DEECRACKS

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Österreichische Exoten

Gegen die Missionarsstellung beim Koitus ließe sich einwenden, dass sie einfallslos ist. Dennoch wird sie von vielen Menschen praktiziert. Man sollte annehmen, es gefiele ihnen. Ja, aller Wahrscheinlichkeit nach kommt es auf das „Wie“ an, auf die persönliche Note – und für Männer: darauf, den Akt an sich zu reißen, als wäre man der Erste, der ihn richtig ausübt. Nicht anders verhält es sich mit dem RAMONEScore der DEECRACKS: Er geht weit über die für eine Pop-Punk-Band erforderliche Mindesthärte hinaus, besitzt Harmonien, Groove und ausreichend Charakter, um die Illusion zu erzeugen, jeder hätte die Lieder schreiben können. So präzise die ehemaligen CRETINS Österreichs (so hießen sie, bis sie durch den Handlanger einer ausländischen Musikfirma zur Namensänderung gedrängt wurden) sind, so bescheiden sind sie: Ihren Auftritt beim letztjährigen Monster Zero Mash in Rotterdam, der größten Pop-Punk-Veranstaltung Europas, bezeichnen sie als Erfüllung ihres Bandschicksals. Dieses heitere Interview endete einen Tag vor dem tödlichen Unfall eines italienischen Mash-Besuchers. Ema Jansen war eine Woche zuvor wie alle anderen nach Rotterdam gereist, um die Getränke der anderen zu trinken, ihre Träume zu träumen und ihre Lieder zu singen. Sein Tod wird keinen der Festivalbesucher ungerührt gelassen haben. Auch die DEECRACKS nicht.

Wie war die Tour in Amerika und wer hat sie organisiert?

Mike: Super war’s. Hat Spaß gemacht. Drei Wochen Party und drei Wochen schreckliches Schlafen.

Matt: Die Tour, 19 Konzerte an 21 Tagen, wurde komplett von JOHNIE3 zusammengestellt. Sie haben uns auch erst ungefähr einen Monat vorher eingeladen.

Mike: JOHNIE3 haben sich mit dieser Tour für diverse Shows in Österreich revanchiert, die wir für sie in den letzten Jahren aufgestellt hatten.

Als Österreicher ist man da bestimmt Exot.

Mike: Generell als Europäer.

Matt: Exotenbonus haben wir eigentlich immer gehabt. In den meisten Clubs, in denen wir gespielt haben, hat vor uns, glaube ich, noch nie eine europäische Band gespielt. Auf den Flyern hat das auch immer mit Ausrufezeichen draufgestanden.

Und wie wird das aufgenommen?

Matt: Im Unterschied zu Österreich waren die Konzerte von den Zuschauern her eigentlich besser, weil die Leute mit der Musik doch besser mitgegangen sind.

Mike: Die identifizieren sich irgendwie leichter mit dem Ganzen. Ich glaube, wir sind ganz gut angekommen.

Wie ihr die Tour im Plus abschließen konntet, müsst ihr mir aber noch erklären.

Matt: Durch Merchandising. Na gut, man muss dazu sagen, dass wir eine österreichische Förderung in Anspruch genommen haben, die uns fast die gesamten Reisekosten rückerstattet hat. Und durch Merch haben wir dann einiges an Plus gemacht. Es hat sich ja gezeigt, wenn fünf Leute gekommen sind, dass fünf Leute auch was gekauft haben.

Mike: Gott segne Österreich!

Matt: Wir hatten auch keine anderen Kosten. JOHNIE3 haben meist die Maut und so gezahlt.

Als CRETINS habt ihr eine Platte herausgebracht und mit den DEECRACKS habt ihr jetzt eine EP und eine Single auf Monster Zero.

Mike: Die EP haben wir selbst herausgebracht. Wir dachten ja, dass die Produktion der Vinylsingle nicht bis zur Tour fertig sein würde und ohne Tonträger wollten wir nicht in die USA reisen. Insofern haben wir noch schnell CDs produziert mit ein paar Nummern mehr darauf.

Wie gut ist euer Englisch? Was heißt zum Beispiel DEECRACKS?

Matt: Unsere Texte sind recht einfach gehalten und entstehen eigentlich immer erst nach der Musik. Da wir in den USA relativ viele Platten verkauft haben, gehe ich davon aus, dass einigen unsere Lieder gefallen haben.

Mike: Unser Englisch reicht aus, um gute Songs zu schreiben. Allerdings ist mir auch aufgefallen, dass Amerikaner es gerne hören, wenn man den Songs anmerkt, dass die Band nicht von dort ist. Man denke etwa an Bands wie die MANGES.

Matt: Zuerst wollten wir uns „The Cracks“ nennen. Das war uns dann wegen möglicher Unterlassungsklagen aber zu unsicher. Wir haben uns dann überlegt, den Namen einfach ins Deutsche zu übersetzen, und damit wir überall richtig ausgesprochen werden, haben wir dann das „Die“ mit „Dee“ ausgetauscht.

Mike: Ja, außerdem ist auch der Bezug zu Dee Dee Ramone da, der hatte ja auch was mit Crack am Hut, nehme ich an.

Stichwort „drohende Unterlassungsklage“: In einer gerechten Welt hätten die CREETINS ihr Anliegen vor einem Punkrock-Tribunal vorbringen müssen und wären allein für die Eingabe gekielholt worden. Wie sind die auf euch gestoßen und wo?

Mike: Auf uns gestoßen sind sie in Wien, als wir zusammen ein Konzert spielten. Wir fanden das lustig, Themenabend eben, Matt hatte auf einem ihrer T-Shirts das „e“ abgepickt. Ganz genau weiß ich aber nicht, wie es so weit gekommen ist. Im Grunde wollten sie einfach nicht, dass jemand ihrem Werdegang im Weg stehen könnte. Auf Grund der Namensgleichheit waren wir eben automatisch in deren Blickfeld.

Matt: Das war alles ziemlich trocken. Wir hatten gerade unser selbstbetiteltes CRETINS-Album in Deutschland promotet und natürlich auch an diverse Radiosender geschickt. Und jedes Mal, wenn sich jemand etwas von den CRETINS oder den CREETINS gewünscht hatte, wurde automatisch eine Nummer von uns gespielt, da die anderen zur der Zeit kein neues Album draußen hatten. Das hat dem Label natürlich nicht gefallen. Und man hat uns nahegelegt, den Namen zu ändern ...

Mike: ... sonst wären rechtliche Schritte eingeleitet worden. Man wollte die Band ungefähr bis in die BEATSTEAKS-Liga aufbauen. Wenn die Platte gut gelaufen wäre, was sie ja zum Glück nicht ist, dann wären sie auf ein Majorlabel gekommen und anständig gepusht worden.

Matt: Ich möchte die Band aber nicht als komplette Arschlöcher darstellen, weil ich glaube, die haben da eh nichts zu melden gehabt.

Und wer dann?

Mike: Das war Roadrunner Records.

Matt: Der Typ von der TERRORGRUPPE war das doch.

Mike: Archi von der TERRORGRUPPE hat uns dann angerufen und solche Dinger. Er hat es uns nahegelegt, den Namen zu ändern, denn vor Gericht hätten wir das nicht lösen können. Es wäre blanker Selbstmord gewesen. Also haben wir uns gesagt: Die Klügeren geben nach.

Matt: Wir haben uns aber trotzdem geschmeichelt gefühlt, dass sie an uns gedacht haben.

Mike: War schon nett von ihnen. Obwohl! Es gibt noch eine Band aus Deutschland, die CRETINS heißt.

Ja, es wird ungezählte Bands geben, die so heißen.

Mike: Wir wussten ja, dass es so viele Bands gibt, die CRETINS heißen, aber der Bandname war uns ja immer egal.

Warum ist euch der Name egal?

Mike: Na, den erspielt man sich ja. Im Endeffekt geht es ja mehr um die Musik als um den Namen. Wenn du unter irgendeinem Namen spielst, dann bleibt der irgendwann im Ohr hängen. Er sollte schon kurz und prägnant sein, wir überlegen uns schon etwas dabei. Den neuen Namen zu finden, fiel uns auch nicht leicht.

Wo liegen sonst eure Wurzeln? Auf eurem Weg zum Monster Zero Mash habt ihr in Osnabrück sogar ein reines RAMONES-Set gespielt.

Matt: Wir mussten den ganzen Abend den Leuten erklären, dass wir keine Coverband sind, was sie dann auch gecheckt haben, nachdem wir als Zugabe ein paar eigene Lieder gespielt hatten.

Mike: Ja, genau. Wir haben 2003 eigentlich als RAMONES-Coverband angefangen. Wir wollten ja nur ein Konzert spielen zu meinem 18. Geburtstag. Mein erstes Konzert war das! Und ich wollte unbedingt RAMONES-Nummern spielen und habe Matthias gefragt, ob er mit mir spielt, und ein paar Wochen darauf spielten wir noch einmal ein RAMONES-Set auf einem Festival, weil da Bands ausgefallen waren. Und dann haben wir gleich eine eigene Band gegründet und eigene Nummern geschrieben. Aber mit den RAMONES hat alles angefangen.

Ihr hattet voller Bescheidenheit die Erfüllung eures Bandschicksals verkündet durch den Slot auf dem Mash.

Mike: Ja, das ist eine Supersache! Es kommen ja Leute von überall in der Welt, nur um sechs Bands zu hören, die irgendwie alle ähnlich klingen. Es ist schön, dass es so was gibt. Es ist wie ein Familientreffen und mit der Einladung, dort zu spielen, sind wir Teil dieser Familie geworden. Danke, Captain Aper!

Apey: Das Gleiche gilt auch für mich. Normalerweise sind die großen Konzerte immer langweilig, weil sich die meisten ja nur auf die Hauptband freuen. Wir haben gleich zu Beginn um 20 Uhr gespielt, der Saal war voll und irgendwie hat es jedem gefallen. Toll.

Wann seid ihr von Klagenfurt nach Wien umgezogen?

Matt: Ich im Jahr 2000.

Mike: Und ich bin 2006 rausgezogen.

Apey: Ich bin Steirer und von Knittelfeld nach Graz in die Landeshauptstadt gezogen.

Kann man von unterschiedlichen Szenen in Wien, Linz, Graz sprechen?

Matt: Auf jeden Fall. Je größer die Stadt ist, umso verwöhnter ist das Publikum. Wien ist ganz schräg. In Wien ist es ziemlich schwer, sich ein Publikum zu erspielen, vor allem mit unserer Musik.

Mike: Die sind sehr wählerisch und wählen immer dasselbe, immer Metal oder Emo-Dreck.

Matt: In Linz gibt es eigentlich schon eine ziemlich gute Punkrock-Szene, hat’s zumindest mal gegeben. Ich weiß nicht, wie es jetzt ist.

Mike: Ich glaube, Linz wird so Rockabilly-mäßig, oder? Innsbruck ist gut für unsere Musik und auch in Graz kommen immer viele Leute, aber da kennen wir auch jeden.

Apey: In Graz wimmelt es auch nur so von Kärntnern.

Und der Umzug von Klagenfurt nach Wien, hat der euren Horizont erweitert oder den Horizont Wiens?

Matt: Irgendwie habe ich meinen Horizont nicht erweitert. In Wien ist es zwar so, dass man sich mehr Bands ansehen kann als in Klagenfurt, das war’s dann aber schon. Als ich mit 13 angefangen habe, Gitarre zu spielen, habe ich RAMONES-Platten nachgespielt und das mache ich eigentlich jetzt auch noch.

Mike: Wie, du bist immer noch nicht fertig? In Klagenfurt ist nichts los, musikalisch hat uns Wien aber nicht verändert, wir machen immer noch denselben Quatsch.