ANALENA

Darüber, warum Frauengesang ergreifender ist als der von Männern, kann man sicher promovieren. Ich für meinen Teil nehme es einfach hin und konzentriere mich im Falle von ANALENA aus Zagreb, Kroatien auf deren Fähigkeit, Songs zu machen, die druckvoll und stark, aber zugleich fragil und introvertiert sind. Und vor allem: Schön, aber nicht memmig. Emo in laut. Auch wenn das Review im letzten Heft sagen wir mal nur wohlwollend ausfiel - von mir gibt es beide Daumen nach oben. Nachdem sie mir vor rund zwei Jahren auf dem "A Tribute To Our Parents"-Sampler aufgefallen waren, konnte mich besagte 7" (incl. neuer Sängerin) noch mehr begeistern. Wenn die so weiter machen, wie sie es jetzt angefangen haben, dann kann man sich noch auf Einiges von denen freuen. Also hin zum Konzert in der Bremer Grünenstrasse und Inti!

OK, erstmal das Reguläre: Wer seid ihr, wer spielt was und wann habt ihr angefangen?


Six: Hi, ich bin Six und spiele Bass.
Ana: Ich bin Ana und singe.
Miyo: Ich bin Mijo und spiele Gitarre.
Zet: Ich bin Zet und sitze am Schlagzeug.
Six: Wir sind ANALENA aus Zagreb in Kroatien und spielen jetzt seit fast drei Jahren zusammen. Das ist jetzt unsere erste größere Tour. Vorher haben wir nur vielleicht 4 bis 5-mal hintereinander gespielt.

Wie gefällt´s euch denn bis jetzt im nördlichen Europa und Deutschland?

Zet: Es ist echt prima hier.
Six: Das ist das erste Mal, das wir für längere Zeit in Deutschland sind und zuallererst mögen wir euer Essen."(lacht)
Ana: Die Leute sind alle sehr gastfreundlich und nett. Bis jetzt lief es sehr gut.
Six: Ja, bis jetzt haben wir jeden Abend mit einer anderen Band gespielt, mal mit einer Crust-, mal mit einer Indiepop-,mal mit einer Emoband und heute abend mit einer eher Metalband [TRIP SCOPE aus Osnabrück, der Verf.]. Es ist schön, mit so vielen verschiedenen Bands aufzutreten. Ich wünsch´ mir immer, so wie die spielen zu können. (lacht)

Was sind denn eure Einflüsse?

(alle durcheinander) Ja, so, Punk...
Six: Naja, wir hören alle eigentlich sehr unterschiedliche Musik.
Ana: Ich mag Hardcore und Punk und solche Sachen wie BOY SETS FIRE, mit denen wir ja in ein paar Tage spielen werden. Da freuen wir uns alle schon drauf. Aber ich mag absolut keinen Metal.
Six: Ich mag üblen deutschen Metal.
Zet: KREATOR!
Six: Nee...
Ana: Wenn wir auf Tour sind, hören wir zum Beispiel THE DRIFTERS, eine Band aus den 50ern, dann sind die Jungs tierisch gelangweilt. Ansonsten hören wir da alles mögliche - Trip Hop, JAMIROQUAI...
Six: (lacht) Können wir das mit JAMIROQUAI vielleicht streichen?

Nee, ich schreib´ was mit JAMIROQUAI in die Überschrift: "Die Band, die versucht, wie JAMIROQUAI zu klingen

Six: Im Auto beschwert sich immer irgendwer über die Musik.

Wie sieht denn momentan die Musik- und natürlich die Punkszene aus in Zagreb aus?

Six: Es ist eine kleine Szene. Vor drei oder vier Jahren gab es überhaupt keine, aber es entwickelt sich wieder etwas. Vor allem die Qualität der Bands hat sich in letzter Zeit gesteigert.
Ana: Wir liegen hinter Europa etwas zurück. Also bei uns gibt es nicht so viele Emobands, oder was sonst gerade zum Beispiel in Deutschland angesagt ist. Mehr Punk- und Hardcore, auch weniger Postrock.
Miyo: Bei uns kommt alles rund drei Jahre zeitversetzt an.
Ana: Aber die Bands sind gut und es gibt eine Menge Leute in der Szene, die Fanzines, Compilations, Labels oder Distros machen.

Könnt ihr da Bands empfehlen?

Six: Naja, in ganz Kroatien gibt es viele gute Bands.
Miyo: Get Off Records, das Label von Sergej, der mit uns fährt, ist sehr gut.
Ana: Seine eigene Band, OVERFLOW, ist auch sehr gut und sie kommen auch bald nach Deutschland.
Six: CHANGFFOS sind auch gut.

Ist das kroatisch?

Six: Nein, das heißt eigentlich nichts, aber es hört sich gut an. LUNAR sind auch gut, die machen so Postrock.
Ana: Oder die DEAD PRESIDENTS. Wir könnten noch lange so weiter aufzählen.

Denkt ihr, dass sich bei den Bands nach dem Bürgerkrieg etwas geändert hat, ihre Attitüde?

Ana: Nicht großartig...
Six: Man kann das ja gar nicht vermeiden, dass er Einfluss ausübt. Man durchlebt ihn und da ändert sich schon was in einem, es schleicht sich etwas ein. Wir haben das selber eher am Radio verfolgt, aber man konnte es gar nicht vermeiden, dass der Krieg alles beeinflusste. Vor allem was die Lyrics angeht. Jede Band hat mindestens einen Anti-Kriegs-Song.

Habt ihr einen Anti-Kriegs-Song?

Ana: Ja, er ist auf der Single, er handelt von den Gründen warum, nicht so sehr, wie er geführt wird.
Miyo: Für einen noble Krieg, den der Gentlemen.
Ana: Bei uns gibt es ein Sprichwort, daß der Gentleman immer für das kämpft, was bereits verloren ist, das ist so ungefähr das, was wir tun.

Ich habe mir eure Texte mal durchgelesen.. Wer schreibt sie?

Ana: Fast alle von uns.

Sie sind ja immer recht persönlich. Mancher könnte denken, dasss die Texte nicht ganz zur Musik passen, die ja nun recht hart ist. Es gibt ja Musiker, die bei solchen Texte auf ganz andere Musik kommen, mehr so die "Ich-sitze-hier-alleine-mit-meiner -Gitarre"-Schiene.

Six: Ääh ...war das jetzt positiv?!
Ana:Nein, ich weiß schon... Unsere Gefühle sind die Quelle von allem, was wir tun. Und wenn wir bestimmte Gefühle als hart empfinden, dann bringen wir das auch so in unsere Musik und setzen da alle Energie frei.
Six: Unsere Texte sind nicht sehr fröhlich, deswegen ist unsere Musik auch nicht gerade fröhlich.
Ana: Aber mit der Hoffnung auf ein Happy End.

Deswegen auch Kylie Minogue am Schluss?

Six: (lacht) Genau... Wir haben schon viele verschiedene Reaktionen bezüglich der Texte bekommen. Wir haben dieses eine Lied "Arhythmetics", darin tauchen immer weisse Linien von den Straßen auf.
Ana: Es geht da um Ideale, die weit weg sind. Man kann sein ganzes Leben versuchen sie zu erreichen, aber letztendlich tut man es nicht. Und viele Leute kamen zu uns und meinten: "Diese weissen Linien, geht´s da um Heroin?
Six: In dem Lied kommt auch "magic dust" vor...
Ana: Das ist aber mehr so wie von Feen gedacht, wie bei Peter Pan. Wenn man solche Musik macht, dann spricht man oft Dinge an, die viele Leute beschäftigen, weil diese Dinge nicht verschwinden, wie sehr man auch kämpft.. Und damit man sich nicht ewig wiederholt, drückt man Sachen anders aus, damit die Leute auch wieder darüber nachdenken.
Six: Das ist der eine Song, den wir erklären wollten, weil er so oft falsch verstanden wird. Bei den anderen soll sich jeder sein eigenes Bild machen. Sie sind sehr offen für Interpretationen.
Ana: So sollte es sein.

Das ist ja nun anders als bei vielen Hardcorebands, die versuchen, einem etwas beizubringen oder einzutrichtern.

Miyo: Aber viele Bands machen es auf die selbe Art und Weise. Wenn mir Tag für Tag von allen gesagt werden würde, etwas würde ihnen an mir nicht gefallen, dann würde ich ihnen "Fuck Off!" sagen.
Ana: Es ist auch etwas Gegen-den-Strom-schwimmen, weil Leute aus allem immer eine Mode machen, zum Beispiel aus dem ganzen Straight Edge-Ding. Man sollte vor allem auf seine innere Stimme hören und nicht Trends folgen.
Miyo: Man braucht keine Band, die einem sagt, was man machen soll.
Six: Außerdem wurde über vieles, über das wir singen wollen, schon oft gesungen. Deswegen versuchen wir das ganze auf eine andere Ebene zu bringen und singen dann persönliche Texte. Wir haben schon einen Standpunkt, wollen ihn aber niemandem aufdrücken.
Ana: Die Beste Art sich auszutauschen ist sowieso das Gespräch und wenn man nach dem Konzert mit Zuhörern spricht.

Habt ihr deswegen auch den Song von Kylie Minogue gecovert?

Ana: Ja, ich denke er hat einen großartigen Text. Es geht darum, sich gegenseitig zu helfen, egal wieviel verlangt wird. Ausserdem hat es einen indischen Touch, den wir mögen. Einige von uns interessieren sich auch für Buddhismus.

Bis jetzt habt ihr erst eine Single und sechs Lieder auf einer Compilation veröffentlicht...

Six: Bei den Liedern für den Sampler war Ana noch nicht dabei. Vorher hatten wir eine andere Sängerin und mit ihr haben wir die Lieder aufgenommen, nachdem wir nur 3 oder 4 Monate zusammen waren. Ich mag sie nicht mehr besonders, aber wir spielen sie immer noch.
Ana: ...mit anderen Texten.

Ja, das war mir aufgefallen. Warum habt ihr eure kroatischen Texte jetzt ins Englische übersetzt?

Six: Nein, nein, wir haben sie nicht übersetzt, es sind ganz neue.
Miyo: Die alten Lyrics hatte komplett die alte Sängerin geschrieben und es waren ihre persönlichen Texte. Als sie die Band verliess habe ich eine Weile lang gesungen, aber ich konnte nicht so persönlich singen, ich hab´ es nicht so gefühlt.
Ana: Und jetzt fühle ich ihre Gefühle. (lacht) Das ist manchmal etwas anstrengend.

Plant ihr, ein ganzes Album einzuspielen?

Ana: Erstmal wollen wir eine Split-Single mit einer serbischen Band namens UNISON veröffentlichen. Es ist ein schöner Gedanke, als Kroaten mit einer serbischen Band eine Platte zu machen.
Six: Tja und danach... Das Album wird dann posthum veröffentlicht. Wir haben schon einige Lieder und vielleicht nehmen wir sie dann nächsten Frühling als ganzes Album auf.

Gibt´s noch was, das ihr den Leuten da draussen sagen wollt?

Ana: Hmm... Seid nett zueinander. Passt auf beim Überqueren der Strasse. Und glaubt an Feen und "magic dust".
Six: Aber schnieft den "magic dust" nicht!
Miyo: Wenn ihr irgendwo ein Plakat einer Band seht, die ihr nicht kennt und das Konzert billig ist - geht einfach hin! Wenn ihr´s mögt - gut, wenn nicht - auch gut.

OK, dann sag ich mal danke für das Interview...

Sollte das Interview hier zuende sein? Weit gefehlt! ANALENA ergriffen nach ihrem ersten Interview auf Englisch und meinem ersten Interview überhaupt, die Gelegenheit samt meinem Diktiergerät um mich direkt im Anschluss zu befragen - quasi in return. Da es an dieser Stelle nicht um das hochgradig aufregende Leben eines Bremer Studenten geht, sondern um eine bemerkenswerte, junge kroatische Band, stelle ich hier nur noch kurz das in diesem Rahmen Wichtigste zusammen:

Ich bin 23 und ihr?

Miyo: 24
Zet: 28
Ana: 21
Six: 27
Ana: Dann bin ich wohl die Jüngste...

[...]

Miyo: Wir haben zum Teil schon vorher in Bands zusammen gespielt und kannten uns von daher schon.
Ana: Six hat auf Konzerten immer Platten verkauft und ich war immer da, aber habe nie was gekauft.
Six: Ich habe auch Konzerte veranstaltet und sie hat immer versucht umsonst reinzukommen. Einmal ist sie im ersten Stock durch ein Fenster eingestiegen und stand auf einmal im Backstage-Raum...
Ana: Äh... das ist ja auch nicht so wichtig...
Six: Als sie versucht hat, Freunde mit durch das Fenster reinzuschmuggeln, da wurde es auffällig...
Ana: Jeden Tag eine gute Tat...
[...]
[Den längeren quasiakademischen Exkurs über Ohrenstöpsel spare ich uns Mal... ]