COCKBIRDS

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Wenn dich die bösen Buben locken

Der erste Satz ist immer der schwierigste – was für ein wunderbarer Allgemeinplatz. Und mehr als überflüssig. Nicht gleich weiterblättern, denn das hier ist wirklich wichtig! Hier geht es schließlich um die COCKBIRDS aus Berlin. Diese starke Truppe fegt wie ein Tornado auf Speed über die gemeinsten Plätze unserer Krisenrepublik. Wir reden über 70er Punk mit B-Movie Karnevalspeitschen, geschmierten Schrottgitarren, teutonischen Vollmüllreimereien, sowie dem allerschmierigsten, selbstgepanschten Hardkorn mit Kakao in einem Becher, nur damit sie mal schnell Bescheid wissen. Und damit mir hier nachher keiner rumheult und sagt: „Hab ich aber gar nicht gewusst!“.

Dass Kapitän Oi noch mit an Bord geht, so ab und an, wenn die Luzi so richtig Feuer gefangen hat, versteht sich da von selbst. Seit einem Jahr gibt es sie nun, die fiesen COCKBIRDS. In der Hauptstadt haben sie schon für allerhand Gerede und Gerüchte gesorgt. Mit ihren überschwänglichen Songs aus dem Niemandsland, irgendwo zwischen Stumpfsinn, Größenwahn und Graf Pornos Videoclub, wurden sie schnell zu den heimlichen Helden der Hauptstadt im Jahre 2003 nach Christus: Im Discopuff Big Eden wurde ihnen nach nur zehn Minuten der Strom ausgedreht, im legendären Polittrinkerladen Bad Kleinen sorgten sie für Krankentransporte, im Vorprogramm von MELT BANANA überforderten sie das Publikum vollends, und es gelang ihnen mit reiner Mundpropaganda spontan den eigenen Proberaum mit über 100 Leuten vollzustopfen, nur weil sie gerade mal wieder Böcke auf ihren Scheiß hatten. „Endlich ist mal wieder was los auf der Bühne.“ schrieb die taz dazu.

Wer Oi sagt, darf auch „ficken“ sagen, oder „Erst kommt der Reim, dann der Sinn“, so H-Rock, Leithammel der fünf Mann starken Truppe. Den traf ich das erste Mal nachts in einer Döner-Bude mit dem schwer sympathischen Namen „Ali Baba und die 40 Hähnchen“. An diesem Abend überredete er Angry Aggassi, früher Gitarist der Deutschpunk-Garagenkapelle NOVOTNY TV, zu den COCKBIRDS zu stoßen. Mehrere Stunden Schnaps und Bier waren von Nöten, um in dieser Siffbude das gemeinsame Schicksal zu beschließen – ich sehe noch heute das ekelhafte Fett von der Hähnchenstange triefen. Die weiteren Akteure: Am Schlagzeug sitzt Stinkbomb, von Hamburg an die Spree gezogen, hat dort bei MOTORMUSCHI getrommelt, an der anderen Gitarre Pekka, der Vorsitzende des DURSTIGE MANN/ERIC HYSTERIC-Fanclubs in Helsinki, sowie Bootsy Prollins an der Bassgitarre, und den kennt man aus Funk und Fernsehen an der Seite von Patrick Wagner bei, ganz genau, SURROGAT.

Ein bisschen was von Elite-Universität, denkt man sich da, aber diese „schwer sophisticated Arschgeigen“ schaffen es tatsächlich so zu klingen, als seien sie gerade 18 Jahre alt geworden und seit drei Monaten an den Instrumenten. Mutters Hausapotheke wird klein gebröselt in die Nase gedonnert, weil Vaters Schnapsvorräte längst ausgegangen sind. Die Bananenschalen liegen verkokelt im Ofen. Noch drei Tage und die Eltern kommen zurück aus Teneriffa mit steuerfreien Zigaretten! Und sie sind im Kellerloch verbarrikadiert – und voll drauf! Das sind „teenage kicks“, aber mit viel weniger Melodie, die brauchen die COCKBIRDS nämlich gar nicht!

Entschuldigt die nun folgende, zugegeben sehr flache Überleitung: „Baukran, Baukran / Wir sind wieder drauf / Baukran, Baukran / Heute Super-Sauf !“ So singen sie im Refrain von „Baukran“, dem teutonischen Noise-Rocker auf der Single, den bitte endlich mal jemand Steve Albini vorspielen sollte. Hier nun Hintergrundwissen, das es sonst nur auf dem Backstageklo gibt: In einer Sommernacht sind Pekka und H-Rock zusammen auf einen Baukran gestiegen, wurden auf frischer Tat ertappt von echten Wachleuten mit echten Wachmannuniformen, die prompt erstmal ein Sondereinsatzkommando mit örtlichen Polizeiwannen sowie Feuerwehrwagen herbeifunkten. Den Einsatz dürfen die beiden naturgemäß nun bezahlen. Deshalb gibt es, quasi als Benefizprodukt, eine Single zu kaufen. Und T-Shirts. Denn eigentlich brauchten die COCKBIRDS gar keine Produkte rauszuhauen für die Einwohner aus Entenhausen, denn wenn die Herren live die Bude anzünden, will man schließlich dabei sein, dort wollen die Frauen dann „Caroline Hitler“ kreischen, und die Männer den „Yuppiescum!“ aus dir heraus prügeln. Das jetzt sowohl Christoph Schlingensief als auch die gesamte Berliner Straight-Edge-Hardcore Gemeinde voll stinkesauer auf die schrägen Vögel sind, weil eben total super, voll Arschrock und das 100% ultratheatralisch ungeschminkt – versteht sich quasi von selbst. Und dass die jetzt die ganze Bananenrepublik bereisen wollen, macht die Sache ja noch viel gemeiner, und das dann auch noch B-Movie-König Jörg Budgereit mit denen einen Film drehen will, ist dann tatsächlich das allerletzte. Der Dreck ist jetzt schon Kult, und das muss man so erst mal hinbekommen. Vielleicht sind sie so was wie die deutschen TURBONEGRO, aber eben mehr so MC-5 mit Zeltinger im Stall, und eben nicht zu spät, zu doof oder nachgestylt. Ganz, ganz anders! Konzerte sind nicht zu verpassen und irgendwie voll die nette Geschenkidee!