Foto

BOBBY CONN

Recovery

Der in Chicago ansässige Bobby Conn ist einer der sympathischsten Verrückten, der mir in den letzten zwanzig Jahren im Musikbereich untergekommen ist, und den mal jemand als „Klaus Kinski des Indierock“ bezeichnete.

Was die Nähe von Genie und Wahnsinn angeht, mag das sicherlich stimmen, aber Conn, der sich zwischenzeitlich mal für den Anti-Christen hielt, ist trotz seines exzentrischen Auftretens und unschöner Lebensabschnitte, geprägt von Drogenmissbrauch und einem Knastaufenthalt, ein erstaunlich gutmütiger Mensch, der mir bei unserem damaligen Zusammentreffen mit knuddeligen Bärentatzen-Handschuhen seine Message von „Love, peace and understanding“ anschaulich vermittelte.

Auf seinen Platten präsentierte das Popmusik-Chamäleon Conn einen wilden Mix aus unterschiedlichsten Stilen und Einflüssen aus der bisherigen Musikgeschichte, was ihm vor allem auf „Rise Up“ (1998) und „The Golden Age“ (2001) vollendet gelang.

Leider war Conns bisher letztes Album „Macaroni“ von 2012 eher eine Enttäuschung. Zwar war der slicke, mit Glamrock versetzte soulige wie funkige Pop wie gewohnt over the top arrangiert, doch die angepeilte große Rockoper kam dabei am Ende nicht heraus.

Jetzt gibt es mit „Recovery“ ein neues Lebenszeichen von Conn, an dem er wohl schon vier Jahre gearbeitet hat, und bei dem auch wieder das charakteristische Violine-Spiel seiner Lebenspartnerin Monica BouBou zu hören ist.

Im ersten Moment überwiegt auch hier die Enttäuschung, da „Recovery“ auf einem etwas zu glatt produzierten Disco-Funk-Soul-Pop fußt, dessen Reiz sich nicht sofort erschließt. Wie Conn selbst sagt, hat er hier fünfzig Jahre Art-Rock und Soul in einen Mixer geworfen.

Letztendlich gibt ihm das Ergebnis aber recht, denn „Recovery“ ist ungemein smarter und vielschichtiger Pop mit Widerhaken, den man auf keinen Fall unterschätzen darf – eben Genie und Wahnsinn.