LUCIFER STAR MACHINE

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Violent Rock’n’Roll

Man könnte sagen, LUCIFER STAR MACHINE hätten den Mund recht voll genommen, als sie ihr neues Album wenig dezent „Rock’n’Roll Martyrs“ nannten. Immerhin sind Märtyrer Menschen, die für ihre Sache gerne auch mal ihr Leben lassen – und so weit geht die Band um Frontmann Tor Abyss bislang jedenfalls noch nicht. Fakt ist allerdings: LUCIFER STAR MACHINE klotzen auf der Märtyrer-Platte so dermaßen rotzig und knallhart rock’n’rollig drauflos, als ginge es tatsächlich um ihr Leben. Eine Bremse kennen sie nicht. Der Riff-Dampfhammer knüppelt mit einer Gewalt und Energie los, die man im Punk derzeit nicht allzu oft findet, dabei geht es in ihren „Violent Rock’n’Roll“-Songs nicht nur um Prügeln und Saufen und die pure Aggression. Wir baten Tor, uns das luziferische Starmaschinenuniversum einmal genauer zu erklären.

Tor, euer neues, famoses Album heißt „Rock’n’Roll Martyrs“. Ein Märtyrer ist per definitionem jemand, der für seine Sache stirbt – oder zumindest große Entbehrungen erleidet. Welches Opfer bringen LUCIFER STAR MACHINE für ihre Sache, den Rock?


Wir stecken unser ganzes Herzblut in diese Sache. LUCIFER STAR MACHINE gibt es nun seit elf Jahren und wir ziehen unser Ding von Anfang an kompromisslos durch – ohne kommerzielle Erfolge, einfach nur wegen unserer Liebe zum Rock’n’Roll. Viele Leute können nicht verstehen, warum wir unsere ganze Power in etwas stecken, das uns weder Geld noch großen Ruhm bringt. Wenn man uns jedoch live sieht, ist jedes Unverständnis beiseite gewischt. Man sieht uns hundertprozentig an, dass wir unsere Musik leben und somit unsere Energie auf den letzten Ungläubigen übertragen.

Andy Brook, der „Rock’n’Roll Martyrs“ produzierte, wurde in diesem Jahr bei den Music Producers Guild Awards gleich in drei Kategorien nominiert – darunter „UK Producer of the Year“. Erzähl doch mal, was hat Brook euch und eurer neuen Platte gegeben beziehungsweise was zeichnet ihn aus?

Er hat einfach Verständnis für Musik. Er weiß, wie er das Beste aus dir rausholt. Wir hatten extreme Probleme bei der Scheibe davor. Der damalige Produzent hatte leider ein ziemlich krasses Heroinproblem, von dem wir zuvor nichts wussten. Die Aufnahmen waren damals ein absoluter Alptraum. Andy wurde uns wärmstens empfohlen – zudem kannten wir seinen Namen bereits durch seine Arbeit mit THE GRIT. Er hat es geschafft, unseren Live-Sound einzufangen. Die Produktion ist dreckig und hat immense Power, aber ist trotzdem noch transparent und die Details und Melodien gehen nicht im Soundgewitter unter.

Was hat sich für euch, vom Produzenten abgesehen, im Vergleich zu den vorigen Alben geändert?

Wir haben uns viel mehr Zeit mit dem Songwriting gelassen. Außerdem hat sich seit der letzten Platte das Line-up komplett geändert. Es sind jetzt einfach bessere Musiker in der Band, die zudem noch gute Freunde sind. Das hat sich natürlich auch aufs Songwriting ausgewirkt. Die Aggressivität und Energie ist immer noch genauso da, aber die Songs sind jetzt viel melodischer und richtig eingängig. Wir wollten letztlich ein Album schreiben, bei dem wir jeden Song als Single veröffentlichen könnten – und das ist uns auch gelungen. Auch textlich fahren wir jetzt eine andere Schiene. Der erste Song „Hold me down“ ist zum Beispiel ein Liebeslied. Ich dachte früher immer, du musst angepisst sein, um guten Punkrock und aggressive Musik schreiben zu können. Heute weiß ich, dass das nicht stimmt. Wir haben natürlich auch aggressivere Themen, wettern über organisierte Religion und erzählen brutale Geschichten, aber ohne dabei die Gewalt zu glorifizieren.

Ihr nennt euren Stil „Violent Rock’n’Roll“. Muss Rock’n’Roll immer gewalttätig sein?

Nein, muss er nicht. Aber unser Rock’n’Roll ist eben voll in die Fresse. Wir haben die Energie und Aggressivität vom Hardcore auf unsere Musik übertragen und daher ist jeder unserer Songs wie ein Tritt in die Eier. Verschnaufpausen gibt es bei uns keine. Auf alle Fälle ist dieses „violent“ nur auf die Musik bezogen. Wir haben null Bock auf irgendwelche Aggro-Scheiße.

Du hast einige Zeit in London gelebt. Wie steht es aktuell um die Punk-Szene in dieser – ehemaligen – Punk-Hauptstadt?

Heutzutage ist das Ganze eher vermischt, wie auch bei unseren Gigs. Da siehst du Punks, Greaser, Psychos, Skins und auch Metalheads. Und ich finde das gut so.

Du selbst bist damals aus Bayern nach England gezogen. War es wegen der konservativen Bayern um dich herum oder hatte es rein musikalische Gründe?

Ich war gerade aus der Mod-Szene herausgewachsen, als ich im Jahr 2000 nach London ging. Früher war ich mit der Szenezugehörigkeit eher sprunghaft: Ich bin als Metalhead aufgewachsen und habe dann immer wieder neue Richtungen von Undergroundmusik für mich entdeckt, weil mir schnell langweilig wurde. Ich bin heute froh darüber. Man fährt als Musiker um einiges besser, wenn man aufgeschlossen ist und sich auch von Musik jenseits der eigenen Szenegrenzen inspirieren lässt. Ich höre alles, von Northern Soul, Rockabilly, Sixties-Garage über Punk und Psychobilly bis zu D-Beat, Hardcore und Oldschool Metal. Szenen sind mir heute egal. Ich muss keinem was beweisen. Das meiste fällt für mich eh unter den Gesamtbegriff Rock’n’Roll. Der Grund, warum ich damals nach London gezogen bin: Ich stamme aus der oberbayerischen Provinz, und ich habe mich da schon immer fehl am Platz gefühlt. Ich wollte einfach in eine Großstadt, und London hatte mich schon lange gereizt. Mittlerweile weiß ich: London ist jenseits der Hipness und Coolness ein Gebräu aus Dreck, zu hohen Mieten, aus Klassengesellschaft und einem miesen Gesundheitssystem. Klar, Party kannst du machen. Aber die Lebensqualität ist scheiße. Darum wohne ich jetzt wieder in Deutschland.

Im Netz habe ich ein Interview mit dir gefunden, in dem du aus deiner Ablehnung gegenüber „political correctness“ keinen Hehl machst. Ist das eine Grundvoraussetzung für Punk?

Punk hat für mich die gleiche Ideologie wie Satanismus: Tu, was du willst. Mir ist es scheißegal, ob du Vegetarier oder Veganer, Christ oder Muslim – solange du mir deine Meinung nicht aufdrängen willst. Viele, die ein politisches oder religiöses Extrem vertreten, sind leider oft sehr unaufgeschlossen und müssen jedem ihre Meinung aufdrängen, teilweise auch mit Gewalt. LUCIFER STAR MACHINE sind eine völlig unpolitische Band. Aber die p.c.-Brigade schreit natürlich gleich auf, wenn man ein Eisernes Kreuz auf dem T-Shirt trägt oder dem Maskottchen eine Pickelhaube aufsetzt. Dabei ist Provokation ein großer Teil von Punk. Das vergessen die p.c.-Menschen und -Menschinnen dann aber leider und würden am liebsten alles zensieren, was ihnen nicht passt. Toleranz ist das Zauberwort.