ALL TIME LOW

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Partys und Mädchen

ALL TIME LOW sind in Amerika the „next big thing“, zumindest sind sie eine von vielen Bands aus dem Post-Emo/Pop-Punk-Bereich, die sich mit diesem Titel schmücken dürfen. Das Presseinfo spricht von 250.000 verkauften Tonträgern in zwei Monaten – das neue Album „Nothing Personal“ ist soeben releaset worden – und eine Reihe von ausverkauften Touren und Auftritten bei Conan O’Brien und anderen TV-Shows bestätigen diesen Erfolg.

Das erste Mal von ALL TIME LOW gehört habe ich bereits vor mehreren Jahren, als ein Freund von mir deren Debüt-EP „Put Up Or Shut Up“ in Japan veröffentlichte und mir diese mit den Worten: „Hier, so was hörst du doch, oder?“ feierlich überreichte. Und ja, ich muss zugeben, dass die Band es mir von Anfang an angetan hatte, waren doch die zu der Zeit besten Pop-Punker THE STARTING LINE im Begriff sich aufzulösen, und ALL TIME LOW schienen, vor allem mit dem Release ihrer ersten Full-Length „So Wrong, It’s Right“ bereit zu sein, diese Lücke zu füllen. Das Album strotzte nur so vor jugendlicher Energie, großen Gefühlen und vor allem Spaß, so dass selbst Bands dieses Genres weniger zugeneigte Zeitgenossen zugeben mussten, hier etwas verdammt Gutes vor sich zu haben.

Sprung ins Jahr 2009. ALL TIME LOWs zweites Album, „Nothing Personal“ ist erschienen und die Band dazu auf großer Promotour. Erst hatte ich das Vergnügen, eine Karte für die bereits seit Wochen ausverkaufte Show in Shibuya, Tokio zu ergattern, bei der die beste Hardcore-Band der letzten Jahre, SET YOUR GOALS, den Support gab. Wo ich inmitten kreischender 16-jähriger Mädchen, die während des ganzen Konzertes den Platz vor der Stage blockierten, um später ihrem Idol Alex Gaskarth, Sänger und Gitarrist von ATL, bei deren Auftritt so nah wie möglich zu sein, aber seltsam deplatziert wirkte und mir so langsam klar wurde, dass ich es hier mit einer Band zu tun hatte, die noch um Längen größer war, als ich das bis dahin vermutet hatte. Was sich dann mehrere Monate später im ebenfalls restlos ausverkauften Kölner Luxor auf extreme Weise bestätigen sollte, denn nicht nur war ich ungefähr doppelt so alt wie gut 90 Prozent des anwesenden Publikums, nein, ich war auch der einzige Interviewer, der von einer auch nur irgendwie im Punk/HC verwurzelten Zeitschrift kam. Der Rest machte Foto- und Videoshootings für Bravo-TV-ähnliche Publikationen, so dass mir für das Interview dann nur wenige Minuten zur Verfügung standen – was allerdings auch gar nicht weiter schlimm war, da Mr Gaskarth meine Fragen zwar durchaus höflich, aber eben auch eher kurz und oberflächlich beantwortete. Kurz danach mussten ALL TIME LOW auf die Bühne und lieferten einen routinierten und trotzdem energetischen Auftritt ab, der, zugegebenermaßen – trotz eines Publikums, das zum Großteil von seinen im Vorraum wartenden Eltern hierher eskortiert worden war, und einer Band, die sich für keinen Witz über ihre Genitalien zu Schade war – irgendwie Spaß gemacht hat, aber natürlich auch erahnen lässt, wo es mit ATL in Zukunft hingehen wird: Raus aus den Clubs und rein in die großen Hallen.


Wie war die Tour bis jetzt? Ihr wart das erste Mal in Europa, oder?

Bis jetzt war es absolut fantastisch, das hier ist erst unsere zweite Show in Deutschland, aber überall in Europa sind die Kids vollkommen super, viel offener als in Amerika, wo es oft viel wichtiger erscheint, bei den Konzerten gut auszusehen und cool zu wirken, anstatt abzugehen oder einfach die Musik zu genießen. Du hast ja eben erzählt, dass du uns in Tokio mit SET YOUR GOALS gesehen hast, eine meiner momentanen Lieblingsbands und auch super Leute, mit denen wir jeden Tag ohne Ende Spaß hatten. In Amerika würde so etwas gar nicht funktionieren, also zwei Bands, die ja doch musikalisch recht verschieden sind und ein ganz anderes Publikum anziehen, zusammen touren zu lassen, die verschiedenen Fan-Szenen würden absolut nicht miteinander klarkommen. Deshalb ist es einfach sehr relaxt, hier zu sein, überhaupt kein Stress oder so was, wir haben alle einfach nur eine Hammer-Zeit.

Euer neues Album scheint sich gut zu verkaufen, und das im Zeitalter von illegalen Downloads und Ähnlichem. Hat der Erfolg bis jetzt irgendeinen Einfluss auf euer tägliches Leben gehabt, hat sich viel für euch verändert?

Eigentlich hat sich nicht besonders viel verändert, wir werden jetzt nicht täglich auf der Straße erkannt oder so, außer in manchen Städten, wo man nicht mehr ohne Verkleidung in die Mall gehen kann, aber im Prinzip leben wir alle dasselbe Leben wie vorher auch schon. Vieles läuft jetzt natürlich besser und einfacher, klar, so ist das, wenn man Erfolg hat, aber ich denke, im Prinzip sind wir schon alle die gleichen Typen geblieben und haben uns nicht allzu sehr verändert.

Ich finde, das neue Album klingt sehr viel glatter oder – nett gesagt – poppiger als das letzte. Hattet ihr diesmal beim Schreiben andere Einflüsse, oder wie ist das gekommen?

Als wir „So Wrong, It’s Right“ geschrieben haben, waren wir noch sehr viel jünger und haben einfach nicht großartig darüber nachgedacht, sondern einfach erstmal gemacht. Zu der Zeit habe ich, wie man wahrscheinlich ganz gut raushören kann, sehr viele Bands wie FALL OUT BOY, NEW FOUND GLORY, THE STARTING LINE und JIMMY EAT WORLD gehört, während das bei „Nothing Personal“ eher Bands wie WEEZER und THIRD EYE BLIND waren, was natürlich, zumindest unterbewusst, auch Einflüsse auf das Songwriting hat.

Bezeichnet ihr euch selbst noch als Punkband?

Wenn man davon ausgeht, dass Punk bedeutet, einfach das zu tun, worauf du Bock hast und dir von keinem dabei reinreden lässt, klar, würde ich schon sagen, dass wir eine Punkband sind.

Ich frage vor allem deshalb, weil sich auch die Texte vom letzten zum neuen Album geändert haben. Auch „So Wrong, It’s Right“ war sicher nicht politisch, aber es gab doch einige Songs, die irgendwie mit Punkrock, dem Dasein als Außenseiter und dem Unwillen, sich anzupassen und unterzuordnen, zu tun hatten. Während es bei „Nothing Personal“ die meiste Zeit fast nur noch um Partys und Mädchen geht ...

Ja, da hast du auf jeden Fall Recht, ich glaube auch, dass sich mit der Änderung des Lifestyles zwischen den Alben irgendwie der Fokus der Themen, über die wir schreiben, geändert hat. Man kommentiert in seinen Liedern und Texten ja immer das Leben, wie man es gerade lebt, und bei uns war es eben so, dass das die Themen waren, die uns in letzter Zeit am meisten beschäftigt haben.