WATERDOWN

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OsnabROCK!

WATERDOWN waren im Jahr 2000 die erste weltweit veröffentlichte deutsche Band auf Victory Records. Mit „The Files You Have On Me“ hat man kürzlich den Nachfolger des Debüts „Never Kill The Boy On The First Date“ herausgebracht. Eine US-Tour und eine Menge Shows in Europa brachten der Band in kurzer Zeit einen beachtlichen Ruf ein. War man vor zweieinhalb Jahren noch eine der ersten Bands, die die musikalische Schnittstelle zwischen „emotioneller“ Musik und härteren Sounds darstellte, flimmern heute eine Menge Playmobilhaarschnitte über die Bildschirme diverser Musiksender dieser Welt. Dazu, und ein wenig mehr: Sänger Marcel.

Marcel, vorletztes Jahr wart ihr in den USA unterwegs, habt die Tour aber abgebrochen, was war der Grund?


Na ja, wir haben die Tour nicht wirklich abgebrochen. Ursprünglich war eine Mördertour geplant, sieben Wochen lang. Wir hatten Victory vorher gesagt, dass wir theoretisch sieben Wochen Zeit haben und Victory haben dann die sieben Wochen voll gebucht, was eigentlich Selbstmord war. Wir haben uns dann trotzdem gesagt: ‚Punkrock, wir machen es einfach’. Es war die erste längere Tour, die wir gemacht haben. Nach fünf Wochen Tour war die Puste raus und meine Stimme hat schlapp gemacht. Ich bin in den USA dann zu einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt gegangen, der mir attestiert hat, dass ich eine Kehlkopfentzündung habe. Ich habe mich dann entschlossen, die Tour so nicht mehr weiter zu machen. So sind wir nach fünf Wochen USA-Tour wieder nach Hause geflogen.

Zu der Zeit war gerade euer Debüt-Album auf Victory rausgekommen. Habt ihr vor der Veröffentlichung des Debüts einen bestimmten Druck wegen des Labels gespürt bzw. welche Erwartungen hattet ihr überhaupt wegen des Plattendeals?


So gesehen sind wir ohne besondere Erwartungen in den Deal gegangen. Kyle von GRADE hatte unsere ‚Drawasmilingface’-EP nach unserer gemeinsamen Tour 2000 Tony von Victory gegeben. Daran geglaubt, dass da was klappt, haben wir aber nicht. Als wir dann eine E-Mail von Tony Brummel von Victory bekamen, dachte ich, dass sich jemand einen verdammt blöden Scherz erlaubt hätte. Als es dann aber wirklich konkreter wurde, haben wir uns schon überlegt, ob es eine gute Idee ist, als noch relativ frische Band auf ein vergleichbar großes Label zu gehen. Ein bestimmter Druck hat sich dadurch aber nicht ergeben. Wir hatten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses alle Stücke für das Album geschrieben, und so stellte sich die Frage ‚Was nehmen wir, was nicht?’ erst gar nicht. Wir hatten auch nur zwei ‚Erwartungen’ an Victory, nämlich: Dass wir viele Shows spielen können und vielleicht auch einige Platten verkaufen. Zudem haben wir vollkommene Freiheit und müssen unter alles, was wegen uns beschlossen wird, unseren Namen setzen. Dass Victory auch weltweit Platten herausbringt, und was das für unsere Musik bedeutet, darüber sind wir uns erst nach den Aufnahmen zum Debüt bewusst geworden.

Deinen Worten entnehme ich, dass ihr letztendlich mit dem Label an sich zufrieden seid.


Ich glaube, du bist nie wirklich zufrieden damit, was ein Label für dich tut, weil du als Musiker persönlich immer mehr erwartest. Ich würde aber sagen, dass wir keine Probleme mit Victory gehabt haben, die sich nicht hätten klären lassen, und so sind wir auch mit beiden Platten und der Arbeit, die Victory macht, durchaus zufrieden.

„The Files You Have On Me“, euer zweites Album, ist seit Ende März draußen. Ich finde, dass es beide Richtungen – die emotionale und die härtere – tiefer ausschöpft. Wie siehst du das?


Genau das wollten wir auf dem Album machen. Das war nach ‚Never Kill The Boy On The First Date’ die Richtung, die wir einschlagen wollten – beide Extreme vertreten. Wobei sich aber nicht allzu viel dazu sagen lässt, wie das Album nun entstanden ist. Wir haben einfach einige Stücke zwischen den Alben und einige kurz vor bzw. während den Aufnahmen zum Album geschrieben. Dabei haben wir sehr lange und streckenweise auch sehr chaotisch an den Songs gearbeitet. ‚The Files You Have On Me’ ist definitiv anders als ‚Never Kill...’. Ich habe oft gehört, dass es düsterer und hardcorelastiger klingt als das Debüt.

Der Song „A Fortress“ spricht politisch deutliche Worte, was radikale, flüchtlingsfeindliche Politik bestimmter Staaten angeht.

Richtig, ‚A Fortress’ ist ein sehr politisches Stück. Es handelt von einer typischen Flüchtlingssituation. Das passiert rund um den Globus tagtäglich in vielen Ländern hundert- und tausendfach. ‚Festung Europa’ ist da ein Beispiel für, wobei das Stück global gemeint ist. Dasselbe passiert in Amerika und auf der ganzen Welt.

Du hast eben die zwei Jahre zwischen den Alben angesprochen. Als ihr vor zweieinhalb Jahren „Drawasmilingface“ und danach „Never Kill The Boy On The First Date“ rausgebracht habt, war die ganze Sache, „harte Musik“ mit emotionaler zu verbinden, noch recht frisch. Jetzt, ca. zweieinhalb Jahre später, scheint das Ganze bei vielen Bands recht verbraucht zu sein. Wie siehst du das?


Seitdem wir ‚Drawasmilingface’ rausgebracht haben, ist musikalisch eine Menge passiert. Zum Beispiel hat die Ganze Nu-Metal-Fraktion einen großen Schub bekommen, die diese Mischung teils schon von Haus aus spielt. Jedenfalls hat es in den letzten zwei Jahren sehr zugenommen. Vor zweieinhalb Jahren wäre mir nur eine Band eingefallen, die diese Musik gemacht hat, BOY SETS FIRE. Am Anfang war dabei aber gar nicht der Plan, noch eine größere Bandbreite abzudecken, es hat sich eben so ergeben. Ich sehe bei der ganzen musikalischen Entwicklung der letzten zweieinhalb Jahre WATERDOWN nach wie vor als WATERDOWN. Wir haben drei Jahre Bandgeschichte auf dem Buckel und haben nach wie vor Bock, das weiter zu machen. Eigentlich mehr als je zuvor und hoffen einfach, dass sich dieses Jahr möglichst viele Gelegenheiten zum Touren etc. ergeben. Ich denke, dass wir uns in den letzten Jahren musikalisch weiterentwickelt haben, aber in unseren Grenzen. Viele Leute sagen, dass wir auf dem neuen Album einen DEFTONES-Einschlag haben. Als Musiker kannst du das aber schwer einschätzen. Wir hatten die Band überhaupt nicht im Hinterkopf beim Schreiben der Platte. Ich finde, dass das neue Album immer noch nach WATERDOWN klingt. Man kann eben erkennen, dass es ein WATERDOWN-Album ist, wobei ich da nur für mich selber sprechen kann. Und ich hoffe, dass das in Zukunft auch so bleibt.