TEPHRA

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Vulkanausbruch in Braunschweig

Trotz Einsatz modernster Hilfsmittel ist es der Wissenschaft bis heute nicht möglich, einen Vulkanausbruch verlässlich vorherzusagen. In erster Linie liegt das daran, dass kein Ausbruch in seinem Wesen dem anderen gleicht und gewonnene Erkenntnisse nicht ohne weiteres übertragen werden können. Ob ein Berg Feuer speit, bemerkt man deshalb oft erst dann, wenn es zu spät ist. Wenn sich die glühende Lava bereits auf ihren alles vernichtenden Weg ins Tal gemacht hat und die Asche, die auch den Braunschweigern von TEPHRA ihren Namen gab, den Himmel in nachtschwarze Dunkelheit hüllt. Auch die Eruption dieser Band konnte niemand weissagen. Weitaus überraschender war also, dass sie anfangs fast gänzlich unbemerkt blieb. Noch nicht einmal TEPHRA selbst erkannten, was da gerade vor sich ging.


Gegen Ende des Jahres 2003 riefen vier befreundete Musiker ein neues Projekt namens CITYSLICKERS ins Leben. Doch erst als sie auf ihrer ersten Show in ihrer Heimatstadt vom dort ansässigen Label Riptide Recordings auf eine Zusammenarbeit angesprochen wurden, beschlossen sie, "richtig loszulegen", wie sich der türkischstämmige Sänger und Gitarrist Ercüment im Interview ausdrückt. Die Band gab sich ihren heutigen Namen und veröffentlichte kurz darauf unter diesem ein erstes Demo. Es begann zu rumoren im Braunschweiger Underground, doch noch ahnte niemand, wie schnell von nun an alles gehen sollte.

Denn nicht nur, dass die Band im Prinzip vom ersten Tag an mit einem Label im Rücken operieren konnte, durch diese Zusammenarbeit kam auch der Kontakt zu Matthias Werner zustande. Dieser war zum damaligen Zeitpunkt für die Booking-Agentur 2ForTheRoad tätig, was TEPHRA schon früh die Möglichkeit eröffnete, mit und vor den richtigen Leuten zu spielen. Bis heute arbeitet die Band mit Werner zusammen, der zwischenzeitlich seine eigene Firma namens Dial-Booking gründete. So verbreitete sich zum Beispiel auf Konzerten von CULT OF LUNA, mit denen TEPHRA seit jenen Tagen eine innige Freundschaft verbindet, recht rasch die Kunde von dem Naturereignis aus Niedersachsen. Und ehe man bis drei zählen konnte, war die auf 312 Exemplare limitierte Debüt-LP der Band ausverkauft.

Ein Demo aufnehmen, auf Konzerten neue Fans gewinnen, ein Album - zunächst nur auf Vinyl - veröffentlichen: Fast könnte man meinen, TEPHRA wären das archaische und weitaus weniger erfolgreiche Gegenstück zu jenem popkulturellen Phänomen der Gegenwart, welches vor allem von den ARCTIC MONKEYS verkörpert wird. Denen verhalf zu Beginn ihrer Karriere bekanntlich die kostenlose Verbreitung von mp3s durch wild wuchernde Blogs zu einer kaum für möglich gehaltenen Aufmerksamkeit. Doch das, was gemeinhin als Web 2.0 bezeichnet wird und ein Internet beschreibt, bei dem das Hauptaugenmerk vor allem auf der Gemeinschaft seiner Benutzer liegt, spielt auch für TEPHRA eine gewichtige Rolle. Eine MySpace-Seite ist heutzutage eben Pflicht: "Meiner Meinung nach ist das eine sehr gute Plattform, um mit der Welt in Kontakt zu treten. Es waren schon eine Menge Leute auf unseren Konzerten, die uns nur über MySpace kannten. Über mich selbst würde ich da allerdings kein Profil erstellen, aber für eine Band ist das schon eine ausgezeichnete Möglichkeit, sich zu präsentieren."

Und spätestens mit der nochmaligen Veröffentlichung des Debüts auf CD wurden TEPHRA dann auch in den einschlägigen Tauschbörsen vorstellig, was den guten Namen einer Band bekanntlich nur noch klangvoller werden lässt. Der größte Ausbruch steht dem Vulkan aus Braunschweig indes aber erst noch bevor. Jener nämlich, der aus den eng gesteckten Genregrenzen herausführt. Jener, durch den sie die fortwährenden Vergleiche mit NEUROSIS, ISIS oder eben CULT OF LUNA endlich hinter sich lassen. Seit inzwischen mehr als einem Jahr begleitet nun schon ein Keyboarder die Band bei ihren Auftritten. Doch nicht etwa die ruhigen Passagen haben dadurch mehr Luft zum Atmen bekommen, die seither entstandenen Stücke lassen im Gegenteil kaum noch Zeit zum Verschnaufen. Und das Erstaunliche dabei ist: Dem so wichtigen transzendentalen Spannungsbogen geht dabei keineswegs die Puste aus.

Doch neben Florian stieß noch ein weiteres, festes Mitglied zur Band. Dennis ist Student an der Kunsthochschule und kümmert sich um die visuelle Umsetzung der Musik in Bildprojektionen. Wenn man so will, steckt dahinter der Versuch, das viel zu oft zitierte und nichts sagende Konstrukt des "Kopfkinos", bei welchem Musik als Soundtrack zu einem imaginären Film vor dem geistigen Auge des Hörers begriffen wird, wieder auf eine greifbarere, physikalische Größe herunter zu brechen. Ein nicht immer ganz einfaches Unterfangen in den Jugendhäusern Deutschlands, wie Ercüment bestätigt: "Ich glaube, manchmal würde Dennis am liebsten ein Attentat auf die verantwortlichen Architekten verüben. Er ist eben ein Perfektionist, was seine Filmkunst angeht. Man muss dann einfach versuchen, das Beste daraus zu machen. Wenn es heute nicht klappt, dann funktioniert es eben morgen." Gelassene Worte für einen Vulkan.