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CRIMINAL

Sacrificio

2019 wurde in Chile erstmals nach der Ära Pinochet der Ausnahmezustand ausgerufen. Soziale Ungleichheit führte zu Unruhen, Pinochets neoliberale Wirtschaftspolitik ist hartnäckiger als der Diktator selbst. Anton Reisenegger wurde unter dessen Regime geboren, siedelte seine Band aber schon um die Jahrtausendwende ins britische Exil um. Mit „Sacrificio“ befasst er sich intensiv mit dem Herkunftsland, es ist ein wütendes Protestalbum geworden. Aufgenommen wurde in Santiago, und auch der neue Drummer Danilo Estrella ist Chilene. Reisenegger schreibt seinem Schlagzeugspiel lateinamerikanische Rhythmik zu. Die überhört man zwischen Thrash-Riff und Death-Groove leicht, aber sie ist da. Das Grindcore-Erbe von TERRORIZER und NAPALM DEATH allerdings auch. An deren „World Downfall“ beziehungsweise „Scum“ erinnert das Artwork von „Sacrificio“: Polizeischilde, industrielle Wastelands, Kinder in Lumpen. Wenn im Videoclip zu „Live on your knees“ Straßenschlachten die parolenhaft gebrüllten Satzfragmente bebildern, muss man SEPULTURA und „Chaos A.D.“ gar nicht mehr nennen. „Sacrificio“ gelingt es ähnlich gut, den Ausnahmezustand in Songs zu vermitteln, deren Refrains selten mehr als zwei, drei Worte brauchen. Eigentlich blöd, wenn Reisenegger in der CRIMINAL-Promophase ständig erwähnt, dass er mit seinen anderen Bands, LOCK UP und BRUJERIA, gerade zwei noch brutalere Alben eingespielt hat. Aber die kommen erst in ein paar Monaten.