MUDHONEY

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March to fuzz

Lasst mich zu Beginn eins direkt sagen: MUDHONEY waren nicht nur irgendeine "Grunge"-Band, aber unglücklicherweise wurden sie während des Seattle-Hypes mit in den Strudel vieler Weichspüler-Bands geworfen, die melodischen College-Rock à la REM oder PIXIES mit BLACK SABBATH mischten. Sie haben vielleicht Flanell und lange Haare getragen, aber waren weit mehr beeinflusst von lautem, dreckigen Garage/Fuzzpunk, zum Teil von Bands wie BLUE CHEER, STOOGES, HAWKWIND, BLACK FLAG, Billy Childish, ANGRY SAMOANS, von 60s-Psychedelic und obskurem Krautrock. Das ist vielleicht auch der Grund, warum ihr Ruf immer besser war als ihre Verkaufszahlen, im Gegensatz zu den anderen, eher kommerziellen Seattle-Bands. Viele von diesen millionenfach verkauften Grunge-Topsellern klingen heute total überholt, im Gegensatz zu MUDHONEYs verdammt rauem Sound, und das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich seit "Superfuzz Bigmuff" von 1988 Fan dieser Band bin. Dementsprechend war ich auch ein bisschen aufgeregt, alte Helden wie Mark Arm (Vocals, Gitarre) und Steve Turner (Gitarre) zu treffen, aber die beiden erwiesen sich als zwei freundliche, entspannte Typen mit einer gesunden Portion Humor.


Wie kriegt ihr es hin, nach 18 Jahren noch diesen Spirit zu besitzen?

Mark: Ich habe keine Ahnung. Es ist auch ein Mysterium für uns. Es ist vielleicht so, weil wir es nicht die ganze Zeit tun, es nicht unser Hauptlebensinhalt ist. Wir machen es, wenn wir Lust dazu haben, da steht kein Druck hinter.

Steve: Es ist einfacher geworden in den letzten Jahren, obwohl unsere Zeitpläne schwieriger unter einen Hut zu bekommen sind, wir haben Jobs und Kinder und was nicht sonst noch alles. Aber wir lassen diese Widrigkeiten nicht unserer Musik in die Quere kommen.

Steve, du bist Landschaftsgärtner?!

Steve: Ich hab das mal gemacht, jetzt habe ich eine 18 Monate alten Sohn, also kein Gärtnern mehr, jetzt stehle ich.

Mark: Ach so, das ist also mit all meinem Kram passiert, haha. Nach jeder Probe merke ich, dass ein bisschen fehlt.

Steve: Nein, hauptsächlich verkaufe ich Platten bei eBay.

Wie sieht es da mit Seitenprojekten aus?

Steve: Ich bringe Soloplatten raus.

Mark: Und wir haben eine neue MONKEYWRENCH-Platte gemacht. Die sollte Anfang des Jahres bei Estrus rauskommen, die haben es aber immer wieder verschoben. Jetzt haben wir ein anderes Zuhause dafür gefunden. Die meisten Sachen dafür haben wir aber schon vor sechs Jahren aufgenommen.

"Under A Billion Suns" ist dem "Since We've Become Translucent"-Album ziemlich ähnlich und es sind dieselben Backing-Leute an Saxophon, Trompete und Posaune dabei.

Steve: Ich finde, es sind quasi Geschwister-Platten, wir haben es beide Male ähnlich gemacht, nur mit unterschiedlichen Studios und unterschiedlichen Produzenten. Wie zwei von einer Sorte.

Mark: Wir könnten aber nicht drei Alben in dieser Art machen ...

Da gibt es ein gewisses HAWKWIND-Feeling auf beiden Platten ...

Steve: Nun, wir machen HAWKWIND-eske Sachen schon seit 1992. Ich glaube "Make it now" von "Piece Of Cake" ist der erste Song, wo wir aktiv HAWKWIND sein wollten. Also HAWKWIND beeinflusst uns schon sehr

Mark: Und der Sänger von HAWKWIND ist einer der weltweit besten!

Ihr habt auch ihren alten Song "Urban guerilla" gecovert, ein Song der jetzt von den Radiostationen verbannt ist - "I'm an urban guerilla/Making bombs in my cellar".

Steve: Das war vor vier Jahren, als wir noch eine Menge mehr Freiheit besaßen, haha. Eigentlich war das einer der Gründe, warum ich den Song damals spielen wollte.

Handeln Songs wie "Hard-on for war" und "Where is the future?" von den heutigen Zuständen in Amerika? Ist die Welt jetzt noch abgefuckter als in den 80ern?

Steve: Es ist jetzt schlimmer als unter Reagan, der scheint rückblickend jetzt fast weniger schlimm zu sein.

Mark: "Where is the future?" handelt aber nicht nur von Amerika, es geht um die ganze Welt. Es geht um Science-Fiction, haha, wo sind meine Isaac Asimov-Bücher?

Steve: Was "Hard-on for war" angeht, na klar hat Mark einen, wir sind ja jetzt geile alte Männer, haha.

Wenn ich mir die anderen Seattle-Bands ansehe, die zur selben Zeit, gestartet sind wie ihr, scheint es, als ob ihr weit mehr Spaß versteht und mehr Humor in euren Texten habt.

Steve: Viel mehr Humor.

Mark: Besonders im Vergleich zu SOUNDGARDEN, haha.

Steve: Es gibt nichts Lustiges an SOUNDGARDEN, na ja, doch, aber sie wissen es nicht, haha.

Marc: Das Leben kann tragisch und traurig sein, aber ebenso fantastisch und wundervoll, da muss es eine Balance geben. Du kannst deinen Fokus nicht nur auf einen Gefühlszustand lenken, das wäre total unrealistisch. Ich will mir schließlich nicht den Kopf wegblasen.

Mark, du bist eigentlich ein Soulsänger? Ich habe dich mit DTK/MC5 gesehen und war wirklich beeindruckt von deiner stimmlichen/tonalen Reichweite, fast wie Otis Redding.

Mark: Nun, es gibt ein paar Sachen, die ich beim Spielen mit den Jungs gelernt hab, das hätte ich selbst nie gedacht.

Wayne Kramer hat bei "Inside job" auf dem "Since We've Become Translucent"-Album Bass gespielt. Kanntet ihr ihn vorher schon?

Mark: Nein, so haben wir ihn kennen gelernt.

Steve: Ein wirklich netter Typ. Es war sehr cool, den MC5-Gitarristen als Bassisten zu haben, haha.

Mark: Das ist schon ziemlich verrückt, stimmt. Zwei Nächte vorher, in Amsterdam, kam John Sinclair vorbei, der berüchtigte alte MC5-Manager, das war echt seltsam.

Kommt jetzt eigentlich eine DVD von euch? Altes Material, eine Mischung oder was?

Mark: Altes und neues Material, aber ich kann nicht genau sagen wann.

Steve: Außerdem arbeiten wir gerade an einem Boxset mit Live-Kram

und raren Studioaufnahmen auf ... wie heißt das Label gleich noch mal?

Mark: Easy Action, die haben die STOOGES- und MC5-Boxsets gemacht. Da kommen ein paar witzige Sachen drauf wie zum Beispiel eine Live-Radioaufnahme von 1988.

Was macht euer alter Bassist Matt Lukin mittlerweile?

Steve: Ihm geht es gut, er ist Zimmermann.

Ich sprach mit ihm auf dem Kopenhagener Konzert 1992 und er war auf einer Mission, alles zu sammeln, was der Menschheit von MOTÖRHEAD bekannt war.

Steve: Haha, ich denke er hat diese Mission aufgegeben. Dan, sammelt Matt immer noch alles von MOTÖRHEAD?

Dan: Ja, er besucht immer noch jeden Plattenladen.



Jens Kofoed-Pihl