POLAR BEAR CLUB

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Stinknormale Typen mit einem Händchen für Melodien

Im Februar 2009 spielten POLAR BEAR CLUB als Support von THE GASLIGHT ANTHEM ihre ersten Shows in Europa, und kürzlich erschien mit „Chasing Hamburg“ der Nachfolger zu ihrem Debütalbum „Sometimes Things Just Disappear“, das zuerst in den USA, später dann auch bei uns für großes Aufsehen gesorgt hat. Diese rasante Entwicklung war Grund genug, sich wieder mit Sänger Jimmy Stadt zu unterhalten.

Es ist nicht lange her, dass wir über euer erstes Album gesprochen haben. Nun erscheint schon der Nachfolger. Ihr habt es wohl eilig.

Letztes Jahr mussten wir uns entscheiden, wie es mit der Band weitergehen soll. Wir hatten alles erreicht, was man als Freizeitband schaffen kann. Auf diesem Niveau weiterzumachen, hätte nicht funktioniert. Weder hätten wir über kurz oder lang dabei noch Spaß gehabt, noch wären die Leute damit zufrieden gewesen, die uns mögen. Also standen wir vor der Wahl, uns entweder aufzulösen oder die Band in den Mittelpunkt zu rücken. Ich glaube, dass man etwas richtig machen soll, wenn man sich einmal dafür entschieden hat. Das Material zum neuen Album ist größtenteils letztes Jahr auf Tour entstanden. Es gab so viele Ideen, die uns gefallen haben, dass wir gleich wieder ins Studio gegangen sind, um sie aufzunehmen. Wir haben uns bereit dafür gefühlt. Und davor und danach waren wir fast immer unterwegs. Momentan würde ich sagen, dass wir in diesem Tempo auch in nächster Zeit weitermachen werden. So paradox es sich anhören mag, aber die Songs auf dem neuen Album fühlen sich für mich schon wieder alt an.

Im Februar wart ihr das erste Mal in Europa, zusammen mit THE GASLIGHT ANTHEM. Wie würdest du diese Tour bewerten?

Diese Tour war für uns sehr hilfreich. Uns war klar, dass uns die meisten Leute in Europa noch nicht kannten. Es war eine Herausforderung, uns dem Publikum zu präsentieren und sie von uns zu überzeugen. Da die Jungs von GASLIGHT ANTHEM mittlerweile zu Recht sehr erfolgreich sind, waren das alles größere Konzerte. Das ist nicht ganz unser Ding, ich fühle mich in einem kleinen Club wohler. Andererseits konnten wir uns so mehr Menschen zeigen. Insgesamt würde ich sagen, dass wir positiv aufgenommen wurden. Zudem war es für einige von uns das erste Mal in Europa, das ist natürlich auch sehr interessant gewesen.

Seitdem habt ihr zwei weitere Tourneen in Großbritannien gespielt. Läuft es für euch so gut auf der Insel? Besteht die Gefahr, dass ihr Kontinentaleuropa vernachlässigt?

Es stimmt, dass es in Großbritannien für uns sehr gut läuft. Wir hatten schon während der Tour mit GASLIGHT ANTHEM eine Solo-Show in England gespielt, die unsere Erwartungen übertroffen hat. Die beiden anderen Besuche sind dann sehr erfolgreich ausgefallen. Man könnte fast sagen, dass wir uns in England wie daheim fühlen. Aber wir möchten nicht den Rest von Europa vernachlässigen. Besonders in Deutschland waren die Leute sehr von uns angetan.

So wie sich das anhört, müsstest du die Frage, ob ihr eine Studio- oder eine Tourband seid, ziemlich eindeutig beantworten.

Wir sehen uns in erster Linie als Live-Band. Es macht natürlich auch Spaß, neues Material im Studio aufzunehmen, aber das dient eindeutig dem Zweck, es danach auf der Bühne zu spielen. Wir fühlen uns sehr wohl, wenn wir unterwegs sind. Das gibt uns die Gelegenheit, jeden Abend vor einem neuen Publikum zu spielen. Dafür bin ich in einer Band, deshalb habe ich mich auf POLAR BEAR CLUB konzentriert. Selbstverständlich hat es aber auch seine negative Seite. Wenn man so viel unterwegs ist, fehlen einem oft die Freundin oder Familie. Nicht jede Beziehung kann eine Band überleben. Außerdem kann es manchmal auch anstrengend sein, wochenlang in einem Van zu leben. In Europa kümmert man sich sehr gut um die Bands, es gibt Essen und Unterkunft. Beides ist in den USA nicht üblich, hier muss man sich selbst darum kümmern, wo man nach einer Show duschen und schlafen kann. Vor allem bei kleineren Bands heißt das oft, bei Freunden oder manchmal auch Fans auf dem Fußboden zu schlafen. Manchmal sieht man wochenlang kein richtiges Bett, wenn man sich kein Motelzimmer leisten kann. Das alles ist aber vergessen, wenn man abends dann auf der Bühne steht und ein Konzert spielt. Dann hat sich die ganze Mühe gelohnt.

Euer neues Album „Chasing Hamburg“ wurde ja schon im Vorfeld als eines der wichtigsten Alben in diesem Jahr gepriesen. Im Februar meintest du, das würde euch nicht unter Druck setzen, sondern zusätzlich motivieren.

Unsere erste EP und später dann auch unser erstes Album wurden hier in den USA sehr positiv aufgenommen. Das hat uns selbstverständlich sehr gefreut. Es ist immer schön, gesagt zu bekommen, dass das, was man macht, gut ist und sich lohnt. Aber gleichzeitig sehen wir uns selbst als unsere größten Kritiker. Wir machen die Band, weil es uns Spaß macht. Wir nehmen Lieder auf, die uns gefallen. Wenn wir mit etwas nicht wirklich zufrieden sind, dann machen wir es auch nicht. So mussten wir zunächst unsere eigenen Anforderungen erfüllen. Wenn man als Band versucht, die Erwartungen anderer zu erfüllen, kommt selten etwas Gutes dabei heraus. Außerdem ist man nicht ehrlich zu sich selbst, und das merkt man einer Band an. Schließlich ist der Wunsch, erfolgreich zu sein, ein falscher Grund, um in einer Band zu spielen. Das habe ich gemeint, als ich gesagt habe, ich würde beim neuen Album keinen Druck von außen verspüren. Jede positive Resonanz ist eine Bestätigung, dass man sich für das Richtige entschieden hat. Das ist eine Motivation für mich. Aber bevor das Album überhaupt fertig ist, muss es unsere eigenen Erwartungen erfüllen. Die Reaktion von Alternative Press oder anderen Magazinen ist demgegenüber zweitrangig. Und, um ehrlich zu sein, es würde mich verrückt machen, wenn wir uns bei jedem Ton fragen würden, ob es das ist, was andere hören wollen.

Das neue Album klingt düsterer als der Vorgänger. Wolltet ihr euren Sound etwas erweitern, oder hat es sich einfach so ergeben?

Ja, das stimmt, das ist uns auch während der Aufnahmen aufgefallen. Es war keine Absicht in dem Sinne, dass wir gesagt hätten, unsere neuen Songs müssten jetzt so oder so klingen. Das Material ist überwiegend entstanden, während wir unterwegs waren. Vielleicht wurde es irgendwo von den Umständen beeinflusst, unter denen man in den USA als Band unterwegs ist. Vor allem wollten wir aber, dass die neuen Songs auf Platte unserem Live-Sound so weit wie möglich entsprechen. Einige Songs auf „Sometimes Things Just Disappear“ waren typische Studiosongs, die auf der Bühne ganz anders klingen. Beim neuen Album wollten wir das nicht. Daher klingen die Songs roher als zuvor. Das trägt sicher dazu bei, dass das Material insgesamt düsterer ausgefallen ist.

Im Stück „Living saints“ gibt es die Zeile „All my friends are living saints“. Ist das an deine Freunde gerichtet?

Genau. Bei den Aufnahmen haben wir gemerkt, dass das Material düsterer ausgefallen ist. Dazu tragen neben dem rauhen Sound auch einige kritische Texte bei. Ich wollte aber nicht, dass das Album zu düster wird, daher habe ich mich bei diesem Lied mit dem Vorsatz hingesetzt, einen positiveren Text zu schreiben. Mir sind dabei sofort meine Freunde eingefallen. Da wir mehr als die Hälfte des Jahres unterwegs sind, sehe ich viele meiner Freunde daheim oft lange nicht. Ihnen wollte ich damit sagen, dass sie für mich sehr wichtig sind, auch wenn ich nicht bei ihnen sein kann. Das Lied richtet sich aber auch an die Bands, mit denen wir uns bei gemeinsamen Touren angefreundet haben. Das sind großartige Bands, die mir als Fan auch viel bedeuten und die ich früher in meinem Zimmer gehört habe, bevor ich plötzlich Abend für Abend die Bühne mit ihnen geteilt habe. Viele dieser Bands haben uns geholfen, indem sie uns mit auf Tour genommen haben, als wir noch relativ unbekannt waren. Ich weiß nicht, ob wir ohne sie heute hier wären. Der Text ist auch ein Dank an sie.

Was hat es mit dem Titel des Albums auf sich?

So wie es schlechte Abende und anstrengende Tage auf Tour gibt, so gibt es manchmal auch Konzerte und Momente, die einfach perfekt laufen. Dazu gehört für uns auch die Show in Hamburg, als wir mit THE GASLIGHT ANTHEM auf Tour waren. Der Tag fing schlecht an, es gab einige Probleme, Brian von GASLIGHT ANTHEM musste zum Arzt. Wir wussten bis spät nachmittags nicht, ob und wie die Show stattfinden würde. Wir hatten schon das Konzert in Helsinki absagen müssen, nachdem der Tourbus von GASLIGHT ANTHEM in Stockholm aufgebrochen worden war und wir deshalb die Fähre verpasst hatten. Das war ein Tief auf dieser Tour, als wir drei Tage in Stockholm rumhingen und nicht wussten, was wir machen sollen. Wir mussten schon befürchten, dass Hamburg ähnlich schlecht laufen würde. Doch dann konnte das Konzert wie geplant stattfinden. Als wir dann auf der Bühne standen, fühlte sich auf einmal alles perfekt an. Es war eine unserer besten Shows als Band, wir waren froh, spielen zu können, alles klappte. Das Publikum war auch angetan und gab uns positives Feedback. Zwischen zwei Songs ging mir dann durch den Kopf, dass das der perfekte Moment ist. Nachdem zunächst alle Zeichen gegen den Tag sprachen, ist doch alles gut gegangen. Zusätzlich hatten wir an diesem Abend auf der Bühne einfach sehr viel Spaß. Also war es mehr, als dass es nur am Ende noch gut verlaufen ist, es war perfekt. Dieses Gefühl war etwas Besonderes, es ging nicht nur mir so, alle in der Band haben es gespürt. Wir haben uns nach dem Konzert länger darüber unterhalten und waren einfach nur dankbar für diesen Abend. Wir hatten unser Material schon für die kommenden Aufnahmen fertig, aber dieser Abend in Hamburg hatte mich so inspiriert, dass ich diesen einen Song unbedingt noch aufnehmen wollte. Schließlich ist es dann der Titeltrack geworden. Denn das steht für den Grund, warum wir unsere ganze Energie in diese Band stecken, warum wir alles andere hintenanstellen. An diesem Abend in Hamburg haben wir es zurückbekommen. Dieses Gefühl ist etwas, das wir so oft wie möglich erleben möchten, dafür spielt man als Band. Ich hoffe, wir werden das Gefühl von Hamburg noch öfter erleben.