Foto

URGE

Noiseversity

Es ist seltsam, wie punktuell die Erinnerung funktioniert. URGE ... da war doch was ... in der Ox-Frühzeit ... 1988 hatten sie sich in der boomenden Punk- und Hardcore-Szene von Hannover gegründet, 1989 kam die „Dogs Life“-7“ auf dem Spirit Family-DIY-Label, 1990 folgte die „Listen Carefully To The Powerfull Urge Outburst“-12“ auf dem heute längst vergessenen RPN-Label (aus dem über Umwege später My Proud Mountain wurde) und 1991 das „Why Hide The Lie“-Album. Zig Konzerte spielten URGE in jener Zeit, waren zusammen mit FUGAZI auf Tour und standen für einen neuen, anderen Sound: durchaus in der Tradition von Hardcore, aber komplexer, grooviger, grenzgängerischer ... Crossover war damals noch kein gängiger Begriff, das kam erst in den Folgejahren, glaube ich, aber man spürte, dass hier eine neue Zeit, ein neues Jahrzehnt angebrochen war, so wie es auch FUGAZI signalisierten. Später führte ein Teil von URGE das als POWER OF EXPRESSION fort, aber auch die sind längst vergessen. Und nun also über dreißig Jahre später gibt es die Fortsetzung, ein Anknüpfen in Form eines neuen URGE-Albums, nicht ganz „out of the blue“, sondern von einer Band, von Freunden, die sich schon seit einer Weile wiedergefunden haben. Und „Noiseversity“ ist ein mächtiges Statement geworden, das ich überhaupt nicht nach Maßstäben wie „Wer braucht das denn heute noch?“ bewerten kann. Es zählt allein das Bedürfnis, sich auf diesem Wege künstlerisch-musikalisch mitteilen zu wollen, und das ist URGE in den sechs Songs (von denen vier über sechs Minuten laufen) bestens geglückt. Ich höre hier immer deren damalige Zeitgenossen VERBAL ASSAULT heraus, auch bereits erwähnte FUGAZI, es ist eine Art, Hardcore zu spielen, wie sie heute längst in Vergessenheit geraten ist: mächtig, pumpend, groovend, mahlstromartig. Ein intensives Erlebnis in faszinierend dichter Produktion.