YACØPSÆ

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Hamburgs Speedgrind-Krautviolence-Champions

Seit 1990 ballert sich die Drei-Mann-Formation aus Hamburg mit brachialem Ungestüm bei unbeschreiblicher Geschwindigkeit durch den Untergrund. Sie ziehen seit jeher - unbeeindruckt von jeweils aktuellen Trends - kompromisslos ihr Ding durch. Und sie haben einiges zu sagen, wie das folgende Interview mit Gitarrist/Sänger Stoffel beweist.



Was tut sich aktuell im YACØPSÆ-Lager?

Gegenwärtig sind wir eifrig dabei, neue Brachial-Eruptionen für ein weiteres Album zu kreieren. Nachdem die aktuelle LP "Tanz, Grosny, tanz ..." für unsere Verhältnisse fast schon zu abwechslungsreich ausgefallen ist, haben wir beschlossen, bei den kommenden Stücken alles Überflüssige wegzulassen und wieder mehr in die Richtung der "Einstweilige Vernichtung"-Platte zu gehen. Allerdings wird das neue Album mit Sicherheit etwas schneller und hektischer ausfallen. Abwarten. Manch einer mag in diesem Zusammenhang von Stagnation sprechen, wir bezeichnen es lieber als Konsequenz!



Und was macht der Hamburger Untergrund?

In der Hamburger Szene haben wir eher eine Zaungastposition inne. Für uns ist es generell nicht wichtig, Teil eines wie auch immer gearteten Konglomerats zu sein und von einem artifiziellen Zusammengehörigkeitsgefühl, welches auf Verhaltensnormen und ähnliche Zwänge baut, zu zehren. Darüber hinaus leben wir recht isoliert im östlichsten Teil Hamburgs und bekommen so von Haus aus weniger mit, wie sich der Hamburger Untergrund entwickelt. Nichtsdestotrotz darf ich meine ausdrückliche Empfehlung für die beiden Hamburger Bands X-BLENDER und SCHRANKAFFE aussprechen, die mich ums eine oder andere Mal angenehm an BÄRCHEN UND DIE MILCHBUBIS oder HANS-A-PLAST erinnern. Darüber hinaus kann ich THE GENTLE ART OF CHOKIN' und INSTINCT OF SURVIVAL der Leserschaft ans Herz legen. Erstere wären stilistisch wunderbar bei Slap-A-Ham, Deep Six, 625 oder Six Weeks aufgehoben; Letztere führen in authentischer Weise den Spirit von alten BOLT THROWER, AMEBIX, HELLBASTARD, AXEGRINDER und DEVIATED INSTINCT weiter. Apropos: man mag es sich kaum vorstellen, geschweige denn unserem Sound unmittelbar anhören, aber diverse ältere Hamburger Bands wie z.B. RAZZIA, MONDIAL, HERMANN'S ORGIE, BUTTOCKS, ASCHE DER ROSEN oder BOIKOTTZ hatten einen starken Einfluss auf unser Schaffen!



Ihr seid mittlerweile seit mehr als 15 Jahren in Sachen Hardcore/Punk unterwegs. Was treibt euch noch nach all den Jahren noch immer an?

Ja, wir sind seit August 1990 aktiv. In den frühen 80ern traten wir, wie wahrscheinlich die meisten von euch, lediglich als harmlose Konsumenten im Kidpunk-Outfit in Erscheinung und machten ab 85/86 in diversen Punk-/Noise-Bands erste unbeholfene Gehversuche, die aber eher eine belustigende "Ich entdecke mein Instrument"-Qualität innehatten. Von Antrieb kann in diesem Kontext keine Rede sein, denn wir sehen uns weder als Märtyrer für oder gegen eine "wichtige" Sache, noch sind wir Fahnen schwingend für einen erlesenen Kreis wie beispielsweise Punk/HC unterwegs. Es ist vielmehr die enge Freundschaft untereinander, die uns inspiriert, aktiv zu sein. Darüber hinaus ist die unbeschwerte Lust am Geräusch eine wunderbare Methode, lyrisch all die Dinge, die einen bewegen, komprimiert zu transportieren und sich mittels dieser Geballtheit zu erbauen.



Im Song "Mikrokosmos" thematisiert ihr den Verhaltenskodex in der HC/Punk-Szene, stellt ihr die ideologische Verkrustung in Frage, die eher ein komplexes System aus Tabus und Regeln etabliert hat als wirkliche Freiheiten. Wie wichtig ist euch denn diese ganze labile HC/Punk-Konstrukt trotzdem noch? Besteht denn ein Unterschied zu all den anderen Toten?

Wir fühlen uns dem fragilen Leichnam namens "Punk" noch insofern verbunden, als dass wir in frühester Jugend ganz entscheidend von ihm geprägt und sozialisiert wurden. Allerdings sollte für jeden zugunsten dieser "Kultur" irgendwann auch eine persönliche Abspaltung von - ich nenne es mal - konservativen Werten, die jede Bewegung zwangsläufig mit sich bringt, eine individuelle Weiterentwicklung folgen. Anderenfalls bekommt es meines Erachtens nur eine anachronistische Qualität, die der Ursprungsidee zuwiderläuft. Mal ehrlich, nostalgische, konsumorientierte Retro-Spektakel wie beispielsweise Punk & Disorderly oder Veranstaltungen wie Punk am Ring, Force Attack und wie sie alle heißen, sind Realsatire pur und unterscheiden sich nicht im Geringsten vom archaischen, hedonistischen Charakter des Wacken-Festivals. "Punk" ist heutzutage in vielfacher Form außerordentlich gesellschaftsfähig. Wenn ich mir parallel dazu den alten BLITZKRIEG-Klassiker "Frisch aus England" ins Gedächtnis rufe, dann sehe ich einmal mehr keinen Unterschied zu den stoischen Alltagsleichen, gegen die so gerne aufbegehrt wird.



Eure Texte sind sehr kompromisslos und angreifend, eure Meinungen zu verschieden Themen werden sehr direkt zum Ausdruck gebracht. Seht ihr das einfach als Ausdruck der sich in euch angestauten Wut gegenüber bestimmten Dingen oder tatsächlich als Versuch, über die Kombination aus verbal und musikalisch kommunizierten Inhalten, direkt Veränderung beim Rezipienten zu erreichen?

Ich empfinde unsere Inhalte nicht ausschließlich als kompromisslos oder zwingend angreifend. Manches Mal wünschte ich mir im Nachhinein sogar fast, ich hätte dem einen oder anderen Text eine Prise mehr Nihilismus beigefügt oder meine misanthropische Seite besäße eine größere Tragweite, um den zu Papier gebrachten Gedanken mehr Gewicht zu verleihen. Aber letzten Endes hängt es eben von der jeweiligen Thematik und meiner emotionalen Verfassung ab. Im übrigen denke ich, dass aggressive Prosa nicht automatisch mit brachialen Klängen einhergehen muss, geschweige denn den Anspruch vertreten sollte, eine direkte Veränderung herbeizuführen. Sie kann auch - losgelöst vom musikalischen Gerüst - für sich alleine stehen und eine nicht minder intensive Durchschlagskraft entwickeln. Davon abgesehen, verstehen wir unsere Texte eher als Kommentare zu bestimmten Dingen, die aus einer ganz persönlichen Sichtweise resultieren und frei von jeglicher Absolutheit sind, was "Wahrheit" oder Veränderungsansprüche betrifft.



Ihr bewegt euch ja eher in einem musikalischen Biotop. Läuft man da nicht Gefahr, nur jenen Leuten von der Scheiße in der Welt zu erzählen, die es sowieso schon wissen?

Das hängt vom individuellen Anspruch ab. Ich denke, ich wäre schnell frustriert und desillusioniert, wenn ich die Intention hätte, die Besucher unserer Konzerte zu bekehren beziehungsweise die Welt im Gesamtbild zu verändern. Wie auch, und wo sollst du anfangen? Letzten Endes sind die Unterschiede zwischen der Punk-Szene und dem Teil der Gesellschaft, von dem diese sich abgrenzen möchte, bestenfalls marginal. Auch hier werden subtile Faschismen produziert, finden Hexenverfolgungen statt, gilt das "Brot und Spiele"-Prinzip. Grundsätzlich sind wir an einer persönlichen Entfaltung des Individuums interessiert. Da ist es nicht von Belang, welcher elitären Subkultur du angehörst. Der Startpunkt liegt ausschließlich bei dir selbst und das nächste erreichbare Level wäre dein direktes Umfeld, auf das du eventuell einwirken könntest. Von daher macht es wenig Unterschied, ob du nun als Musiker oder als Müßiggänger aktiv bist.