... AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD

Foto

Rock’n’Roll als Wissenschaft

Es gibt mittlerweile nicht mehr allzu viele Bands, denen man die unglaublichsten Gerüchte nachsagt und die dazu noch mit eindeutigen Attributen wie Chaos, Genialität und jeder Menge zerstörter Instrumente in Verbindung gebracht werden können. ... AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD stehen für all das: Sex, Drugs & Rock’n’Roll. Philosophische Punks, die drei Jahre nach ihrem Major-Debüt „Source Tags & Codes“ endlich ihr viertes und längst überfälliges Album „World Apart“ veröffentlichen.

Dabei waren TRAIL OF DEAD in den letzten Monaten alles andere als untätig. Ein Jahr nach „Source Tags & Codes“ erscheint von Conrad Keely, Jason Reece, Kevin Allen und Neil Busch die EP „The Secret Of Elenas Tomb“. Ein erster Appetizer, der mit einem Song wie „Intelligence“ erstmals das Quartett von einer völlig neuen Seite zeigt und die Spannung auf das folgende Werk ins Unermessliche trieb. Aber ein weiteres Jahr verstreicht, Bassist Neil Busch verlässt auf eigenen Wunsch die Band, um mehr Zeit für seine Familie zu haben. Die restliche Band richtet sich ihr eigenes Studio ein und „World Apart“ wird wegen den bei Interscope Records als relevanter eingestuften neuen Platten von U2, EMINEM und Gwen Stefani einmal mehr den Ohren der Weltöffentlichkeit vorenthalten. Im Dezember 2004 steht ein Termin für das Album endgültig fest und TRAIL OF DEAD beglücken wenige deutsche Städte auf ihrer Promotour mit Konzerten.

Offiziell nun also ein Trio, spielen TRAIL OF DEAD live mit einem Tour-Bassisten und zweiten Drummer, was letzten Endes eine gewohnt gute Show mit mehr Wucht bedeutet. Gewohnt gut, wenn auch anders, dürfte man auch über „World Apart“ lesen, dem wahrscheinlich besten Output der Band. Verglichen mit dem selbstbenannten Erstling von 1998, dem auf Domino Records erschienen und aufsehenerregenden Album „Madonna“ oder eben „Source Tags & Codes“, bricht „World Apart“ aus dieser durchaus nahtlos aufeinander folgenden Reihe aus.

Conrad Keely äußerte sich vor einigen Monate zu der Entstehung der Platte wie folgt:
„Als ich die Songs für das Album komponierte, habe ich bei jeder kleinen Schreibblockade den Sender 101X aufgedreht, unser Alternative-Rock-Radio hier in Austin. Ich habe mir angehört, wie grottenschlecht die Musik ist. Die Top-40-Alternative-Bands haben mich inspiriert, weil ich hinterher genau wusste, wie unser Album auf keinen Fall klingen soll.“

Weniger wütend, dafür vielmehr friedvoll, aber zugleich auch unberechenbarer als jemals zuvor klingen die zwölf neuen Stücke, sofern man ihnen keinen näheren Blick zwischen den Zeilen einräumt. So heißt es in den Strophen des an ein Kinderlied anmutenden Titelsongs: „Random lost souls have asked me ‚What’s the future of Rock’n’Roll?‘ I say, I don’t know does it matter? ... Look at those cunts on MTV, with their cars and cribs and rings and shit, is that what being ‚celebrity‘ means? Look, boys and girls, at BBC, see corpses, rapes and amputees, what do you think now of the American dream? ... How they laugh as we shovel the ashes of the Twin Towers. Blood and death, we will pay back the debt of this candy store of ours.“
Die nahezu philosophische Auseinandersetzung TRAIL OF DEADs mit Rock’n’Roll und dem gesellschaftlichen Amerika schreit nach Fragen, die an dieser Stelle von Sänger/Gitarrist Conrad Keely beantwortet werden.

Ihr habt das Image, eine intellektuelle Band zu sein, was sich auch einmal mehr in eurer neuen Bandbiographie äußert. Mögt ihr diese Beschreibung?


„Ja, es ist cool, haha. Mir ist es eigentlich egal, was die Leute sagen, ich denke aber, dass jeder, der irgendwie in der Öffentlichkeit steht, mit einem gewissen Etikett versehen wird. Natürlich ist mir die Beschreibung ‚intellektuell‘ lieber als das Gegenteil. Treffend für uns finde ich aber die Bezeichnung Art-Rocker, denn viel zu viele Leute haben vergessen, dass Rock’n’Roll auch eine Kunst ist. Wir versuchen einfach, wieder daran zu erinnern.“

Passen Rock’n’Roll und Intellekt denn zusammen?

„Wir sind bemüht, eine neue Art von Rockern zu züchten. Es ist noch ein weiter Weg, aber wir haben eine Vision, denn wir sind smart und dazu noch richtige Rocker, haha. Die Kids müssen einfach verstehen, dass Intelligenz und Rock zusammenpassen, und es eine Kunstform ist. Der stets besoffene und drogenabhängige Rocker ist doch nur noch ein Klischee.“

„World Apart“ klingt, abgesehen von den Texten, oftmals erstaunlich friedlich für ein TRAIL OF DEAD-Album. Wie kommt das, und wo ist die Wut geblieben?

„Wut ist meiner Ansicht nach nicht zwingend notwendig für unsere Musik. Ich denke, dass dieser Punkt von vielen unserer Zuhörer nicht richtig interpretiert wird. Wir sind nicht immer wütend und wenn ich genauer darüber nachdenke, komme ich zu dem Schluss, dass wir eigentlich noch nie richtig wütend waren. Wir sind meistens sehr enthusiastisch und haben eine Menge Spaß. Viele Menschen denken doch auch, dass spielende Kinder, die schreien und irgendwelche Sachen in einem Zimmer umwerfen, gewalttätig sind. Letztendlich haben sie einfach nur Spaß. Mit uns ist das ähnlich. Wir wollen bestimmt niemanden verletzen, und warum sollten wir von der Welt angepisst sein? Wir sind weiße Mittelklasseamerikaner, auf was verdammt noch mal sollten wir sauer sein?“

Vielleicht George Bush?

„Der interessiert mich nicht! In vier Jahren ist er weg, die Geschichte und das Leben wird weitergehen. Er ist nicht mehr als ein hässlicher Fleck im Antlitz Gottes. Es gibt so viele bessere und wichtigere Dinge im Leben als die Frage, wer der Präsident Amerikas ist. Mich persönlich beunruhigt viel mehr die Tatsache, dass unsere Ozeane an Überfischung leiden und der Kilimanjaro in 20 Jahren wohlmöglich keine Schneespitze mehr haben wird.“

Dennoch werden etliche Menschen unter Bushs Politik zu leiden haben.

„Leider würde dieses Schicksal Menschen auch unter einem anderen Präsidenten treffen. Wohlmöglich auch dann, wenn ich Präsident wäre. Wir leben in einer schwierigen Zeit und deshalb ist es umso wichtiger, dass die Völker, und hier vor allem die Amerikaner, ein anderes Bewusstsein gegenüber der Welt entwickeln, denn jeder amerikanische Präsident wird als erstes an die Anliegen seiner Landsleute denken. Es wäre wünschenswert, wenn man ein Jahr für eine Hilfsorganisation in einem fremden Land arbeiten müsste, dass würde sicherlich die Einstellung einiger Menschen verändern. ‚World Apart‘, der Titel unserer Platte beruht in gewisser Weise auf dieser Idee. Im amerikanischen Fernsehen gibt es eine Reality Show namens ‚World Apart‘. Eine amerikanische Familie wird für zehn Tage an die unzivilisiertesten Orte dieser Welt gebracht, wo sie mit den Einheimischen genau wie diese leben müssen. Die Sendung zeigt, wie groß die Kluft zwischen den sogenannten Dritte Welt-Ländern und der amerikanischen Bevölkerung ist. Die ersten sechs Tage hassen die Leute ihr neues Leben, aber nach dem zehnten Tag lieben sie es. Es ist seltsam, denn am siebten Tag stellt sich in jeder Sendung der Sinneswandel der Teilnehmer ein.“

Könntest du dir vorstellen, so ein Leben für zehn Tage zu führen?

„Ich würde wohl nicht bei dieser Sendung mitmachen, aber ich würde definitiv aus persönlichem Interesse heraus mit diesen Naturvölkern leben wollen. Der wichtigste Grund für mich, warum ich in einer Band sein will, ist neben der Musik, die Möglichkeit eingeräumt zu bekommen, verschiedenste Ländern zu besuchen. 2005 wollen wir in Russland, China, Jordanien, Südafrika, Griechenland und der Türkei spielen. Es gibt leider nicht genug Zeit im Leben, um alles zu sehen.“

Also ist es euch wahrscheinlich egal, ob die Leute TRAIL OF DEAD dort kennen oder nicht. und ob im Publikum 5 oder 5.000 Leute stehen.

„Vollkommen. Ich habe eine Geschichte gehört, dass die Inder eine Band nicht mehr vergessen, wenn sie dort einmal getourt ist, denn kaum ein ausländischer Musiker spielt in ihrem Land. Eine der größten Bands in Indien ist bis heute JETHRO TULL, obwohl bereits mehr als zwei Jahrzehnte seitdem vergangen sind. Unglaublich, haha. Außerdem kann man so den Menschen zeigen, dass wir Amerikaner keine Dämonen sind und nicht alle George Bush wählen.“

Denkst du, dass die Musik von TRAIL OF DEAD die einer universell verständlichen Band widerspiegelt, die nicht zwingend mit der amerikanischen Kultur in Verbindung steht?

„Auf jeden Fall, denn ich bin in England geboren, habe dort drei Jahre gelebt und besitze noch heute die irische Staatsbürgerschaft. Ich bin eng mit Europa verbunden, und darüber hinaus haben Jason und ich in unserer Kindheit lange auf Hawaii gelebt. Das ist zwar auch Amerika, aber nicht das, was die Leute kennen. Wir verstehen uns als Weltbürger.“

Was inspirierte euch für die Arbeit an „World Apart“?

„Wir haben viel von Basil Poledouris gehört, er hat zum Beispiel den Soundtrack zu ‚Conan The Barbarian‘ oder ‚RoboCop‘ gemacht. Diese Pauken war unglaublich inspirierend für das Schlagzeug auf ‚World Apart‘. Wir lieben Filme und versuchen, unserer Musik einen kinematografischen Charakter zu verpassen, so dass man ein Bild sieht, wenn man die Augen schließt. Es wäre ein großer Wunsch von uns, in der Zukunft mal einen Soundtrack zu komponieren.“

Ist „World Apart“ die komplexeste TRAIL OF DEAD Platte?

„Ja, denke ich schon. Wir haben einige vertrackte Rhythmusabfolgen eingebaut und auch anspruchsvollere Melodien zusammengefügt. Ich bin mir sicher, dass man auch als Rockmusiker mit dem Alter besser wird. Eine Idee von uns ist, irgendwann mit den verschiedensten Samples von unseren Alben Konzerte zu spielen. Gerade jetzt bin ich auf der Suche nach jemand, der mir bei der Konstruktion eines Plexiglaswürfels hilft, in dem das Laptop auf der Bühne stehen würde. So wäre es dann nämlich auch kein Problem, wenn mal eine Bierflasche dagegen fliegen würde, haha.“