PAPST PEST

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An der Bierfront

Von Frank hörte ich das erste Mal von meiner Freundin, die ihn bei der Wiedereröffnung des Aachener AZs gesehen hatte und geschockt war von dem fiesen Typen, der sich bei seiner Performance eine elektrische Zahnbürste in den Arsch gesteckt hat, um sich danach damit die Zähne zu putzen und Lebkuchenherzen vom Boden zu essen. Komischer Typ, dachte ich mir und besuchte ab und zu mal eine seine Partys im "Hauptquartier". Irgendwann wollte ich dann mal zusammen mit ihm auflegen und bei einer Party merkten wir, dass wir musikalisch auf einer Wellenlänge liegen. Seitdem bilden wir die Aachener DJ-Guerilla, die in den Krieg gegen Indie-Vietnam zieht, um mit Niveau und Augenzwinkern gegen die musikalische Gleichschaltung zu kämpfen. Dass hinter Papst Pest, der seit 1981 das Bierfront-Fanzine herausgibt, aber auch ein subversiver Underground-Superstar steckt, der seit Jahren im harten Performance-Business herumcruist, lest ihr ab genau jetzt.



Da dich ja nicht jeder kennen wird, müsstest du dich mal bitte vorstellen.


Mein Name ist Frank, aber ich bin besser bekannt als Papst Pest. Ich bin inzwischen 41 Jahre alt und immer noch am Leben und letztendlich Performance-Künstler, DJ und Berufsverrückter. Ich lebe davon, und das Ganze fing schon 1978 sehr früh an, als ich mit 12 meine erste Punkband hatte, die PROSTATA KIDS. Die waren zwar nie außerhalb Aachens oder dem deutsch-belgischen Grenzgebiet bekannt, aber es war sehr lustig und vor allem skandalös. Wir hatten bereits für unser zweites Konzert in einem Jugendzentrum unter einer Kirche, Poster mit dem Aufruf "Fahrt schwarz" und der Pfarrer kam nachher runter, da wir die Kirche gestürmt hatten und ich ihn mit blutigen Tampons beworfen ... Dafür bekam ich schon mal Ausschluss vom Religionsunterricht. So fing es halt an.



Woher kam denn deine frühe Begeisterung für Punk?

Bedingt durch meine Eltern komme ich aus der Kunstecke. Mein Input war hauptsächlich Avantgardekunst und zu der Zeit tat sich da auch viel. Meine Mutter ist Holländerin und die Grenzlage Aachens hat auch dazu beigetragen, da das Punkrock-Ding dort viel früher passierte als im Rest von Deutschland, aber auch in der Wave- und Kunstszene gab es schon viele Leute, die was gemacht haben. Viele waren in England oder kamen daher. Joe Strummer zum Beispiel war auch mal Kunststudent und viele Leute aus der Ecke kamen von Kunstschulen, was dieses "Punk kommt von der Straße"-Ding ja entkräftet.



Für dich war das damals aber doch sicher nichts Intellektuelles ...

Nein, für mich passierte einfach etwas Neues und man wollte sich abgrenzen. Die lahmarschigen Hippies, die vielleicht in den 60ern mal voller Energie waren, waren 1977 ja völlig durch, total öde und einfach stehen geblieben. Das ist aber heutzutage bei einigen Leuten in der Punkrock-Ecke genauso. Das Ganze wiederholt sich halt in vielen Bewegungen. Punks sind die Hippies von heute. Zwar nicht alle, denn es gibt immer noch ein paar Leute, die gute Sachen machen, aber es werden immer weniger und es sind schon viele aus der Szene von früher, also Mitte der 80er, abgekackt.



Wie stehst du heute zu Punk?

Ich finde es immer noch cool, sonst würde ich ja nicht immer noch Punkrock auflegen und machen. Es ist halt noch die Lebenseinstellung, von wegen "Mach dein eigenes Ding"... Das kann man jetzt in jedem dritten Interview nachlesen, stimmt aber auch.



Wie kam es zu den PROSTATA KIDS?

Durch die Schule. Es gab dort eine ältere Band, welche schon relativ krachig war und Straßenrock gemacht hat. Die haben total schlechte Stones-Coverversionen gespielt, waren aber recht wild. Die Band bestand aus drei Dealern, die aus dem Iran kamen und die haben dauerbreit total laute Rockmusik gemacht. Zwei oder drei Punksongs haben sie auch gecovert, da sie mal in England waren und das kam halt cool rüber. Da dachten wir uns: "Das können wir auch. Lass uns auch eine Band machen." Wir wollten noch einen Tick wilder und bekloppter sein. Dieses Rock-Ding war dann irgendwann auch ziemlich ausgelutscht und wir haben dann direkt angefangen, mit anderen Sachen rumzuexperimentieren, und das zieht sich auch bis heute bei mir durch, wie zum Beispiel andere Musikinstrumente bauen, Performance-Elemente in die Shows einbauen, anders provozieren oder halt ganz andere Konzerte entwickeln ...



Zerstören ...

Haha, ja. "Search & Destroy", das alte Ding klappt halt immer. Kann man mit allem Möglichen machen. Man kann auch dezenter provozieren. Es muss nicht immer dieses total zerstörerische Element sein, denn irgendwann war der Punkt, an dem sehr viel gesagt und getan wurde, schon erreicht. Mittlerweile kann man das aber wieder machen, da die Leute so langweilig und von den Medien kommerzialisiert und abgestumpft worden sind, dass man auf einer subtilen Ebene wieder schocken kann.



Aber es gibt doch noch kaum Tabus, oder?

Das nicht, aber man kann auch das Gegenteil einsetzen. Wir haben mal eine Performance gemacht, welche "Der Tag, an dem nichts passierte" hieß. Wir haben Eintritt genommen und es kamen auch zig Leute, hauptsächlich Punks und Intellektuelle, die eine totale Schock-Performance erwartet haben und das Einzige, was es zu sehen gab, war ein Film, der mit einer Standkamera aus einem Haus heraus gefilmt wurde, wo wirklich nichts passierte. Es gab auch keine Musik, sondern wir haben nur Straßengeräusche und normales Gelaber aufgelegt. Die Leute sind stinksauer geworden und wollten ihr Geld zurück haben. So kann man dann auch provozieren, wobei das aber auch auf die Location und die Leute, mit denen man arbeitet, ankommt.



Warum provozierst du denn gerne und spielst nicht brav in einer Band und freust dich, wenn Leute euch sehen wollen, beziehungsweise lieferst eine nette Performance ab und kassierst Applaus?

Man stößt die Leute ja nicht immer vor den Kopf, aber es ist letztendlich so, dass man damit mehr erreichen oder bewegen kann. Über die ganzen Jahre hab ich die Erfahrung gemacht, dass die Leute, egal ob es etwas Positives oder Negatives war, immer etwas mit nach Hause nehmen und man dadurch auch bekannter wird, als wenn man einfach nur einen Song hört. Viele schreiben mir auch Monate später, weil etwas hängen geblieben ist und sie sich noch damit beschäftigt haben. Obwohl ein Song stark rüberkommen kann, kommt das Visuelle immer etwas stärker.



Also hast du Angst vor dem Vergessenwerden?

Nein, es geht viel mehr um meine Arbeit und nicht um die Person, die vergessen werden kann. Sich immer wieder neu erfinden und Spaß dabei zu haben, ist mir wichtig. Alles andere wäre für mich langweilig.



Deine Performances wirken auf dem ersten Blick ja sehr trashig, allerdings steckt doch mehr Sinn dahinter als eine reine Freakshow, oder?

Es kommt halt darauf an, wie man Sinn definiert. Da könnte man als Form auch Dadaismus nehmen, wo es eben keinen Sinn haben muss, was dann aber doch wieder Sinn ergibt. Gerade bei meinen Performances gibt es insofern einen roten Faden, da ich meist auf die jeweiligen Kulturen eingehe. Interessant ist auch das Aufeinandertreffen von Kulturen und vor allem, wenn sie darauf nicht klarkommen. Das den Leuten vorzuhalten, ist teilweise ähnlich. Es gibt Sachen, die wirken in anderen Kulturkreisen halt sehr verstörend. Während es hier schräg kommt, das ich zum Beispiel Gläser esse, so ist das woanders, wie in Ägypten, teilweise ganz normal. Da machen das viele, denn es gehört zum Standardrepertoire jedes ansässigen Straßenkünstlers. Woanders schocken unter anderem religiöse Themen viel mehr.



Wie kann ich mir denn den Schritt vom Punk zum DJ auf Ibiza vorstellen?

Ich muss noch mal sagen, dass ich ja nicht "nur" Punk, sondern auch Künstler war, der gemalt und Skulpturen gemacht hat. Der Weg zum Auflegen ist wirklich sehr lang gewesen. Das ist erst in den letzten Jahren entstanden. Durch den Punk hab ich gelernt, offen für alles zu sein. Ich muss ja nicht schlechten Kram auflegen, sondern kann auch chilliges Zeugs auflegen. Musikalisch habe ich ein sehr weites Spektrum und habe mir auch damals schon alles recht offen gehalten. Damals habe ich auch noch Jazz oder elektronische Sachen gehört, da mein Vater sehr früh elektronische Kunst gemacht hat. Mit den ganzen Synthesizern, die heute als Retro-Chic gelten, habe ich damals schon Musik gemacht und rumexperimentiert. Irgendwann kann man dann auch mal in Ibiza landen. Das ist dort ein Ökologieprojekt, wo DJs auflegen und das Ganze sehr alternativ abläuft. Es gibt sonntags zum Beispiel immer vegetarische Küche und so weiter. Es gibt da schickes Trend-Publikum wie Models und Manager, die dann die Musik hören wollen, und die werden dann aber auch dem Projekt nahe gebracht. Es ist halt ein anderes Konzept und es interessiert mich einfach, Sachen zu bewegen und etwas rumzuspielen.



Du bist ja generell oft weltweit unterwegs und auch in manchen Ländern etwas bekannter. In deiner Heimatstadt Aachen läuft das aber irgendwie anders: Hier bist du für viele ja der Typ, der komische Partys macht und Glühbirnen isst. Nervt das oder ist Aachen eher dein Ruhepol?



Es ist wirklich eher mein Ruhepol, denn ich bin zum Beispiel mehr in Spanien als in Aachen. Da fragt man sich schon, wo man eigentlich lebt. In Madrid habe ich sogar mehr Freunde als hier und dort geht auch definitiv eine ganze Menge mehr. Ich komme halt von hier und es passiert auch noch was, allerdings war Aachen mal eine ganze Spur spannender, alleine weil es eine Grenzstadt ist. Es gibt immer noch krasse Sachen wie das Hauptquartier, welches in einer Strasse ist mit Schwulenbars, Straßenstrich, Drogenumschlagsplatz und afghanischen Lebensmittelhändlern, direkt neben der jüdischen Synagoge. Ich mag es hier, auch wenn es weniger geworden ist. Was die Leute von mir denken, ist mir da ziemlich egal ... die Arroganz leiste ich mir da einfach. Ich mache hier ja viele Motto-Partys und diese werden dann oft in andere Städte oder Länder exportiert. Man könnte böse sagen, was in Aachen ein bisschen funktioniert, läuft woanders auf jeden Fall sehr gut, haha. Gerade im Hauptquartier ist oft sehr lustiges Publikum.



Hier machst du ja kleinere Sachen, allerdings arbeitest du mit "Szenegrößen" zusammen oder gestaltest ganz andere Events.

Das schon. Ich kenne ja auch noch viele Leute aus der Kunstszene, die ganz anders funktioniert. Ich hab zum Beispiel schon Sachen zusammen mit Lydia Lunch gemacht, bin öfter auf dem Dynamo Open Air aufgetreten, was in Holland damals noch sehr groß war oder war in Valencia oder in Russland auf einem Indoor-Festival vor 40.000 Leuten. Das sind Sachen, die sehr spannend für mich sind. Egal, ob klein oder groß, es muss halt irgendwie kicken.



Was ist deine besondere Verbindung zu Berlin?

In Berlin läuft viel über Jacho, früher TERRORGRUPPE; heute BOTTROPS, den ich schon ewig und drei Tage kenne. Lustigerweise sind wir seit dem BAD BRAINS-Konzert in Eindhoven befreundet und haben immer lose Kontakt gehalten. Über das Bierfront-Fanzine, was ich mache, hat man dann natürlich auch noch einige Kontakte. Es gibt halt Geschichten wie zum Beispiel, dass DIE ÄRZTE früher in Aachen immer ihren Bass gekauft haben, alleine weil ihr damaliger Produzent von hier kam. So entstehen halt Kontakte, wie auch zu Booking- und Promoagenturen.



Stichwort: Bierfront. Obwohl viele denken, dass das Trust das älteste aktive Fanzine in Deutschland ist, ist es aber dein Fanzine.

Das ist richtig. Eigentlich ist die erste Ausgabe, die ich aber wegen der geringen Auflagenzahl nicht richtig dazuzähle, von 1981. Die war noch in A5-Format und inzwischen sind wir bei A3, also schön unhandlich. Das Heft war auch Mitte der 80er Jahre mal richtig groß. Zu der Zeit haben wir sehr viele Ausgaben gemacht und waren überall sehr gut vertreten. Danach wurde es dann etwas ruhiger, da ich einfach nicht mehr so viel Zeit hatte und mich einfach um meinen eigenen Scheiß kümmern musste. Von einem Fanzine zu leben, ist nun mal schwierig. Es kommt auch darauf an, was man unter Fanzine versteht. Es ist eine Definitionsfrage, wobei ich Bierfront immer noch als reines Fanzine sehe, also in der absoluten Ursprungsform. Es ist jetzt uralt und hat einfach noch diesen Spirit. Wir haben uns auch immer einen Scheiß darum geschert, welche Themen da jetzt auftauchen. Einige Leute haben das gekauft, obwohl sie die Bands darin gar nicht kannten oder gar nichts mit Punkrock zu tun hatten, weil sie es einfach total lustig fanden. Die haben das eher wie ein Comic gelesen und das macht mir halt auch Spaß.



Ihr habt also einen gewissen Stand, obwohl euch auch nicht jeder kennt.

Uns kennen schon viele und es kommen ja auch immer neue Leute dazu. Wie bei den Shows erfinden wir uns immer wieder neu. Es ist aber klar, dass Leute in meinem Alter nicht immer unbedingt Bierfront lesen wollen, obwohl es die durchaus gibt. Die Leserschaft wächst schon nach und es ist echt unglaublich, wie gut das gerade wieder läuft. In der Plastic Bomb gab es vor kurzem eine Diskussion, ob Fanzines noch wichtig sind, und ich denke schon, dass noch Vieles gelesen wird. Vielleicht sogar mehr als im Internet, denn auf dem Scheißhaus, irgendwo bei Freunden, oder wenn man einfach Zeit hat, wird viel gelesen. Ich lese auch noch viele Fanzines. Man muss sehen, dass die Dinger vielleicht nicht so stark gekauft werden, aber sie haben zum Teil einen immensen Standard, was das Erreichen der Szeneleute angeht.



Wie machst du das in deinem Alter mit dem Fitbleiben? Ich meine, wir haben gestern zusammen aufgelegt und ich bin jetzt noch lädiert vom Abend ...

Ich bin halt ein harter Charakter, haha. Manchmal habe ich echt krasse Bookings. Dieses Jahr hat in Aachen zum Beispiel die Surfband MARVELOUS TWANGS gespielt, wo ich die Aftershow-Party geschmissen habe. Da habe ich bis drei Uhr nachts aufgelegt und bin dann ziemlich platt und breit zum Flughafen im belgischen Liège gefahren worden, dann nach Spanien geflogen, wo ich dann direkt am Surfstrand weiter aufgelegt habe. Das mache ich gerne, da man da dieses "Beam me up, Scotty!"-Feeling hat. Vieles ist einfach Gewohnheit und eine innere Energie, die ich habe. Ich komme mit wenig Schlaf aus. Disziplin und Straightness sind auch sehr wichtig.


Hm, Jetlags, Alkohol und Drogen ... bricht man da nicht irgendwann zusammen?

Haha, ab und zu kann das vorkommen, aber man steht auch wieder auf. Man wundert sich zwar, wie und warum man wieder aufsteht, aber es geht. Es gibt auch so kleine Geheimnisse, die dann aber eher in meinen Kochkünsten liegen. Wenn man gerne scharf isst, dann helfen einem immer die Gerichte aus der Thai-Küche. Man hat bei Drogen und Alkohol ja einen ungeheuren Mineralienverlust und da hilft auch kein Mineralwasser mehr. Da braucht man einfach sehr scharfe Tum Yam-Suppen mit vielen Kräutern drinnen, da dort viele Mineralien und Aufbaustoffe enthalten sind. Ist besser und gesünder als Energy-Drinks und bei mir auch immer vorhanden.



Wie oft hast du dich gefragt, ob dein Leben noch lange gut geht?

Das ist ja eher ein Denken in den nördlicheren Ländern wie Deutschland oder Holland. Ehrlich gesagt, habe ich da eher meine Latino-Einstellung. In Spanien lebt man eher in den Tag rein und macht sich keine Gedanken, was danach kommt. Das mache ich auch nicht, denn was soll schon passieren? Mit einem EU-Pass hat man eh schon so gut wie im Lotto gewonnen. Man kann darüber denken, wie man will, aber selbst den Ärmsten der Armen geht es hier noch relativ gut, wenn sie einen einigermaßen klaren Kopf und nicht das harte soziale Schicksal von irgendwelchen Deppenfamilien haben. Ich kümmere mich um mich selbst, und wenn ich irgendwann mal eingeliefert werden sollte, dann kann ich mich immer noch total abschießen. Es sei denn ich sitze als Querschnittsgelähmter mit nur einem Auge und Tastenberührmaschine irgendwo in einem Krankenhaus, dann hätte ich aber sehr viel Pech gehabt, wovon ich nicht ausgehe. Was soll kommen? Ich arbeite sehr gerne und irgendwas kann man ja immer machen. Meine innere Energie treibt mich an, und wenn ich mal keine Partys mehr machen kann, dann male ich halt mehr Bilder oder mache was anderes.



Was treibt dich so an? Du bist ja quasi nur unterwegs.

So ist das jetzt auch nicht ganz, denn ich liege auch schon mal gerne am Strand und tue nichts. Ruhige Phasen zum Erholen sind natürlich auch drin. Danach mache ich aber direkt wieder was, wie Schreiben. Es ist einfach Kreativität da, da ich sehr viel Input habe.



Deine langjährige Freundin ist ja Lehrerin und kann da zeitlich nicht so mitziehen. Da braucht sie mit dir doch sicher viel Geduld, oder?

Geduld schon und man muss Kompromisse finden. Sie ist aber auch sehr gerne aktiv und ist oft dabei ... gerade wenn es in die schöneren Ecken der Welt geht. Was das angeht, hat sie aber auch eine Menge Energie. Der Background, den wir über die lange Zeit haben, ist da auch entscheidend.



Reden wir mal über dein Publikum: Du trittst mal vor den letzten Punkern auf und dann mal wieder vor Hochoffiziellen, die mit der Limousine vorfahren. Legst du deine Auftritte trotzdem immer gleich an?

Da spielen halt viele Faktoren eine Rolle. Natürlich plane ich immer etwas vor, aber Performance ist ja frei und kein einstudiertes Theater, wo man festgefahren ist. Performance ist eine Sache, die einem viel mehr Raum lässt und damit kann man dann zum Beispiel viel mehr auf die Location oder die Stimmung eingehen. Man könnte schon klischeemäßig rangehen und sagen: Okay, hier ist das autonome Jugendzentrums- und Punk-Publikum und da ist das Theater- und intellektuelle Kunstpublikum. Ich würde das aber gar nicht so sehen, denn es gibt ja verschiedene Leute aus allen Bereichen, die in diesen Locations auftauchen. Letztendlich zählt, was man mit diesem Publikum macht, und dass man auch Kontakt zu ihm hält. Das Publikum wird bei mir ja auch viel einbezogen und da sieht man dann auch immer die Ähnlichkeiten. Du hast Leute, die mitmachen, Leute, die nur zuschauen wollen und welche, die es richtig Scheiße finden und gar nicht wissen, warum sie überhaupt da sind. Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede, wenn ich zum Beispiel in Venezuela unterwegs bin und dann vor Offiziellen spiele, dann ist das eine ganz andere Schiene, was den Begeisterungsgrad und die Reaktionen angeht. In Deutschland sind die Leute viel zurückhaltender. In Latino-Ländern sind sie viel eher mit Kommentaren dabei und sind eher zum Mitmachen zu bewegen.



Du veranstaltest ja ab und zu auch selber Festivals ...

Ja, aber nur ab und zu, wobei da das größte Festival in Basel war. Das hieß "Festival of Confusion", ging zwei Wochen und das Thema war "Verwirrung". Es waren 25 Künstler aus ganz Europa eingeladen und das war echt ein Haufen Freaks, was wir irgendwie immer waren, und da waren echt ganz schön verrückte Leute dabei. Einer hat zum Beispiel 300 Quadratmeter Kunstrasen aus Holland mit dem Lkw angeschleppt. An der Schweizer Grenze gab es dann riesige Probleme deswegen. Das Projekt hieß aus Verarsche "Holländisches Gras" und hat nachher auch ganz schön gestunken. Ein Künstler hatte ein zwei Meter hohes Sofa mit Sprungfedern mitgebracht und jeder, der sich setzen wollte, flog auf die Fresse. Nachher hat sich einer in einem russischen Puff noch als männliche Hure angeboten und Ärger mit den Bodyguards bekommen, die das Ganze nicht so lustig fanden, hahaha. Das Ganze war sehr lustig, aber auch anstrengend und das leiste ich mir höchstens mal alle zehn Jahre.



Danke für das Interview. War noch was?

Ich will noch sagen, dass ich, obwohl ich mit drei Bookern zusammenarbeite, auch noch viel D.I.Y.-Kram mache, und wenn jemand Interesse an einer guten Party oder Performance hat, mich gerne reich machen darf.