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CHUZPE

Terror in Klein-Babylon

Es gibt so einige „Szenen“, die sind längst „ausveröffentlicht“, und was da heute noch kommt, ist nicht immer so zwingend, wie es angekündigt wird. Mit der Punk-Szene von Österreich und speziell Wien ist es so, dass man als Deutscher zwar die Sprachregion teilt, aber gefühlt (anekdotisch natürlich) in den Siebzigern alles näher lag als die österreichische Hauptstadt, gegen die etwa Düsseldorf, Hamburg oder Berlin der Nabel der Welt gewesen zu sein scheinen, wenn man den Linernotes von Al Bird Sputnik im Inneren des Klappcovers Glauben schenkt. Hipster-Town mit weltrekordverdächtigem Lebensqualitätsindex? Damals sicher nicht. Aber Punk fand auch hierhin seinen Weg und diente Jungspunden um die zwanzig zur Horizonterweiterung: Sänger und Gitarrist Robert Wolf aka Robert Räudig, Drummer RPB und Bassist Christian Chromosom konnten sich anno 1977 auf VELVET UNDERGROUND als kleinsten gemeinsamen Nenner einigen und klangen doch mit CHUZPE ganz anders, eher nach THE DAMNED mit deutschen Texten mit Wiener Zungenschlag. Dass später, in den frühen Achtzigern, mal so eine Art NDW zu ihrem Sound wurde, konnte damals noch keiner ahnen. Auch nicht, dass nach der Punk-Phase so ab 1979 eher Mod- und Powerpop-Sound angesagt war. Im Winter 1978/79 gingen CHUZPE jedenfalls ins Wiener Schmettersound-Studio und nahmen – einfach so, ohne Veröffentlichung im Hinterkopf – ein aus zwölf Songs bestehendes Set „live im Studio“ auf. Damals wenig zielbewusst, heute ein Glücksfall, verewigte sich die Band so doch fast idealtypisch: einerseits akzeptable bis gute Qualität, andererseits kein schrottiges Live-Tape und auch nicht steril produziert. Wiener Punkgeschichte(n), die man auch in den echt spannenden, nur schlecht layouteten Linernotes nachlesen kann. Auf dem Textblatt ... die Texte in verschriftlichtem Dialekt – komisch, das haben deutsche Bands seltenst gemacht damals. Unbedingt lesenswert sind sie auf jeden Fall.