RAMONEZ 77

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Ein Leben für drei Akkorde

Wer zum 20-jährigen Jubiläum sein erstes Album auf den Markt bringt, verdient Hochachtung für soviel Stehvermögen. Okay, die RAMONEZ 77 haben zwischendurch auch mal das ein oder andere Päuschen eingelegt, aber eigentlich waren sie nie weg. Wie viele RAMONES-Klone es weltweit geben mag, entzieht sich nicht nur meiner Kenntnis, aber die vier Hamburger sind schon etwas besonderes. Zwar kopieren sie die New Yorker Originale nahezu perfekt, vergessen aber nie, der ganzen Geschichte eine eigene Note zu verpassen. Sei es durch eigene Songs, abgewandelte Texte oder mal eben das Imitieren der kanadischen HANSON BROTHERS. Dieser Tage erschien nun mit „Rest In Pace“ ihr erster Longplayer (Vinyl bei Klartext Records, CD bei Mata Hari). Grund genug, sich mit den Masterminds und Ur-RAMONEZ Zabel (Bass) alias Dittä Ramone und Witte alias Witty Ramone (Gitarre) zum Interview zu treffen. Später stießen auch noch Nagel (Trommeln) und Biewald (Gesang dazu) und komplettierten die lustige Runde im Proberaum der Band.

Bei einer so langen Bandgeschichte, kann man ja nicht drum herum kommen, ein paar Worte darüber zu verlieren. Wer möchte denn mal den Anfang machen?

Witte:
„Wir haben gerade unser zwanzigstes Jubiläum gehabt, was zeigt, dass wir den Scheiß schon lange machen und die alten Knacker immer noch dabei sind.“
Zabel: „Los ging es am 24. Juni 1984. Als Geschenk zum Geburtstag einer guten Freundin wurde damals die RAMONES REVIVAL BAND, so hießen wir am Anfang noch, gegründet. Damals waren das Loui Ramone, Reedy Ramone, der uns dann von G.B.H. abgeworben wurde, sowie Witte und ich.“

Einige Zeit später habt ihr dann ja auch eine Platte mit eigenen Stücken drauf veröffentlicht. Das war ja nichts mehr mit Revival-Band.

Witte:
„So ganz richtig ist das mit den eigenen Stücken nicht, schließlich waren auch zwei Cover-Versionen mit drauf. Eine davon war ‚Surfin‘ Bird‘, von uns damals mit ‚Boris Becker‘ betitelt. Das kam daher, dass unser Sänger Loui ein großer Fan von Boris Becker war und deshalb spaßeshalber immer von dem gesungen hat. Aufgenommen wurde das Stück dann aber mit Michael Fotzer von SSUB, am Gesang, weil sich Loui mittlerweile nur noch auf seinen Versuch konzentrierte, Tennis-Profi zu werden.“
Zabel: „Und daneben haben wir halt angefangen eigenes Material zu machen, bis Ralf Rexin aus Berlin kam – damals ein großer Fan von uns – und fragte, ob wir nicht mal für sein Label was aufnehmen wollten. Und so kam dann 1987 unser erste Platte raus, die Mini-LP.“
Witte: „Damals gab es noch in der Hamburger Morgenpost die Lesercharts, und da waren wir immerhin auf Platz zwei. Produziert hatte das Andreas Junge, der ja später mit den BATES große Erfolge hatte. Wir waren sein erster.“

Diese Platte ist ja inzwischen nur noch sehr schwer für viel zu viel Geld zu erstehen. Gab es nie die Idee, das gute Stück mal wieder neu aufzulegen?

Witte:
„Doch, wir hatten kurzzeitig mal die Idee, das über Vince Lombardy Highschool Records, heute Mata Hari, zu machen. Schließlich schimpft sich Mata Hari ja Hamburger Punkrock-Label. Aber aus dieser Idee, zu der wir ja auch unsere Reunion machten, ist dann unsere neue Platte geboren, die im Oktober diesen Jahres erschienen ist und ‚Rest in Pace‘ heißt.“

Jetzt greifst du vor. So weit sind wir hier noch nicht. Kommen wir noch mal auf die 80er Jahre zu sprechen. Da hattet ihr ja auch einige gemeinsame Sachen mit Nina Hagen am Laufen. Wie kam es denn dazu?

Zabel:
„Wir haben mit der ‚Punkhochzeit‘ die Hymne für Ninas Hochzeit komponiert. Das kam, weil ihr damaliger Macker, dieser Spinner, uns ziemlich geil fand. Sie dann natürlich auch. So haben wir dann in Berlin ziemlich oft mit den beiden rumgehangen und die Gegend unsicher gemacht, bis dann die Idee mit dem Lied zur Hochzeit kam. Da hat sich dann die NINA HAGEN BAND auch gleich mit eingeklinkt, so dass wir im Endeffekt eine Split-Single gemacht haben. Daraus ist dann ziemlich viel entstanden.“
Witte: „Wir waren dann ungefähr ein Jahr lang ständig mit ihr zusammen und haben sie supportet.“

Und ist dann der Kontakt eingeschlafen, oder trefft ihr euch immer noch mal wieder, wenn sie, wie letzte Woche, mit ihrem Jazz-Orchester in Hamburg gastiert?

Witte:
„Es gab mal eine Zeit, da brauchte sie für Fernsehauftritte ständig irgendwelche Playback-Bands und wollte eigentlich mit den RAMONEZ 77 zusammenkommen, hat aber schlussendlich nur mit Zabel gearbeitet.“
Zabel: „Das aber nur als optische Bereicherung ihrer Show.“
Witte: „Es gibt auch noch eine Geschichte, wo ich von Nina einen Korb bekommen habe, als ich mit WITTE EXPERIENCE meine Solo-Platte gemacht habe. Da wollte ich ursprünglich einen Titel mit ihr zusammen singen, und sie hatte auch angerufen und gesagt, sie würde ins Studio kommen. Doch wer war nachher nicht da? Nina natürlich.“
Zabel: „Na klar, weil sie bei mir war und die Badewanne geputzt hat.“
Witte: „Insgesamt war das aber klasse mit ihr. Die war für uns so etwas wie eine Schwester oder ein Kollege. Gut, als sie dann später immer öfter in den Medien auftauchte und sich so komische Klamotten anzog, wurde sie auch immer merkwürdiger.“
Zabel: „Nur weil sie von deinen Zigaretten geraucht hat, Witte, hat sie später von UFOs erzählt.“

Deshalb haben sich die RAMONEZ 77 damals aber nicht aufgelöst, oder?

Zabel:
„Nein, das hatte andere Gründe. Für uns war das immer eher wie schauspielern als Musik machen. Und mit den Jahren kamen auch immer andere Projekte dazu, und irgendwann war das Ding ausgelutscht. Das wiederum lag sicherlich auch an den ständigen Besetzungswechseln. Es gab in der Tat sogar B- und C-Mannschaften, die wir ab und an ins Rennen schickten. Das war zwar ganz lustig, aber es gab halt andere Sachen, die wir in der Hinterhand hatten und die dann den RAMONEZ 77 den Rang abkauften.“
Witte: „Außerdem kamen natürlich auch die unvermeidlichen persönlichen Querelen dazu. Das bleibt ja nicht aus, wenn mal ständig aufeinander hockt. Wir haben da im Jahr so locker zwanzig- bis dreißigtausend Kilometer in Zabels altem Bus abgerissen – unter den widrigsten Umständen. Das zehrt dann doch an den Nerven, so dass wir einfach mal eine Pause gemacht haben. Gestorben war die Band aber eigentlich nie. Ab und an haben wir ja über die ganzen Jahre immer mal wieder eine Show gespielt – dann auch in Original-Besetzung mit Loui. Bis dann 1994 Vince Lombardy die ‚Schmuddelkinder-Tour‘ ins Leben rief und uns damit zum weitermachen motivierte.“
Zabel: „Danach gab es natürlich auch wieder mal ein Break, aber eigentlich ist das unsere offizielle Reunion gewesen.“
Witte: „Danach war es dann Reedy Ramone, der immer mal wieder baggerte, wir sollten doch wieder zusammen was machen. Wir hatten halt viel Rückenwind bekommen, der nun fehlte. Die ADICTS wollten uns als Support haben, zogen das Angebot dann aber zurück, weil sie Schiss hatten, wir würden ihnen die Show stehlen. Und Charlie Harper sagte zu uns, wir seien sein bester Support-Act aller Zeiten gewesen.“

Aber wann kam denn wieder so etwas wie Kontinuität in die Band?

Witte:
„Das müsste so 1999 gewesen sein. Da haben wir dann in der Original-Besetzung wieder gespielt.“
Zabel: „Kurze Zeit später ist dann Joey Ramone gestorben und wir haben einen großen Memorial-Gig im Schlachthof vor über 800 Leuten gespielt. Das gab uns endgültig den Kick, weiterzumachen.“
Witte: „Und um Joey ausreichend zu gedenken, haben wir dann auch den ersten Titel unseres neuen Albums ‚Rest in Pace‘ geschrieben. Der heißt ‚Mr. Ramone‘. Den gab es schon vorab auf unserer Single bei Klartext Records zu hören.“

Das heißt, die Arbeit an eurem Album hatte bereits vor zwei, drei Jahren begonnen?

Zabel:
„Ja, denn eigentlich wollten wir ja nur die Single mit dem Joey-Stück und zwei Covern zu seinem Tod rausbringen. Doch mit der Zeit wurde das immer mehr und wir nahmen ein ganzes Album in Angriff. Wir wollten damit einfach die Lücke schließen, die die RAMONES hinterlassen hatten.“
Witte: „Wir haben uns dann alle 14 Tage getroffen, um zu proben, und bei jeder Probe sind zwei, drei neue Stücke entstanden, die wir auch gleich aufgenommen haben. Später sind die Lieder auch alle so belassen worden, wie wir sie ursprünglich geschrieben hatten. Alles also sehr authentisch.“

Und während der Aufnahmen gab es dann die letzten Besetzungswechsel innerhalb der Band?

Zabel:
„Richtig. Reedy sind irgendwann die Bandscheiben rausgeflogen Da ging das mit dem Trommeln nicht mehr.“
Witte: „Wir sind ja nun auch nicht mehr die Jüngsten. Und nach unserem unsteten Lebenswandel kamen da natürlich diverse gesundheitliche Probleme. Bevor Reedy dann das zweite Mal unters Messer musste, hat er den Job in der Band aufgegeben. Doch zum Glück haben wir in Nagel, auch Sumo Ramone genannt, schnell einen Ersatz gefunden. Bei Loui war es dann so, dass er sich vervielfältigt und eine Familie gegründet hat, und plötzlich hatte er da eine ganz andere Verantwortung. Er musste sich nun neben der Familie auch viel mehr um seinen Job kümmern, denn die Band haben wir ja nur der Sache wegen gemacht, wie wir hier in Hamburg so schön sagen. Daraufhin hat Loui dann das Handtuch geschmissen, um Platz für Herrn Biewald aus Eschwege zu machen. Für den haben wir dann auch gleich das Stück ‚Cretin Boy‘ geschrieben, ein Cover von den kanadischen HANSON BROTHERS.“

Ihr seid ja auch schon als deren Imitatoren unter dem Namen HANSEN BRÜDER aufgetreten. Wie entstand die Idee?

Zabel:
„Loui und ich haben früher eine Saison beim HSV Eishockey gespielt und wir waren da wirklich wie die Film-Hansons. Wir konnten nicht laufen, wir konnten nicht spielen, wir konnten gar nichts. Auf jeden Fall hatten wir seitdem ein großes Faible für Eishockey.“

Noch mal zur Platte. Aufgenommen habt ihr die ja selber im hauseigenen Tonstudio.

Witte:
„Richtig. In ‚Nagel‘s Oma‘s Sofa Studio‘. Das ist in einem ganz berüchtigten Kult-Bunker, wo früher schon CORONER, BUTTOCKS, BIG BALLS, SCREAMER oder die RAZORS geprobt haben, aber auch so Bands wie BLUMFELD, RUNNING WILD und HALLOWEEN. Da steckt eine Menge Spirit drin.“
Zabel: „Aber deren Spirit haben wir schön vor der Tür gelassen.“

Und nachdem ihr mit den Aufnahmen fertig wart, habt ihr auch noch gleich ein Video in Angriff genommen. Was erwartet uns denn da?

Witte:
„Das Video haben wir zu ‚Beat On The Bush‘ gedreht, und das gibt es auf unserer Internetseite zum Runterladen. Eine wirklich lustige Sache. Eigentlich wollten wir das Video nur mit unseren Nokia-Handys aufnehmen.“
Zabel: „In dem Lied und dem Video beziehen wir auf unsere Art Stellung zum berufsdebilen amerikanischen Präsidenten George W. Bush. Da kommt eine Klobürste drin vor, Herr Bush selber, Osama Bin-Laden, ein paar Taliban-Krieger und wir selber natürlich auch.“

Danke für das Interview.

Fotos: Sven Dannenberg