples anpackt, ist auch „Distractions“ eine gediegene wie geschmackvolle Angelegenheit, die hinsichtlich ihrer Sperrigkeit und des generellen Anspruchs mehr mit den Filmmusikarbeiten der TINDERSTICKS gemein hat als ihren regulären Studioalben. Mit dem finalen, neunminütigen Track „The bough bends“ können die Briten ihrem bisherigen Schaffen auf jeden Fall ein weiteres echtes Meisterstück hinzufügen.