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SUICIDE

Surrender

Am 16. Juli 2016 starb Alan Vega mit 78 Jahren – und damit die eine Hälfte von SUICIDE. Martin Rev, Jahrgang 1947, der über vierzig Jahre Vegas Partner bei SUICIDE war, ist bis heute weiter musikalisch aktiv. SUICIDE sind für mich eine der wichtigsten, prägendsten und intensivsten Formationen der Musikgeschichte, ihre Bedeutung kann niemals überschätzt werden. Nur sieben Songs waren auf dem 1977 auf Marty Thaus Red Star-Label erschienenen Debütalbum enthalten, aber jeder einzelne ist unfassbar gut. Der Opener „Ghost rider“ mit seinem treibenden Rhythmus ist für mich vielleicht der beste SUICIDE-Song überhaupt, dem „Rocket U.S.A.“ freilich in nichts nachsteht, und das sanfte, bedrohlich-düstere „Cheree“ sorgt bei mir immer für Gänsehaut. „Johnny“ ist die absurdeste Reduktion von Rockabilly, die man sich vorstellen kann, völlig entfremdet und befremdlich. „Girl“ ist ein zu Psycho-Porn gewordener Pop-Song, irgendwie obszön und genial. Und dann „Frankie Teardrop“, ein alptraumhafter Trip, bei dem die irren Schreie von Vega mir jedes Mal unter die Haut gehen – als ob hier ein Charakter aus einem Roman von Hubert Selby musikalische Gestalt angenommen hätte. SUICIDE waren schon seit 1970 aktiv, machten Musik aus dem Computer, ohne Gitarre, Bass und Schlagzeug, aber dennoch zutiefst menschlich, nie kalt und technisch. Erst mit dem Aufkommen von Punk ab 1976 wurden sie im Kontext von RAMONES, BLONDIE und Co. verstärkt wahrgenommen, passten musikalisch freilich nie in dieses doch recht enge Rock-Korsett, hatten aber die gleiche Intensität. Selbst beeinflusst von Bands wie SILVER APPLES wurden SUICIDE zu Pionieren der Elektronischen Musik und blieben – die Duo-Besetzung war da sicher hilfreich – bis kurz vor Vegas Tod aktiv. Mit „Surrender“ soll nun Menschen, die bislang SUICIDE nicht kannten, ein erster Zugang ermöglich werden – im Grunde ist es eine Best-Of-Zusammenstellung mit den relevantesten Songs (fast alle) des Debüts, welchen vom zweiten Album von 1980, von „A Way Of Life“ (1988), von „Why Be Blue“ (1992) und „American Supreme“ (2002). Mit „Girl“ (nur auf Vinyl) sowie einer „first version“ von „Frankie Teardrop“ (CD und Vinyl) sind zwei unveröffentlichte Songversionen enthalten, die den Release mit aktuell remasterten Songs auch für alte Fans interessant machen könnten. Die Linernotes stammen von Henry Rollins, einem der größten SUICIDE-Fans, der einst auch mit ROLLINS BAND „Ghost rider“ coverte. Ergreifend großartig, diese Musik.