OTHER

Foto

Die Untoten feiern „Geburtstag“

Zehn Jahre sind seit der Gründung von Deutschlands Vorzeige-Horror-Punks THE OTHER inzwischen vergangen. Zehn Jahre, in denen man sich von einer kleinen Underground-Band zu einem international bekannten Act gemausert hat, der nicht nur in Punk-, sondern auch in Metal- und Gothic-Kreisen Freunde hat. Frontmann Thorsten Wilms alias Rod Usher gab uns angesichts des im Sommer erschienenen Albums „The Devils You Know“ und des zehnten Bandgeburtstags zu Halloween 2012 Auskunft über die Anfänge, sein Label Fiendforce Records und die Kunst, für die Fans interessant zu bleiben.

Ihr habt damals mit den GHOULS als reine MISFITS-Coverband begonnen und eigene Songs waren zunächst nicht geplant. Wieso kam es dann doch anders?


Das war seinerzeit irgendwie ein fließender Übergang. Es gab immer wieder Leute, die uns mit der Nase darauf gestoßen haben, dass die MISFITS nach dem 99er Album „Famous Monsters“ nichts mehr gemacht haben. Wir wären also dazu verdammt gewesen, immer und immer wieder die gleichen Songs zu spielen. Etwa 2001 haben wir uns dann überlegt, wie es nun weitergehen soll, mit dem Ergebnis, uns auch mal an eigenen Songs zu versuchen. Bei einem GHOULS-Konzert an Halloween 2002 im Kölner Underground haben wir dann schließlich unseren ersten eigenen Song präsentiert, was für uns sozusagen die Geburtsstunde von THE OTHER war.

Das eigene Material fand offenbar regen Anklang bei der Zuhörerschaft.

Ja, die Hälfte der Leute hat wahrscheinlich nicht mal mitbekommen, dass wir da gerade keinen MISFITS-Song spielen, hahaha. Die andere Hälfte wiederum fand den Song echt super, weshalb wir uns überlegten, einfach mal in dieser Richtung weiterzumachen. Wir haben dann schnell auch ein erstes Demo aufgenommen und versucht, ein passendes Label zu finden. Das Ergebnis war die Idee, ein eigenes Label zu gründen, um dort unser Material zu veröffentlichen – und so wurde Fiendforce Records gegründet. Damit sind wir auch acht Jahre ganz gut gefahren, aber mittlerweile sind wir ja bekanntlich bei SPV gelandet und auch sonst ist es bei Fiendforce deutlich ruhiger geworden. Die Bands, die auf Fiendforce groß geworden sind, sind inzwischen weg, was auch vollkommen okay ist, und momentan kommt auch nicht viel nach.

Existiert das Label dennoch weiter?

Momentan ja. Wir haben ja vor ein paar Monaten noch eine Platte rausgebracht, allerdings war das erst die zweite innerhalb von zwei Jahren. Die etablierten Bands sind inzwischen, wie gesagt, entweder weg oder machen irgendwie einfach nichts Neues mehr. Klar gibt es schon noch Bewerbungen von durchaus talentierten Nachwuchsbands, jedoch sollten sich die meisten von denen noch mal vier, fünf Jahre Proberaum gönnen, bevor es sich lohnt, da was zu veröffentlichen. Bevor das nicht gegeben ist, sehen wir bei Fiendforce auch keinen Grund, zwingend was auf den Markt zu bringen. Geld verdienen wir damit ohnehin nicht und außerdem soll auch das letztlich nur ein Hobby bleiben. Klar hatte auch ich mal den Traum, mit Label und Band gutes Geld zu verdienen, aber man muss einfach realistisch sein und die Sache als das betrachten, was sie nun mal ist: ein Hobby.

Also reicht es mit THE OTHER trotz allem Erfolg nach wie vor nicht für den Lebensunterhalt, wie viele vielleicht vermuten?

Ganz und gar nicht. Würden wir alle uns von jetzt an nur noch vollkommen auf THE OTHER konzentrieren und nichts anderes mehr machen, als Platten aufzunehmen und zu touren, dann würden wir vielleicht gerade so das Geld für die Miete zusammenkriegen, wären jedoch gezwungen, nebenbei noch Taxi zu fahren oder so was.

Was den Spaß an der Sache wohl eher begrenzen würde.

Absolut. Ich denke, dann würden wir irgendwann hinschmeißen. Es ist so, dass wir alle reguläre Jobs haben und die Band für uns einfach nur eine spaßige Freizeitbeschäftigung ist. Sicher fällt hier und da auch etwas Geld ab, allerdings stemmen wir davon zum einen die Gagen, zum anderen gönnen wir uns für unsere Touren auch schon mal einen schicken Nightliner, um die zwei, drei Wochen wenigsten etwas komfortabel zu reisen. Was dann noch übrig bleibt, wird reinvestiert in neues Equipment oder Ähnliches. Irgendwas fällt da immer an.

Dennoch zählt ihr zu den erfolgreichsten Bands des Horror-Punks. Hattet ihr diesbezüglich seinerzeit ein klares Ziel vor Augen, oder seid ihr davon inzwischen selbst überrascht?

Nein, einen „Masterplan“ als solchen gab es da eigentlich nicht. Ich bin seit meinem neunten Lebensjahr KISS-Fan und wollte natürlich schon damals unbedingt Rockstar werden. Hätte vielleicht sogar geklappt, wenn wir die Band zehn Jahre früher gegründet hätten. So aber haben wir das einfach alles auf uns zukommen lassen. Wir hatten allerdings schon so eine Art Vision, wie so eine Band auszusehen und zu funktionieren hat, nicht zuletzt dadurch, dass ich eben beinharter KISS-Fan bin. Dieses ganze Comic- und Horror-Ding hat uns einfach total fasziniert, weshalb wir sagten: „Wenn schon, dann machen wir das Ganze auch richtig!“ In dieser Hinsicht ergänzten wir uns einfach prächtig, denn wir konnten vieles selbst in die Hand nehmen. Unser Drummer ist zum Beispiel gelernter Modellbauer, ich hatte schon damals Kontakte in die Horror-Szene und so führte einfach eins zum anderen. Natürlich haben auch wir es uns erlaubt, ein wenig zu träumen, zum Beispiel von einem Riesen-Live-Spektakel mit echten Schauspielern, Feuerwerk, Hebebühnen, etc. Das wäre ja auch nach wie vor total geil, auch wenn das natürlich nie passieren wird. Im Grunde jedoch haben wir einfach versucht, mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln das Bestmögliche zu erreichen und auf bereits Erreichtes immer noch einen draufzusetzen.

Den Opener für Alice Cooper durftet ihr ja schon machen.

Ja, und das war auch total geil. Der war auch voll nett, hat sich uns unnötigerweise vorgestellt, Fotos mit uns gemacht und so weiter. Wir mussten aber aufpassen, dass wir uns dabei nicht zur obligatorischen Pommesgabel hinreißen lassen, das findet er als wiedergeborener Christ nämlich gar nicht witzig, hahaha. Aber im Ernst, das war schon echt ein cooles Ding, genauso wie solche Festivals wie Wacken zu spielen oder Touren durch die USA ... Alles, was jetzt noch kommt, ist im Grunde ein Bonus für uns, denn all das, was wir erreichen wollten, haben wir inzwischen geschafft.

Euer Konzept und die jeweiligen Charaktere der Band spielten euch da sicher in die Hände, oder?

Absolut! Ohne all das wären wir sicher nicht so weit gekommen, denn niemand möchte heute noch irgendwelche „Normalos“, die einen auf Horror machen, auf der Bühne rumhampeln sehen. Da ist es schon hilfreich, wenn die Leute eben nicht einen Thorsten Wilms als Sänger da stehen sehen, sondern eben die Figur Rod Usher und uns das auch wirklich abkaufen. Klar ist es schon recht anstrengend, sich immer wieder vor den Shows zu schminken, denn mit ein bisschen Clownweiß im Gesicht ist es ja nicht getan. Andererseits haben wir da inzwischen eine gewisse Routine und außerdem hat man so backstage wenigstens was zu tun, hahaha.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Band sind auch eure Comics, deren erster Teil die Entstehungsgeschichte der Band behandelt und Teil zwei logisch darlegt, warum ihr einen neuen Bassisten brauchtet.

Genau, denn es war uns wichtig, Migore nicht einfach zu ersetzen oder jemand anderen ganz KISS-mäßig in sein Kostüm zu stecken. Das wäre ihm gegenüber nicht fair gewesen, denn schließlich hat er die Band nicht verlassen, weil er keinen Bock mehr darauf hatte, sondern weil er die notwendige Zeit nicht mehr hat aufbringen können. Als Roland dann zu uns stieß, haben wir überlegt, wie wir ihn jetzt am besten in die Geschichte der Band integrieren, was letztlich in der Figur Victor Sharp gipfelte, zumal Rolands Nachname passenderweise ja auch Scharf lautet, haha. Den haben wir einfach ins Englische übersetzt und der Figur den entsprechenden Job, Scharfrichter, verpasst. Das macht einfach unglaublichen Spaß, sich da hinzusetzen bei einem Bierchen und einfach mal rumzuspinnen, wie man die Geschichte entwickeln kann.

Außerdem spielt ihr auch musikalisch immer mit der Nuance neuer Elemente, die es braucht, um den Hörer immer wieder zu überraschen und trotzdem eurem Stil treu zu bleiben.

Und genau das ist für uns die große Kunst. Es ist wichtig, deine Fans nicht durch pure Langeweile zu verprellen und stattdessen immer wieder auch neue Elemente mit in den Sound einfließen zu lassen. Dabei musst du dann jedoch eine gewisse Balance finden, denn zu weit von seinem Sound darf man sich ja auch wieder nicht entfernen.

Ein Produzent wie Waldemar Sorychta ist da sicher auch hilfreich.

Definitiv, denn Waldemar hat in so unterschiedlichen Stilen Erfahrungen sammeln können, dass eine Band wie wir davon nur profitieren kann. Dabei gelingt ihm das Kunststück, jeder Band ihren eigenen Sound zu verpassen und sie nicht etwa nach Waldemar Sorychta klingen zu lassen. Er hat ja nicht nur Sachen wie THE GATHERING, MOONSPELL, TIAMAT oder LACUNA COIL gemacht, sondern auch SS-KALIERT, sogar für die neue SLIME-Platte war er im Gespräch. Das spricht für seine Vielseitigkeit, die uns bei einem Produzenten wichtig ist. Er hat so viele Ideen, die wir dann analysieren und durch den „Bandfleischwolf“ drehen, und das, was davon übrig bleibt, ist dann der „THE OTHER-Style“. Wenn wir jedoch Ideen von ihm übernommen haben, dann haben diese den jeweiligen Song aber auch weit nach vorne gebracht. Weil er eben der Band das letzte Wort lässt, klingen seine Produktionen so vielseitig.

Auch das Artwork spielt eine nicht unwesentliche Rolle bei euch ...

Ich finde, das muss auch so sein, denn schließlich stellt das Artwork für viele den ersten Kaufanreiz dar. Ich kann Bands nicht verstehen, die sich da keinen Kopf drum machen, und für uns gehört das schließlich zum Konzept der jeweiligen Platte. Das ging bei mir ja schon damals los, als ich bei meinem Cousin im Schrank eine KISS-Platte entdeckt habe und mir dachte: „Alter, wie geil sehen die denn aus!“ Dass die Musik dann auch noch so eine Offenbarung war, das war dann das sprichwörtliche Tüpfelchen auf dem „i“.