KALKOFES MATTSCHEIBE

Wir schreiben das Jahr 1995, der mediale Hirnriss hat noch nicht die Ausmaße angenommen, wie wir es mehr als zehn Jahre später kennen, aber schön war es auch schon damals nicht. Wie gut, dass es Kalkofe gab, dessen Sendung KALKOFES MATTSCHEIBE (Turbine) im September 1995 die 2.

Staffel beschert wurde (für die es dann sogar den Grimme-Preis gab), und die im Dezember letzten Jahres komplett auf einer 4-DVD-Box erschien. Beschränkte sich Kalkofe in der 1. Staffel noch überwiegend auf das reine Kommentieren der Fernsehausschnitte, findet jetzt eine viel deutlichere und visuell ausgefeiltere Interaktion mit dem Gezeigten statt, wo der Mann auch seine Wandlungsfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis stellen kann.

Das bevorzugte Ziel sind zwar immer noch die ganzen grausamen Auswüchse des Schlagermülls, aber es kommen auch immer mehr andere schöne Sendeformate hinzu, wie etwa die ersten Gehversuche des rein deutschen Musikfernsehens in Gestalt von Viva.

Aber es sind immer wieder die unglaublichen Gestalten des Schlagerbetriebs, die Kalkofe mit seinem gewohnt ätzenden Humor auseinander nimmt, darunter auch ständig Achim Mentzel, einer der bekanntesten Musiker der ehemaligen DDR, der Kalkofe sogar inzwischen einen bizarren Kultstatus verdankt und der von dessen derben Scherzen mehr als andere profitieren konnte.

Bei Überdosierung kann KALKOFES MATTSCHEIBE zwar ähnlich schädlich wirken wie die parodierten Sendeformate, aber generell beschert einem der brutale Zynismus von Kalkofe reichlich unkontrollierte Lachanfälle an der Grenze zur Hysterie.

Und sei es nur durch seine Imitation der Kelly Family oder die Episode „Johann Lafers Hackepeter“, wo es um die Herstellung von Mettbrötchen geht, neben einigen anderen Klassikern des Kalkofe’schen Humors.

Man weiß allerdings manchmal gar nicht so recht, ob man sich wirklich darüber freuen soll, dass Kalkofe viele vergessene Fernseh-Verbrechen dieser Zeit wieder ins kollektive Bewusstsein zurück gebracht hat (das Highlight dürfte eine an Idiotie kaum zu übertreffende Hypnose-Sendung sein), Spaß macht es aber auf jeden Fall.

Konnte ich auf die 1. Staffel noch gut verzichten, weiß ich Kalkofe spätestens mit der 2. Staffel wirklich zu schätzen. Als Bonus gibt es erneut einen Audiokommentar von Kalkofe und seinem Regisseur zu allen Folgen, sowie zwei während der zweiten Staffel ausgestrahlte Specials.

Es gibt nichts besseres gegen Winterdepressionen.