CONNY LÖSCH

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Englisch - Deutsch

Obwohl Conny Lösch Standardwerke der Punk- und Popliteratur wie „Rip It Up And Start Again – Schmeiß alles hin und fang neu an: Postpunk 1978-1984“ von Simon Reynolds oder „England’s Dreaming – Anarchie, Sex Pistols, Punk Rock“ von Jon Savage ins Deutsche übersetzt hat, ist ihr Name weitgehend unbekannt. Dies ist allerdings durchaus als etwas Positives anzusehen, denn Übersetzer/innen werden meistens erst dann wahrgenommen, wenn sie schlechte Arbeiten abliefern. Manchmal werden sie aber auch gelobt, so wie im vorletzten Heft bei Joachims Besprechung von Warren Ellis’ „Gott schütze Amerika“: „Immer gut, wenn ein Buch mit Subkulturbezug von Conny Lösch übersetzt wird – da weiß man, dass nicht peinlich gestümpert wurde“. Also Grund genug, Conny einige Fragen zum Übersetzen zu stellen.

Wie wird man Übersetzerin beziehungsweise wie hast du angefangen?

Übersetzer wird man, indem man es macht – aber studiert habe ich auch: Anglistik bei Klaus Reichert, der seit 2002 Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ist und selbst Übersetzer. Bei ihm habe ich die Ohren gespitzt und versucht, möglichst viel über Sprache und Literatur zu begreifen.

Was war deine erste Übersetzung, und woran arbeitest du gerade?

Meine ersten Übersetzungen waren wissenschaftliche Aufsätze, erstmal nur für die Institutszeitschriften an der Uni, dann auch für Verlage, unter anderem Donna Haraway, was entsetzlich schwer war. Das erste komplette Buch, das ich übersetzt habe, war „Junger Mann ohne Kleider“ von Billy Childish. Ich musste Erich Maas eine Maschinenpistole auf die Brust setzen, damit er das herausbringt und Geld gab’s natürlich keins. Im Moment sitze ich an „Pacific Paradise“, der Fortsetzung von „Pacific Private“ von Don Winslow. Beide spielen in Südkalifornien und die Hauptfigur, Boone Daniels, ist ein surfender Privatdetektiv.

Welche Bücher übersetzt du sonst noch?

Mein Schwerpunkt hat sich in den letzten Jahren ein bisschen weg vom Sachbuch und hin zur Belletristik verlagert. Ich übersetze furchtbar gerne gute Musikbücher, leider gibt es davon nicht so viele und die wenigen, die es gibt, finden kaum deutsche Verlage. Für Heyne Hardcore habe ich unter anderem die Autobiografie von Jenna Jameson und „Im Bett mit den Rockgöttern“ von Pamela Des Barres übersetzt, was manche Leute befremdlich fanden und mich wiederum geärgert hat, weil das interessante Bücher sind. Literarisch spielen die natürlich nicht in der ersten Liga, das ist klar. Sie haben es aber trotzdem verdient, dass man für die jeweilige deutsche Fassung eine Sprache findet, die nicht voller Ressentiments oder fiesen Schlüpfrigkeiten steckt. Literarisch mehr am Herzen liegen mir zum Beispiel die Romane von Gail Jones, einer Australierin, die international viele Preise gewonnen hat, hier aber noch relativ unbekannt ist. Das ist Literatur mit großem L, wirklich sehr, sehr toll. Der dritte Roman, „Perdita“, ist gerade bei Edition Nautilus erschienen. Beeindruckt war ich aber auch sehr von „Rückkehr ins Leben“ von Ishmael Beah, einem ehemaligen Kindersoldaten aus Sierra Leone, der inzwischen in New York lebt und seine Geschichte aufgeschrieben hat.

Welche Bücher übersetzt du am liebsten und warum – und welche „nur“ um die Miete zu zahlen?

Am liebsten übersetze ich gute Bücher, wobei ein Buch natürlich aus ganz unterschiedlichen Gründen gut sein kann. Nur für die Miete mache ich eigentlich nichts. Aber da ich die Bücher vorher nicht lese, kann auch mal eine Niete dabei sein. Ich hatte bisher aber großes Glück: von den inzwischen über vierzig Büchern, die ich übersetzt habe, fand ich nur zwei richtig schlecht. Natürlich übersetze ich manchmal auch Bücher, die ich ohne Auftrag nicht unbedingt freiwillig lesen würde – aber ich mache das trotzdem auch sehr gerne, weil ich mich für Sprachstile interessiere und immer das Gefühl habe, etwas bei der Arbeit zu lernen, auch wenn der Text mal nicht so interessant ist.

Was macht für dich eine gute Übersetzung aus?

Wenn sie den Ton, die Sprachebene und die Atmosphäre eines Textes trifft, dieselbe Stimmung transportiert wie das Original, das ist eine gute Übersetzung. Natürlich ist es schöner, wenn sie außerdem auch noch fehlerfrei ist, aber das ist nicht das ausschlaggebende Kriterium. Sie muss sich gut und flüssig lesen lassen, es muss ein schönes Deutsch sein, allerdings nicht unbedingt im Sinne des Duden. Es kommt auf das Original an, unter Umständen darf man dem deutschen Text sogar eine gewisse Fremdheit anmerken, aber er muss in sich stimmig sein. Es gibt Texte, für die muss man eine eigene Kunstsprache erfinden, wie Heinrich Böll für „Der Fänger im Roggen“ oder Erika Fuchs für „Donald Duck“. Funktionieren muss es halt.

Wie gehst du beim Übersetzen vor?

Ich übersetze von vorne bis hinten. Aus Gründen, die ich selbst nicht genau verstehe, widerstrebt es mir, die Bücher vorher zu lesen. Jahrelang war mir das total peinlich und ich habe mich nicht getraut, das zuzugeben. Bis ich irgendwo gelesen habe, dass Harry Rowohlt die Bücher vorher auch nicht liest. Also dachte ich, dann habe ich päpstlichen Segen und darf es laut sagen. Als ich das gemacht habe, saß ich prompt neben einer mit Preisen dekorierten Kollegin und die reagierte entsetzt. Und jetzt ist es mir wieder peinlich. Aber ich lese sie trotzdem nicht. Vielleicht weil Übersetzen ja Lesen ist, ein sehr genaues Lesen. Und außerdem natürlich Schreiben.

Gibt es für Übersetzer einen Handlungsspielraum? In „Teenage – die Erfindung der Jugend (1875-1945)“ tauchen ja eigene Anmerkungen von dir auf. Woher kommt dieses Wissen? Übersetzt du nur oder recherchierst du auch?

„Teenage“ ist ein Sonderfall, weil ich den Autor Jon Savage schon lange kenne und sehr eng mit ihm zusammenarbeiten kann. Aber natürlich haben Übersetzer auch einen Handlungsspielraum, den müssen sie sich nehmen, weil verschiedene Sprachen nie deckungsgleich sind und man ständig Lösungen für unlösbare Probleme finden muss. Dazu kommt dann noch der ganze Rattenschwanz an Kultur dazu. Da muss man sehr viel recherchieren und abwägen, auch bei Romanen. Das fängt bei ganz banalen Sachen an, beispielsweise bestimmten Süßigkeiten, die in Amerika jedes Kind kennt und in Deutschland kein Mensch. Wie übersetzt man „Pop Tarts“? Und was, wenn sich ein rasend komischer Witz auf eine Fernsehwerbung bezieht, die zwischen 1984 und 1988 in England lief?

Kannst du mal Beispiele nennen für Sätze, Worte, Passagen, an denen man als Übersetzer scheitert, wo keine Übersetzung das Original trifft?

Obnoxious, naff, cheesy, pathetic, sophisticated, dodgy, punter ... könnte endlos weitermachen. Aber stattdessen gebe ich mal was aus dem Buch zum Besten, an dem ich gerade sitze: „I zipped the Arabics, got tags and cribs for every sat reach-out – totally squeezy, tube blast – and went Amish for you. Foffed?“ Da guckste, was?

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Autoren ab?

Meistens lasse ich mir vom Verlag die E-Mail-Adresse geben und sage mindestens mal Hallo, jedenfalls bei den Literaturübersetzungen. Und oft gibt es ja auch ein paar Fragen. In der Regel freuen sich die Autoren darüber, weil ich ihnen ja in einer für sie fremden Sprache eine Stimme gebe. Sie müssen mir also blind vertrauen und sind froh, wenn sie wenigstens eine vage Ahnung davon haben, wer ich bin.

Im Musikbereich gibt es ja auch gemeinsame Lesungen, wie zum Beispiel mit Simon Reynolds oder Jon Savage. Wie laufen die ab? Liest Simon aus dem Original und du aus der Übersetzung?

Ja, meistens liest der Autor aus dem Original, ich aus der Übersetzung und dann gibt’s noch Fragen und Antworten. Ich mache sehr gerne Lesungen, nicht nur zu den Musikbüchern. Mir macht das großen Spaß. Ich war unter anderem auch mit Gail Jones und dem ehemaligen Kindersoldaten Ishmael Beah unterwegs. Ausländische Autoren auf Lesereise zu schicken ist nicht ganz unkompliziert, weil ja von vornherein mit hohen Reisekosten verbunden. Manchmal übernimmt die der Verlag, manchmal sind andere Institutionen beteiligt, Botschaften, Literaturfestivals etc. Wenn viel Geld im Topf ist, gibt es eine Konsekutivdolmetscherin, wenn nicht, übernehme ich das bei Bedarf. Bei den Musiklesungen können wir davon ausgehen, dass die meisten Englisch verstehen, aber bei der Belletristik oder auch bei „Teenage“ nicht. Wenn’s hart auf hart kommt, moderiere ich, lese deutsche Passagen, stelle Fragen auf Deutsch und Englisch und übersetze die englischen Antworten wieder ins Deutsche. Da habe ich dann zum Schluss Fransen am Mund, aber wenigstens ist mir nicht langweilig geworden – wie Simon Reynolds in Köln, als er auf der Bühne eingeschlafen ist, während ich ein Kapitel auf Deutsch gelesen habe. Ich finde auch, dass die Leute, die mit den Büchern zu tun haben, aus ihnen lesen sollten. Die ewigen Schauspielerlesungen gehen mir auf die Nerven, da findet eine Verpromifizierung in der Literatur statt, die ich kontraproduktiv finde. Man traut den Büchern selbst überhaupt nichts mehr zu, sondern glaubt, man bräuchte „große Namen“ als Zugpferde und dabei heraus kommt dann der ewig gleiche geschulte Schauspielersingsang. Natürlich kann und will auch nicht jeder Autor öffentlich auftreten, aber dann müssen sie es lernen oder vielleicht befreundete Journalisten ranlassen. Und wenn das alles keine Lösung ist, dann gibt’s halt keine Lesung. Steht ja auch nirgendwo geschrieben, dass jedes Buch zwingend zum Spektakel werden muss.

Gerade im Bereich der Musikbücher gibt es unfassbar beschissene Übersetzungen – in kleinen wie in großen Verlagen –, die einen vor Wut laut aufschreien lassen beim Lesen. Warum wird da nicht besser auf die Qualifikation geachtet?

In England gibt es einen riesigen Markt für Musikbücher, in Deutschland wollen die großen Verlage aber kaum Musikbücher verlegen. Angeblich gibt das der Markt nicht her. Ich unterstelle, dass Verlagsmenschen in Deutschland Popkultur immer noch heimlich – oder auch weniger heimlich – verachten. Wenn doch mal Musikbücher aufgelegt werden, dann solche über Langeweiler wie Eric Clapton und die werden dann prompt auch noch Bestseller. Ansonsten wird in dem Bereich nichts investiert, kein Geld und eben auch wenig Sorgfalt. Die wirklich interessanten Musikbücher bleiben den Enthusiasten und den kleinen Verlagen überlassen, und die können nun mal nicht viel bezahlen. Oft übersetzt und lektoriert der Verleger in Nachtschichten selbst, weil er tagsüber irgendwo arbeiten geht, um die Druckkosten zu finanzieren. Aber mit Musikbüchern ist es sowieso schwierig: Entweder der Übersetzer versteht was von Musik, dann kann er aber vielleicht keinen geraden Satz bauen oder er versteht was von Sätzen, kann aber einen Bandnamen nicht von einer Automarke unterscheiden.

Als ÜbersetzerIn ist man letztlich verantwortlich für ein Buch, einen Text, hat man es in der Hand, einem Autor ein Gesicht zu verleihen in einer anderen Sprache. Bei Filmen ist das, was ein Synchronsprecher macht, ja oft verheerend, entsprechend bestehen Cineasten auf das Original. Bei Englisch geht das ja auch gut, doch bei Russisch, Spanisch, Chinesisch ...? Wie empfindest du selbst bei diesem Thema?

Ich sehe das nicht so religiös. Ich freue mich, wenn sich jemand die Mühe macht, etwas für andere Unverständliches verständlich zu machen. Man muss sich natürlich darüber im Klaren sein, dass eine Übersetzung nicht das Original ist, das ist ein neuer Text. Dem muss man in seiner Eigenständigkeit eine Chance geben und ihn nicht Wort für Wort am Original messen, sonst bringt man sich selbst ums Vergnügen. Aber wer sagt überhaupt, dass die Übersetzung automatisch und zwangsläufig schlechter sein muss? Sie kann auch besser sein. Manche Bücher werden unter großem Zeitdruck geschrieben und die Übersetzer bekommen unkorrigierte Manuskripte, dann sind die Übersetzer auch noch Lektoren, denen auffällt, wenn jemand eine Jacke zweimal hintereinander anzieht. Im Original bleibt der Fehler vielleicht stehen, weil in der Schlussphase nur auf Rechtschreibung geachtet wird. Synchronisierte Filme sehe ich mir gerne an. Untertitel sind zwangsläufig unvollständig und man klebt mit den Augen am unteren Bildrand, statt sich den Film anzusehen. Wenn ich es genau wissen will, kann ich mir den Film anschließend ja noch mal im Original ansehen.

Einer der großen Übersetzer ist Carl Weissner, ohne den gäbe es Bukowski auf Deutsch wohl gar nicht. Der musste doch Bukowskis sehr idiomatische Slang-Sprache nicht nur wörtlich, sondern sinngemäß ins Deutsche transferieren und damit eine eigene literarische Leistung vollbringen. Faktisch wird in so einem Fall, anders als bei einem simplen Massenwarenkrimi, doch ein Buch komplett neu geschrieben. Wie stehst du zu dieser Diskrepanz zwischen Original und Übersetzung?

Wenn man ein Buch übersetzt, schreibt man es immer komplett neu, da sehe ich keinen Unterschied zwischen großer Literatur und Massenwarekrimis. Wörtliche Übersetzungen kann es gar nicht geben, weil viel zu viele englische Wörter, Begriffe und Wendungen keine deutsche Entsprechung haben. Das gilt umgekehrt natürlich auch. Aber ich bin froh, dass es eine Diskrepanz zwischen Original und Übersetzung gibt, ich lebe von dieser Diskrepanz. Und ohne sie hätte ich keinen Spaß an meiner Arbeit, wäre entsetzlich unterfordert und jederzeit durch einen Computer ersetzbar.

Man hört immer wieder, dass ÜbersetzerIn eine der undankbarsten literarischen Tätigkeiten ist, weil schlecht bezahlt und in ihrer kreativen Arbeit unterschätzt. Wie siehst du das?

Frisösen sind auch kreativ und werden noch schlechter bezahlt. Gejammer geht mir grundsätzlich auf die Nerven, besonders von Kulturschaffenden. Aber ich bin natürlich sehr dankbar dafür, dass sich einige Kollegen für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen, denn da lag/liegt einiges im Argen. Früher wurden Übersetzer kaum wahrgenommen, heute ist das zum Glück schon anders. Trotzdem gibt es immer noch Verlage, die die Übersetzer in ihren Ankündigungen gar nicht erwähnen oder im fertigen Buch im Kleingedruckten verstecken. Das ist schon eklig.

Kannst du selbst noch mit Genuss beispielsweise einen Nick Hornby auf Deutsch lesen, oder muss es bei englischen Autoren für dich das Original sein?

Ich kann Nick Hornby überhaupt nicht mit Genuss lesen, weil ich seine spießige Boulevardbelletristik nicht ausstehen kann. Meistens sind die englischen Bücher schneller da und deshalb lese ich das Original. Oder wenn ich den Autor persönlich kenne, lese ich auch das Original, weil’s ja seine Stimme ist. Klassiker lese ich aber auch gerne mal auf Deutsch, Thomas Hardy zum Beispiel. Ich kann von dieser geschliffenen Sprache viel lernen, das sind Texte, die in einer Zeit entstanden sind, als Verlage ihren Übersetzern noch Zeit gelassen haben ... Vom geschliffenen Original lerne ich allerdings auch viel, deshalb mache ich’s mal so, mal so. Zum Übersetzen brauche ich gutes Deutsch, deshalb kann ich es mir gar nicht leisten, alles immer nur im Original zu lesen, da würde mir Input fehlen.

Hast du eigene literarische Ambitionen?

Komischerweise nicht, ich habe noch nie etwas anderes außer Artikel zu schreiben versucht. Vielleicht kommt das noch.

Kay Werner, Joachim Hiller