M.O.T.O.

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Meister des Banalen

M.O.T.O., MOTO oder ausgeschrieben MASTERS OF THE OBVIOUS existieren sein nunmehr 26 Jahren und sind seit all den Jahren unbestreitbar das Soloprojekt des einzig festen Bandmitgliedes, Sänger und Gitarrist Paul Caporino, der die Band von Chicago aus am Laufen hält. Eine Ego-Angelegenheit, wie er zugibt. Ich lehne mich jetzt einmal so weit aus dem Fenster, ihn mit dem nimmermüden Billy Childisch zu vergleichen - mit den Unterschieden, dass Paul aka M.O.T.O. noch unbekannter ist und nicht gaaanz so viele Songs auf dem Buckel hat wie der andere Meister. Dafür ist Paul bei der Erhaltung seiner Band wesentlich konstanter. Musikalisch beweist auch er eine große Affinität zu trashigem Pop-Punk, wobei die Garage meistens genauso nahe liegt wie der New Wave und der Sixities-Beat.

Mein erstes M.O.T.O.-Album war die 1990er CD "This Corpse Is A Warning", die ich vor ein paar Jahren von einem Freund zum Geburtstag bekam, der sie mir mit den Worten überreichte: "Wie, du kennst die nicht? Das wundert mich, die sind der Hammer!" Ich muss dazu sagen, dass dieser Freund - eher der Freund eines Freundes, meines damaligen Schlagzeugers - im Orchester irgendein Saiten- oder Blasinstrument spielte, Spex-Leser war und eher seichten Indie hörte. Zumindest dachte ich das. Entsprechend groß war meine Verwunderung also, als ich die CD auflegte und sie in kürzester Zeit eine meiner Lieblings-CDs wurde und über die Jahre auch blieb. Allein für den Satz "I hold my guitar just like a penis" in "Sonic torture" liebe ich Paul Caporino! Nie wieder habe ich eine CD besessen, die wirklich alle meine Mitbewohner, wenn sie in der Küche lief, toll fanden. Von "Klingt wie eine Kreuzung aus RAMONES und BEACH BOYS" bis "Besser als die BEATLES" war da alles dabei. Ich werde diesem Freund wohl ewig dankbar sein. Leider wohnt er in München und ich treffe ihn viel zu selten.

Auch der Herausgeber dieses Fanzines musste in seinem Review zu der Compilation-CD "Single File", die die Singles aus der Zeit zwischen 1988 und 1993 vereint, in Ox #60 gestehen: "Da denkt man, man kenne so ziemlich alles in seinem musikalischen Universum, und dann stellt man fest, dass eine Band wie M.O.T.O. aka MASTERS OF THE OBVIOUS zwar schon seit 1981 existiert und unzählige Singles veröffentlicht hat (...), man aber bislang keine einzige davon besaß. Seltsam!" Seltsam ist es in der Tat, dass M.O.T.O so sträflich unbekannt sind. Liegt es vielleicht daran, dass sie erst dreimal in Europa auf Tour waren? 2002, 2004, 2007. Wie bereits 2004 waren auch dieses Jahr in Berlin nur 30 bis 50 Menschen anwesend, um die Meister des Pop-Punk zu feiern. Pauls Eingeständnis dazu klingt sehr prosaisch: "Wir geben uns nicht genug Mühe. Ich bin einfach sehr faul. Aber es wird besser, wir versuchen es."

Ein weiterer Grund, warum M.O.T.O hierzulande so unbekannt sind, könnte sein, dass bis 1999 fast alle Veröffentlichungen, mit Ausnahme von "This Corpse ..." und der "Bolt"-LP (ein 1996-Rerelease eines Tapes von 1986) und den besagten Singles, auf Kassette erschienen sind. Kassetten, die Paul in Eigenregie zu Hause aufnahm und von dort aus vertrieb. Kassetten, die Paul nicht etwas aus Abneigung oder gar Verachtung gegenüber Vinyl oder - was ja verständlich wäre - CDs aufnahm, sondern, weil ihn nach eigener Aussage kein Label haben wollte, und weil er aus der "Kassetten-Generation" stammt. Kassetten, die oftmals nur von Paul alleine bespielt sind und mit einem Vierspurgerät aufgenommen, freilich mit Begleitung seines Drumcomputers, den er nicht etwa deshalb Dr. Mac nennt, weil er über die Jahre eine innige Beziehung zu diesem Gerät entwickelt hätte, sondern aus dem banalen Grund, weil die Maschine halt so heißt. Kassetten, die in Ermangelung dieses Mediums mittlerweile und glücklicherweise nach und nach auf Vinyl rereleaset werden, so zum Beispiel das erste Tape von 1985, "Turn Your Head And Cough", das auf der diesjährigen M.O.T.O.-Tour in einer limitierten Auflage von 300 erhältlich war, und das Paul bereits in seiner Anfangszeit in seiner ganzen Größe präsentiert: Songs, die einfacher und magischer nicht sein könnten. "Songs müssen einfach sein, sie müssen einfach zu spielen sein. Komplizierte Songs sind meistens nicht gut." Die RAMONES-Idee halt. Und dass die RAMONES neben den KINKS zu den großen Idolen Pauls gehören, ist unschwer zu erkennen.

Die Songs sind nicht nur simpel gestrickt, sie sind auch witzig und behandeln wichtige Themen, zum Beispiel Sex. "Sex ist ein großes Thema im Leben. Ich wurde katholisch erzogen. Der Katholizismus ist sehr repressiv. Wenn du den Leuten etwas verbietest, wollen sie es nur noch mehr." Banale Aussagen über banale Tatsachen. Und könnte der eine oder die andere M.O.T.O. womöglich bösartiger Weise unterstellen, sie seien unpolitisch und sexistisch, kann man darauf wie JeNny Kracht - die mir dankenswerter Weise bei den Fragen half, nachdem Paul bei dem angedachten Interview in Köln leider keine Stimme mehr hatte - nur sagen, "dass die Songs einfach totalen Spaß machen." Klar drehen sich Songtitel und Texte wie "Crystalize my penis", "I like fucking, baby" und "I just had sex and I'm walking down the street, oh the chicks can tell." nur um das Eine, aber schließlich ist Sex ja auch ein großes Thema im Leben. Und dass Paul viele seiner Songs auf dem Klo schreibt, ist in der Tat nur ein Gerücht: "Ich hatte vielleicht die Ideen für ein oder zwei Songs auf dem Klo."

Nachdem Paul zusammen mit der Schlagzeugerin Beck Dudley M.O.T.O. in den Jahren 1988 bis 1993 als Duo betrieb, hat die Band in den letzten Jahren zu einer erstaunlichen Konstanz gefunden: Bassist Dennis Spaag ist nun schon seit dreizehn Jahren in der Band und damit neben Paul das längste M.O.T.O.-Mitglied ever. Alleine die Nennung der ehemaligen M.O.T.O.-Mitglieder würde diese Artikel sprengen, wenn es für den hohen Verschleiß auch keinen besonderen Grund gibt, wie Paul meint. "Es hat lange gedauert, aber mittlerweile versuchen wir Platten zu machen, wie alle anderen auch." Und mit Criminal IQ hat die Band auch ein in Chicago ansässiges Label gefunden, das die letzten beiden Studioalben "Kill M.O.T.O.!"(2002) und "Raw Power"(2005) veröffentlicht hat und auf dem auch das neue Album, das im November aufgenommen wird, erscheinen soll. Nicht zu vergessen die Singles, von denen Paul beinahe zwei jährlich raushaut, so dass es bereits an der Zeit für eine neue "Single File"-CD wäre. Von wegen "lazy person"! Und dann folgt hoffentlich 2008 wieder eine Tour durch Europa, und wer da nicht da ist, dem oder der klau ich alle seine oder ihre RAMONES-Platten!