VINYL-SPECIAL

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Michael Schuster (Cargo Records) über Schallplatten

Der Wuppertaler Musikvertrieb Cargo Records hat das wohl größte Vinylprogramm in Deutschland, bringt Sieben-, Zehn- und Zwölfzöller von Labellegenden wie Sub Pop, Dischord, Alternative Tentacles, SST und zig anderen in die Läden und Mailorder. Für viele seiner Labels kümmert sich Cargo auch um die Herstellung der Platten, sprich: diese werden im Auftrag der Labels hauptsächlich in Deutschland, auf jeden Fall aber in Europa gepresst. Cargo-Gründer und -Geschäftsführer Michael Schuster hat entsprechend viel Erfahrung im Umgang mit Vinyl, von der Pressung bis zum Verkauf, und diese Leidenschaft geht zurück auf den kleinen Plattenladen Subway Records in Dillingen an der Donau, den er Ende der Achtziger gründete und aus dem sich schon bald jenes Label entwickelte, auf dem THE NOTWIST einst ihr Debütalbum veröffentlichten. Der richtige Ansprechpartner also für unsere Fragen rund um den Mythos Vinyl.

Kannst du dich erinnern, was deine erste Schallplatte war?


Ich meine, es war eine „Räuber Hotzenplotz“-Hörspielplatte, aber meine erste Musikplatte war von Shakin’ Stevens. Und ich habe auch mal versucht, selbst eine Platte zu machen, indem ich Kerzenwachs auf die Platte goss, um so einen Abdruck zu machen. Leider ließ sich das Wachs nicht mehr wegkratzen, haha. Das mit dem eigenen Plattenpresswerk im Kinderzimmer hat also nicht geklappt. Später fing ich dann an, meine eigenen Mixtapes zu machen, indem ich aus dem Radio mitgeschnitten habe, wobei es da immer blöd war, wenn der Moderator in die Songs reingequatscht hat. Da war ich vielleicht 16 oder so, und bald darauf fing ich dann an, selbst Platten zu kaufen, so aus dem New-Wave-Bereich. Bald wurden dann auch Labels wie SST und Dischord wichtig, ab Mitte der Achtziger.

Warst du von Anfang an Sammler oder ging es einfach darum, die Musik selbst zu haben?

Ich wollte die Sachen haben und habe dann auch oft auf Partys Platten aufgelegt. Was zur Folge hat, dass ich heute noch glaube, Platten zu besitzen, die ich damals aber irgendwo versehentlich liegen gelassen habe, man ja war oft nicht mehr ganz nüchtern ... Ich habe ungern Platten verliehen, weil man wusste, dass man die kaum zurückbekommen wird.

Ziemlich früh kam bei dir dann der Schritt zum eigenen Plattenladen und -label.

Also am Anfang war die eigene Band – ich war der Jüngste und mir wurde das Schlagzeug zugewiesen, obwohl ich gar keines hatte, also fuhren wir los und kauften eines. JUNKYARD QUEENS hieß die Band ... Ich sollte mich dann auch noch um die Konzerte kümmern – keine Ahnung, warum das an mir hängen blieb – und so kam ich dazu, mich eben um all das Organisatorische zu kümmern. Ich machte damals eine Lehre als Industriekaufmann, hatte aber keine Lust, in dem Beruf weiterzuarbeiten, und so machte ich dann mit einem Freund einen Plattenladen auf. Das war 1988, ich war gerade 18 geworden, und meine Mutter musste für den Kredit bürgen. Praktischerweise musste ich zur gleichen Zeit meinen Zivildienst ableisten, mir wurde die Miete bezahlt und ich bekam einerseits für damalige Verhältnisse recht viel Geld, hatte andererseits aber auch viel Zeit. Da lief das finanziell okay, hart wurde es erst, als der Zivildienst vorbei war und wir uns komplett mit dem Plattenladen über Wasser halten mussten. Da fingen wir dann auch an, Konzerte zu organisieren, zum Beispiel mit SPERMBIRDS, NOMEANSNO und DEAD MOON, fuhren durch die Gegend und verkauften auf Konzerten Platten. Und dann ging es 1989/90 mit dem Label los, RESISTORS waren die erste Band, THE NOTWIST die zweite, deren Debüt erschien 1990, und das funktionierte.

Vom Vinylkäufer zum Plattenverkäufer und dann zum Auftraggeber eigener Pressungen ging das sehr schnell. Wie hast du rausgefunden, wie das geht?

Ich war bei beiden Bands oft mit im Studio, habe mir alles angeschaut und bekam eine Vorstellung davon, wie das alles läuft. Und da war nach dem Studio der nächste logische Schritt das Mastering und dann das Presswerk, das ließ ich mir alles erklären. Über Vinyl an sich habe ich damals aber nicht nachgedacht, das war damals noch das Standardmedium. Heute interessiere ich mich viel mehr für die ganze Technik, die damit zusammenhängt, damals hingegen wusste man, dass eine LP besser klingt als ein Tape, und das reichte.

Wie hat sich im Laufe der Jahre Subway als Label im Hinblick auf die Formate CD und LP entwickelt? Die frühen Neunziger waren ja die Zeit, als viele Leute ihre Plattensammlung verkauften, um sich alles noch mal neu auf CD zu kaufen.

Also was auf LP erschien, kam nicht immer auch als CD. CD als Format hat mich als Label damals nie wirklich interessiert, und in der Zeit, in der der Laden existierte, haben wir nie CDs geführt, und Vinyl auch nur von Indielabels und unabhängigen Vertrieben wie EFA, SPV oder Fire Engine – Majorplatten hatten wir nicht. Der Trend weg vom Vinyl kam erst etwas später.

Du bist dann von Dillingen nach Wuppertal umgezogen, aus dem Plattenladen wurde ein Mailorder, das Label blieb, und nach und nach kam immer mehr Großhandel dazu und letztlich 1998 die Gründung von Cargo Records. Von Anfang an spielte bei Cargo Vinyl eine große Rolle. Warum?

Dahinter steckte schon immer mein persönliches Interesse an diesem Format. Wenn man in seinem Plattenladen bewusst keine CDs verkauft, sich von dem damaligen Hype um die CD nicht hat anstecken lassen, dann ändert man seine Einstellung nicht so einfach. Natürlich gab es die Platten auf Subway, etwa das NOTWIST-Debüt, irgendwann auch auf CD, weil die Leute danach verlangten, aber da musste man sich eben den Zwängen des Marktes fügen. Dass ich mich dann dem Vertriebsgeschäft zugewandt habe, hing damit zusammen, dass mein damaliger Vertrieb Semaphore Konkurs anmelden musste und ich selbst wie auch einige andere Labels wie Lookout oder Captain Oi! plötzlich ohne Vertrieb dastanden. Und aus Subway Distribution wurde dann ganz schnell Cargo Records. Von Anfang an stand bei vielen der Labels, etwa Lookout, das Vinyl im Vordergrund, das war immer das wichtigere Format, und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Damals in den Neunzigern war Vinyl aber doch eigentlich auf dem absteigenden Ast, gerade die Majorlabels veröffentlichten nur noch auf CD. Damals wurden LP-Pressmaschinen doch sicher reihenweise verschrottet oder mit Glück eingemottet.

Klar, damals gab es sehr viele Presswerke, die stellten fast alle auf CD um. Da kann man eben auch mal 100.000 Stück am Tag auf einer Maschine fertigen, nicht nur 1.000 LPs wie mit einer Vinylpresse. Das Sterben der Vinylpresswerke nahm man damals in den Neunzigern kaum wahr, muss ich ehrlich sagen. Erst seit ein paar Jahren stellt man fest, dass es nur noch wenige Anbieter in Deutschland und Europa gibt.

Es heißt ja immer wieder, dass es nicht die Punk-, Hardcore- und Indie-Fans waren, die Vinyl und die zu seiner Herstellung nötige Infrastruktur gerettet haben, sondern die Dance-, Techno- und HipHop-Szene mit ihrer DJ-Kultur.

Das sehe ich auch so. Der Dance- und Techno-Boom hat die Presswerke lange Zeit noch am Leben gehalten, sonst sähe es heute sicher düster aus, da wären sicher noch weniger Presswerke übrig. Das war aber alles wirklich ziemlich undergroundig, da wurden auch nur kleine Auflagen gepresst, 300 White-Label-Platten oder so. Solange das noch lief, ließen die Firmen die Pressen noch laufen, auch wenn es sich eigentlich kaum noch gerechnet hat.

In den letzten Jahren fiel diese Kundschaft der Presswerke weg, die Dance-DJ-Kultur läuft heute fast völlig digital. Konnte „unsere“ Musik das auffangen?

Sicher nicht im vollen Umfang. Früher wurde einfach mehr Vinyl verkauft, auch kleine Labels oder Bands konnten ein paar tausend LPs verkaufen, wohingegen heute 1.000 LPs schon ein Erfolg sind. Und wenn man dann sieht, dass damals irgendwelche DJs in kurzen Abständen ein paar hundert Platten pressen ließen, kann man sich das Verhältnis vorstellen. Das war in der Masse sicher mehr als das, was an Punkrock-Sachen hergestellt wurde. Über viele Jahre war Vinyl ja bei vielen abgeschrieben, in den großen Ketten wie Saturn und Media Markt gab es das nicht mehr zu kaufen. Nur die Indie-Läden haben damals noch Vinyl angeboten, und all die Konzertverkäufer und Mailorder.

Du hast erste Erfahrung im Umgang mit Presswerken schon mit deiner ersten Labelveröffentlichung gemacht, später dann musstest du dich dem Thema immer mehr widmen, denn für Labels aus den USA wurde es immer teurer, Platten über den Atlantik zu transportieren.

Meine Idee war, dass man dahin kommen muss, Platten nicht nur zu vertreiben, sondern auch selbst herstellen zu lassen, idealerweise im eigenen Presswerk. Der Vorteil: man reduziert die hohen Frachtkosten aus den USA, hat weniger Ärger mit beschädigten Plattencovern, muss nicht lange auf die Lieferung warten. Wenn man sich mit der Vinylherstellung aber mal genauer beschäftigt, merkt man bald, dass das ein sehr komplexer, aufwändiger Vorgang ist. Galvanik, Schnitt, Pressung ... das ist alles eine Wissenschaft für sich. Also fuhr ich quer durch Deutschland und schaute mir Presswerke an, um zu sehen, mit wem man da kooperieren kann – es muss ja nicht gleich ein eigenes Presswerk sein. Ich merkte dann schnell, dass es sich da um richtiges Handwerk handelt.

Wie muss man sich so ein Presswerk vorstellen? Was ich davon weiß, hört sich nach Hitze, Lärm und Schmutz an, also so, wie man sich eine Fabrik vorstellt, wohingegen CD-Produktion nach leiser, sauberer Hi-Tech klingt.

Ja, bei der Vinylproduktion stinkt es, da ist Öl, das ist ein dreckiges Geschäft. Man braucht recht viel Platz für so ein Presswerk, die verschiedenen Arbeitsschritte sind komplex, allein schon die Galvanik, wo die Pressform hergestellt wird, ist ein aufwendiger Vorgang, für den es erfahrene Fachleute braucht. Und die Pressung an sich aus dem Rohmaterial, einem Kunststoffgranulat, erfordert sehr viel Erfahrung: Temperatur und Druck müssen stimmen, danach muss abgekühlt werden. Platten presst man nicht mal eben so, dafür braucht man erfahrene Fachleute. Interessant ist, dass die Vinylpressen heute alles alte Maschinen sind, neu baut so was schon lange keiner mehr. Immer wieder mal taucht das Gerücht auf, bald gäbe es keine Ersatzteile mehr, aber das ist Quatsch, da wird sehr viel improvisiert und modernisiert. Solange die Nachfrage nach Vinyl besteht, lohnt sich auch die Investition in die alte Technik. Gedanken mache ich mir vielmehr um das Wissen der Fachleute, die schon seit Jahrzehnten in diesem Bereich arbeiten, ob nun im Mastering, der Galvanik oder der Produktion: deren Know-how droht mit deren Ausscheiden aus dem Beruf verloren zu gehen, und auf das Know-how kommt es an, das merken wir immer wieder. Die Unterschiede zwischen den Presswerken sind durchaus beträchtlich, nicht jedes kommt mit jedem Genre gut klar, was mit dem Schnitt der Pressmaster zu tun hat: Sitzt da einer, dessen Erfahrung eher im Jazz liegt, tut er sich mit der anderen Dynamik und Lautstärke einer Metal-Aufnahme vielleicht schwer. Da gibt es beim Endprodukt durchaus Unterschiede, je nach Hersteller kann eine Platte anders klingen, und dann kommt da noch die Pressung an sich dazu, etwa was die Qualität des Granulats betrifft oder Temperaturschwankungen beim Pressen. Mit ein paar Jahren Erfahrung weiß man irgendwann, wie man mit den verschiedenen Presswerken zusammenarbeitet: Das eine macht guten Schnitt und gute Pressungen, das andere kommt je nach Musik mit dem Schnitt nicht so gut klar, presst aber sehr gut, also muss man den Schnitt woanders machen lassen, und so weiter – immer mit dem Ziel vor Augen, bestmögliche Qualität liefern zu können.

Es ist also ein sehr komplexer Prozess, und je mehr man sich damit beschäftigt, je mehr Erfahrung man hat, desto mehr Feinheiten tun sich auf.

Genau, und das setzt sich in solchen Details wie dem Etikett fort. Das wird ja nicht aufgeklebt, wie viele denken, sondern eingepresst, und da muss einfach die Qualität stimmen. Gleiches gilt für die Drucksachen und Cover: Da gibt es ganz verschiedene Modelle und Qualitäten, so was kann nicht jede Druckerei herstellen, dafür braucht man erfahrene Spezialisten. Es gab Zeiten, da hat man von den Presswerken wirklich ganz miese Cover angeboten bekommen. Oder der Druck war okay, aber die Cover waren schlecht geklebt und sind dann wieder auseinandergefallen. So ein Cover hat bestimmt jeder im Plattenregal stehen, aber das hat sich größtenteils zum Glück geändert. Teilweise scheiterte es einfach schon an simplen Dingen, dass etwa ein Kunde ein rauhes, also von innen nach außen gedrehtes Cover wünschte, der Karton aber auf der rauhen Seite nicht weiß, sondern hellbraun war. Druckte man da dann eine knallige Farbe drauf, sah die am Ende ganz anders aus, als gewünscht ... Natürlich gibt es auch schön gemachte CD-Booklets oder Digipaks, aber bei Vinyl ist der Anspruch an die Gestaltung und Ausführung des Covers schon sehr groß – Textblätter, bedruckte Innentaschen, Klappcover und so weiter, da gibt es viele Möglichkeiten und die muss man umsetzen können. Grafik, Druck und Verarbeitung müssen da Hand in Hand gehen. Man sieht leider auch heute noch – oder wieder – lieblos gemachte Platten, bei denen man deutlich erkennt, dass die Ausgangsbasis für das Cover die CD war, und das Booklet wird eben unterschlagen. Das soll dann trotzdem 25 Euro kosten – da regen sich die Käufer dann zu Recht darüber auf.

Ich stelle es mir als recht aufwendig vor, speziell im Rerelease-Geschäft, die ganzen Drucksachen und Masterdaten neu zu erstellen. Als die Platte zuletzt gepresst wurde, gab es noch gar keine digitalen Grafikdaten, die originalen Druckfilme sind längst vernichtet, ebenso die analogen Masterbänder. Wie schafft man das, alles wieder zu beschaffen?

Es ist auf jeden Fall extrem aufwendig, all diese Materialien zu beschaffen oder neu zu erstellen. Gerade beim Umstieg von LP auf CD hat man die 1- oder 2-Zoll-Tonbänder auf DAT gezogen, und mit etwas Glück sind die noch erhalten, aber auch das ist nicht sicher. Ich kenne das aus eigener Erfahrung mit meinem Label, auch da habe ich nicht mehr alle Bänder und frage mich, wo die geblieben sind. Irgendwann dachte man sich wohl, das braucht man nicht mehr, und so sind die Analogbänder verschwunden. Genauso ist das mit Bild- und Grafikmaterial: irgendwann fragte man sich, warum man diese ganzen Druckfilme noch aufbewahren soll, und so landeten die im Müll – das nahm ja alles so viel Platz weg. So ein LP-Film, der war größer als ein A1-Bogen. Tja, und dann stellt man später fest, dass man die Originalgrafik nicht mehr hat, oder die ist auf digitalen Massenspeichern, die heute keiner mehr lesen kann ... So wird heute viel Zeit aufgewendet und Geld ausgegeben, um Aufnahmen aufzubereiten und Grafikdaten neu zu erstellen – und zwar möglichst originalgetreu.

Da stellt sich also die Frage, wie original ist eine Neuauflage einer legendären Rock-Platte aus den Siebzigern, die damals auf der teuersten Technik entstand und aufwendig gemastert wurde, bevor die LP gepresst wurde, wenn heute so eine Platte mit den Audiodaten einer schlechten CD-Pressung aus den Neunzigern hergestellt wird.

Diese Frage stellt sich in der Tat, aber das betrifft auch Pressungen aktueller Bands. Wir machen, wenn wir eine LP herstellen, von den angelieferten Audiodaten erst mal im Studio ein spezielles Analogmaster, von dem dann das Master geschnitten wird. Es spielt eben eine große Rolle, wie diese Audiodaten aufbereitet werden – für die Produktion einer CD müssen die anders bearbeitet werden als für eine LP. Jede Art des Wiedergabematerials hat andere Anforderungen. Wenn man einfach nur eine CD nimmt und davon Vinyl presst, das hört man.

Einen recht großen Anteil des Vinylmarkts nimmt offenbar der Bereich der Neuauflagen alter Klassiker ein. Kannst du das bestätigen?

Das ist auf jeden Fall so. Reissue-Labels wie Music On Vinyl oder Light In The Attic, die sich den Neuauflagen mit sehr viel Liebe zum Detail widmen, spielen eine große Rolle. Da kommt es vielen Käufern auf eine möglichst originalgetreue, gute Reproduktion an, und dann darf die Platte auch etwas mehr kosten.

Apropos: Die Preisgestaltung ist immer wieder Grund für Diskussionen. Deine Meinung dazu?

Also es gibt sicher Vinyl, das wirklich teuer ist. Es gibt aber auch Vinyl, das zunächst teuer erscheint, aber wenn man sich anschaut, wie aufwendig die Aufmachung ist, ist der Preis sicher angemessen und die Frage müsste eher lauten, warum die CD so teuer ist. Der Preis hängt letztlich ab von der Auflage und von der Aufmachung, aber auch von den Vorarbeiten. Wir sprachen ja bereits von der Aufbereitung der Aufnahmen: Studiozeit ist teuer. Oder die Neuerstellung der Grafik, so was ist sehr aufwendig, zeitintensiv und teuer, und dazu kommt dann noch die Recherche für ein umfangreiches Beiheft mit Fotos und Bandgeschichte, zum Beispiel bei einem auf hochwertige Rereleases spezialisierten Label wie Light In The Attic. Da hat man aber auch entsprechenden Auflagen: für Europa haben wir beispielsweise von Rodriguez – der Kerl aus dem Film „Searching for Sugarman“ – über 20.000 LPs gepresst. Bei vielen Platten, die man für nichts Besonderes hält und wo man denkt, dass da doch sicher noch zigtausende irgendwo in den Schränken stehen, sind dann aber auch wir als Vertrieb oft überrascht, welch große Nachfrage da besteht.

Dennoch: Wie wird das bisweilen recht hohe Preisniveau gerechtfertigt? Klar gibt es auch Platten für 15 Euro, andere liegen aber auch schnell bei 20 bis 25 Euro und darüber. Nicht jeder kann nachvollziehen, warum das so ist. Alleine an der Dicke des Vinyls und am Klappcover kann es kaum liegen. Und sowieso hat sich die alte Gesetzmäßigkeit, die bis nach der Jahrtausendwende Bestand hatte, ins Gegenteil umgekehrt: LPs kosteten von unter 10 bis 15 Euro, CDs 12 bis 20 Euro. Heute hat sich das umgekehrt, oft CDs werden in den Elektromärkten für 5 Euro verramscht.

Das ist ein weitreichendes Thema, pauschale Antworten gibt es da nicht. CDs sind nicht grundsätzlich in den Elektromärkten Ramschware, auch da gibt es CDs, von kleineren Labels oder in kleineren Auflagen oder eben auch Importe, die nicht zwingend auf die Masse abzielen, zu einem recht hohen Preis. Die kosten dann auch mal 17,99. Im Vinylbereich kommen dann wieder die eben schon genannten Faktoren wie Auflage und Aufwand zum Tragen, aber auch das Label ist ein Faktor. Vinylversionen von Majorlabel-Bands sind beispielsweise oft eher teuer, denn die kalkulieren anders. Da schlägt sich die Bauzaunplakatierung für einen Künstler letztlich auch im Verkaufspreis der LP nieder. Im Gegenzug verkaufen manche kleine Indielabels ihre CDs und auch LPs eigentlich viel zu günstig, da bleibt kaum was hängen. Aber wenn der Labelmacher das Label nicht zum Geldverdienen betreibt, sondern als Hobby, ist es auch nicht so wichtig, damit viel Geld zu verdienen. Und wieder andere Releases, etwa die Lee Hazlewood-Vinylbox, sind so aufwendig gemacht, so was muss im Laden weit über 100 Euro kosten.

28 Euro für eine Doppel-LP muss man aber schon bezahlen wollen und können. Ich kann mich bisweilen nicht des Eindrucks erwehren, dass da seitens des Labels auch ein gewisser „politischer“ Preis genommen wird: die Band ist angesagt, die Käuferschaft zahlt das, also nehmen wir das. Oder ist das zu böse gedacht?

Das kann, mag und wird bei manchen Labels so sein, aber pauschal kann man das nicht sagen. Aus diesem Grund haben wir bei Cargo aber im Vinylsektor auch ein sehr differenziertes Preisraster. Bei CDs gibt es Standardpreise mit ein paar Abweichungen nach unten und oben. Bei einer LP gibt es keinen Standardpreis, da geht das von 10, 15 Euro bis über 30 Euro. Ein gutes Beispiel ist der Record Store Day: Da haben wir teilweise kleine Auflagen von extra für diesen Anlass gepressten Platten nach Deutschland geholt, den Läden zu einem fairen Preis angeboten, und nach kürzester Zeit standen die für den fünffachen Preis auf Ebay. Da fragt man sich schon, was das soll. Letztlich legt jeder seine Schmerzgrenze für den Preis, den er zu zahlen bereit ist, selbst fest. Ich persönlich habe immer dann ein Problem mit einem Preis, wenn man die Platte in der Hand hält und sich das, was man zahlen soll, nicht in der Aufmachung und Wertigkeit widerspiegelt. Es gibt auch Platten, für die ich privat nicht bereit wäre, den geforderten Preis zu bezahlen – und manchmal nehmen wir Platten auch nicht ins Programm, weil wir den vom Lieferanten geforderten Preis nicht für angemessen halten. Letztlich fällt so ein Preis auch auf uns zurück.

Auch insgesamt hat sich Vinyl vom Billig-Secondhand-Format zum teuren Sammlerstück entwickelt. Die Zeiten, als man noch ernsthaft Schnäppchen machen konnte, sind längst vorbei, in den Gebrauchtläden – der Übergang zu Neuware-Händlern ist fließend – stehen Computer mit Dauerverbindung zu Discogs, und alle rufen die gleichen, oft absurd hohen Preise auf. Wer heute jung ist und sich eine Sammlung aufbauen will, mit Klassikern wie auch aktuellen Releases, muss verdammt viel Geld haben. Vinyl ist ein Luxusartikel geworden.

Insgesamt gesehen ist da sicher was dran. Wer jetzt anfängt, eine Plattensammlung aufzubauen, der muss sicher mehr Geld ausgeben als vor zwanzig Jahren, und es kostet auch mehr, als wenn man sich diese Musik auf CD kaufen würde. Andererseits ist bei Vinyl der Preisverfall auch nicht so gegeben wie bei CDs. Ich will nicht sagen, dass man Vinyl als Geldanlage sehen sollte – was ich persönlich zwar sympathisch fände, aber nicht für realistisch halte –, aber CDs, die man sich irgendwann mal auf den Computer zieht, wo die Musik zu einer Datei reduziert wird, haben faktisch keinen Wert mehr, wohingegen Vinyl immer einen gewissen Wert haben wird. Vinyl ist teurer, unterliegt aber nicht so einem starken Preisverfall. Während CD-Neuveröffentlichungen im Handel schon nach kurzer Zeit schon von 17,99 auf 12,99 und 7,99 fallen, gibt es das bei Vinyl nicht oder eher selten.

Kommen wir noch mal auf die Presswerke zu sprechen. Wie viele gibt es eigentlich noch, in Deutschland und dem Rest von Europa?

In Holland gibt es ein Presswerk, in England meines Wissens zwei, in Tschechien eines, in Italien eines, in Deutschland gibt es noch vier Werke, wobei nicht jeder, der damit wirbt, Vinyl herzustellen, eigene Maschinen hat: viele Firmen vermitteln nur Aufträge an die eigentlichen Presswerke. Diese wiederum sind seit geraumer Zeit schon ausgelastet, man muss teilweise recht lange warten, und wenn dann der Record Store Day ansteht, muss man die Aufträge zwei, drei Monate vorher anmelden, sonst werden die nicht rechtzeitig fertig.

Wie viel Vinyl wird in Deutschland gepresst heutzutage?

Laut offiziellen Zahlen der GfK waren es 2012 circa eine Million Vinyltonträger, aber das ist eben eine offizielle Zahl, die sich nur auf jene Platten bezieht, die beim Verkauf über eine Scannerkasse gingen. Da sind also die ganzen kleinen Mailorder, die White-Label-DJ-12“s und die Verkäufe kleiner Plattenläden nicht dabei. Wenn man die paar hunderttausend Vinyltonträger rechnet, die Cargo im Jahr herstellen lässt, plus die von uns nur vertriebenen, dann hätte Cargo ja einen enormen Anteil, aber das ist nicht realistisch. Allein jedes der deutschen Presswerke stellt wohl eine Million Platten im Jahr her, so dass man realistisch eine Zahl von zwei bis drei Millionen in Deutschland vertriebener Vinylscheiben hat. Einiges, was hier hergestellt wird, geht natürlich auch wieder in andere Länder. Ich will Vinyl keinesfalls größer reden, als es ist. Vinyl ist und bleibt eine Nische, und man merkt ja auch, dass der Trend auch Trittbrettfahrer anzieht und es durchaus Vinylproduktionen gibt, gerade schlechte Neuauflagen alter Platten, die nicht wirklich jemand braucht.

Wann hast du gemerkt, dass Vinyl wieder angesagt ist, also auch jenseits der kleinen Szenenischen, in denen es nie weg war?

Vinyl war immer da, es war nie weg – wäre das anders gewesen, hätte das „Revival“ keine Chance gehabt. In gewissen Nischen und Szenen war es immer angesagt. Dass Vinyl jetzt so ein richtiger Trend wurde, liegt meiner Meinung nach daran, dass es viele Leute gibt, denen Vinyl am Herzen liegt. Und es stellt einen Gegentrend zum Digitalen dar, es hat was von Entschleunigung in einer hektischen Welt. Hierzu ist Vinyl ein Gegenentwurf, zum Vinylhören muss man entschleunigen, runterkommen, die Platte in Ruhe auflegen, man muss aufstehen, um sie umzudrehen, und wenn man einen bestimmten Song hören will, muss man das von Hand machen, drückt nicht nur auf eine Fernbedienung. Mit Skippen geht da nichts, Vinyl muss man bewusst hören, da gibt es keine Zufallswiedergabe.

Vinyl ist also so etwas wie die akustische Version von Slow Food.

Wahrscheinlich, ja. Man hat ja auch irgendwie das Klischee im Kopf, dass man sich zum Vinylhören erst mal ein Glas Rotwein einschenkt, und ich finde, diese Vorstellung hat was. Aber Vinylgenießer gibt es eben nicht nur mit dem Weinglas in der Hand, sondern es geht darum, dass man sich die Zeit nimmt, Musik ganz bewusst aufzulegen, und nicht nur im Hintergrund irgendeine Online-Playlist laufen lässt. Erstaunlich finde ich auch, dass in den letzten Jahren in der Werbung dann, wenn es um Musik ging, immer Platten, Plattenregale und Plattenspieler zu sehen waren, nie CDs. Oder wenn es um eine grafische Darstellung von Musik geht, dann ähnelt das Symbol oft einer Schallplatte. Mit Kassetten ist das übrigens ähnlich, auch die ist positiv besetzt und wird relativ oft als Symbol eingesetzt, ist also noch recht präsent. Im Übrigen gibt es jetzt auch wieder ganz interessante Kassettenlabels.

Wie schätzt du die Vinylkäuferschaft vom Alter her ein? Ist es ein Trend für die Ü50-Generation, die das Medium wiederentdeckt, oder für die zwischen zwanzig und dreißig?

Wir haben vor ein paar Jahren anhand einer Bela B-Platte, bei der wir nicht einschätzen konnten, ob sich da jemand für das Vinyl interessiert, erstaunt festgestellt, dass die Nachfrage wirklich überraschend groß ist und das vor allem bei einem jungen Publikum auf großes Interesse stößt. Vinyl ist nicht speziell etwas für Menschen über vierzig oder für Hi-End-HiFi-Käufer, sondern explizit für die junge Generation. Heute verkauft man sogar von Katy Perry und Madonna wieder relevante Stückzahlen an Vinyl. Vinyl ist überall angekommen, und trotz eines insgesamt kleinen Anteils am Musikmarkt ist Vinyl auch wieder Teil des Mainstreams.

Wie hoch ist der Vinylanteil im Vergleich zur CD?

Das kann man nicht verallgemeinern. Generell ist es aber schon so, dass es bestimmte Bands gibt, bei denen der Vinylanteil hoch ist und bei anderen eher gering. Bei erwähnter Katy Perry mit Millionen CD-Verkäufen ist der Vinylanteil natürlich verschwindend gering, während bei Bands wie beispielsweise FLAMING LIPS oder QUEENS OF THE STONE AGE bis heute ein maßgeblicher Anteil der Auflage als Vinyl verkauft wird. Ein gutes Beispiel ist das von uns vertriebene und hergestellte Labelprogramm von Sub Pop: Da machen wir von jedem Titel Vinyl, aber das Verhältnis von LP zu CD hängt sehr stark von der Band ab. Sub Pop legt einfach großen Wert auf das Vinyl, und ich schätze das Verhältnis von LP zu CD auf bis zu 50%.

Viele LPs kommen heute mit dem praktischen Bonus eines Download-Codes – so kann man einerseits zu Hause Vinyl genießen, aber unterwegs lassen sich die Vorteile digitaler Abspielgeräte nutzen. Wie sind eure Erfahrungen damit?

Wir bieten jenen Labels, die über uns pressen lassen, den Service an, ihren LPs einen Download-Code für exakt die auf der LP enthaltenen Stücke beizulegen – ohne Bonus-Songs, das ist aus rechtlichen Gründen wichtig. Erstaunlicherweise mussten wir feststellen, dass bei sehr vielen Platten der Download-Code gar nicht eingelöst wird, teilweise ist die Quote unter 10%. Und dann wiederum, das zeigt die Auswertung unserer Serverdaten, gibt es Zeiten, da werden sehr viele Codes eingelöst, oft erst lange nach Erscheinen der Platte. Irgendwann kamen wir drauf: das stimmte mit der Urlaubszeit überein. Wenn die Leute wegfahren, wollen sie ihre Musik mitnehmen und ziehen sich die Platte doch noch als mp3s.

Manchen Platten liegt kein Code bei, warum?

Das hat lizenzrechtliche Gründe, da will die Band, das Label oder das Management das nicht. Da hat das Label beispielsweise dann andere Pläne, die wollen, dass sich die Leute die Songs gegen Bezahlung runterladen oder die CD kaufen. Wenn die Möglichkeit besteht, dann machen wir das, weil ich diese Kombination von Vinyl und Digital wichtig finde, und ich auch nicht erkennen kann, dass sich das „beißt“. Ich kenne es ja aus eigener Erfahrung, dass ich auf Reisen meine Musik gerne digital bei mir habe.

Wie lange besteht die Möglichkeit des Downloads, gibt es da ein „Verfallsdatum“?

Unsere Codes gelten für einen einmaligen Download und bis auf Weiteres. Ich würde, das mal als genereller Tip, immer gleich nach Kauf der Platte die Songs runterladen und nicht zwei Jahre warten.

Sprechen wir über die Pressqualität. 180-Gramm-Vinyl gilt als Markenzeichen, eine dicke, schwere Platte klingt auch gut – kann man das so pauschal sagen?

Bei 180 Gramm hast du eine schwere Platte in der Hand, das ist eine korrekte Aussage. Ich behaupte aber, dass man bei gleicher Qualität von Galvanik und Pressung den Unterschied zwischen „dünnem“ 140-Gramm-Vinyl und dickem 180 Gramm nicht hören kann. Ich selbst mag 180-Gramm-Vinyl, denn da hat man einfach was in der Hand, das fühlt sich gut an. Qualitativ ist es nicht nötig. Unterschiede in der Qualität gibt es natürlich, aber die haben weniger mit dem Gewicht zu tun, sondern eher mit der Vinylfarbe oder damit, dass es eine Picture-Platte ist.

Picture-Platten haben in der Tat schon immer den Ruf einer eher bescheidenen Klangqualität. Das stimmt also?

Ja, denn es sind zwei relativ dünne, durchsichtige Platten, zwischen denen eine bedruckte Folie liegt, und das alles wird miteinander verklebt. Wenn man sich entscheiden muss, würde ich die normale Pressung immer der Picture-Variante vorziehen. Bei farbigem Vinyl kann die Qualität bedingt durch Unterschiede beim verwendeten Granulat variieren. Multicolor-Vinyl sieht zwar gut aus, aber immer, wenn verschiedene Granulate vermischt werden, kann es zu Problemen kommen. Eine Hi-End-Vinylpressung wird deshalb immer aus schwarzem Vinyl bestehen.

Warum hatte bislang kein Genie eine Idee, wie man an der Oberseite durchgescheuerte Plattencover verhindern kann?

Die Ursache ist meist ein zu enges, knappes Cover, bei dem die Platte in der Innenhülle schon leicht oben anstößt – oder ein zu großes. Durch andauerndes Schütteln und Rütteln beim Transport scheuert die Kante der LP das Cover durch und man hat den bekannten Effekt. Dazu kommt mangelhafte Verpackung durch den Versender, ruppiger Umgang bei der Spedition, bei der Verladung auf dem Flughafen, das Geruckel auf einem Lkw, und dann hat man den Salat. Und anfangs dachten wir auch, dass eine Palette, die in den USA sorgfältig verpackt wird, genauso hier ankommt, aber dann stellten wir fest, dass die Pakete mehrfach umgepackt wurden, und das hilft auch nicht gerade. Wenn man dann bei der Spedition versucht, einen Frachtschaden zu melden wegen solcher Schäden am Cover, dann lautet die Antwort, man hätte die Ware eben besser verpacken müssen ... Das Einschweißen der Platten ist da übrigens auch keine Lösung: wir hatten auch schon eingeschweißte LPs mit durchgeschlagenem Cover ... und unbeschädigter Folie. Das ist verrückt, und da dann die Ursache zu finden, das ist schwer. Wir hatten schon Fälle, da lag es an der Laufrichtung des Papiers, oder die Zellophaniermaschine war nicht ideal eingestellt – es gibt zig mögliche Fehlerquellen. Das ist übrigens ein weiterer Grund, weshalb wir versuchen, Platten möglichst selbst in Europa herzustellen und sie nicht per Luftfracht aus den USA oder anderen Ländern kommen zu lassen. So haben wir ein paar Fehlerquellen weniger und bessere Kontrolle über die Herstellung. Das spart allen Beteiligten viel Geld und Nerven – und kommt auch dem Kunden zugute durch einen niedrigeren Preis.

Aber für manche Kunden ist es immer noch wichtig, die „original US-Pressung“ zu besitzen.

Ich denke, das ändert sich. Bei bestimmten Coverarten haben die in den USA einen kleinen Vorteil, aber die Press­qualität ist in Europa tendenziell besser, das haben uns mehrere Labels bestätigt. Und dann gibt es natürlich noch immer kleine Besonderheiten: Für die abgerundeten Ecken der Sub Pop-Innencover beispielsweise gibt es ein Extra-Werkzeug im Presswerk – einfach deshalb, weil LPs in den USA früher so ausgestattet waren und sie das so haben wollen. Also haben wir ein entsprechendes Werkzeug herstellen lassen, das nun bei den Europa-Pressungen zum Einsatz kommt. Da können dann nur noch Experten oder absolute Nerds sagen, woher die Platte stammt.

Vinylkäufer, und dazu gehören wir beide auch, sind mäkelnde, nervige Arschlöcher, die makellose Ware wollen und beim kleinsten Knick am Cover zu heulen beginnen. Man muss also eigentlich bescheuert sein, mit so einer „leicht verderblichen“ Ware zu handeln. Ein Wort wie „Frachtschaden“ kann man doch irgendwann nicht mehr hören, oder?

Das Handling von Vinyl ist wirklich schlimm und heikel, und wer viel Geld für ein Format ausgibt, das doppelt so viel kostet wie die CD, darf da sicher auch gewisse Erwartungen haben. Vinylkäufer sind sehr penibel, aber man sollte auch immer überlegen, was für einen weiten Weg so eine Platte bisweilen hinter sich hat. Was uns wieder zu den teils recht hohen Verkaufspreisen von Vinyl führt: es gibt sicher Händler, die 10, 15% Ausschuss im Sinne von beschädigten, nicht mehr zum vollen Preis verkaufbaren Platten einkalkulieren, das macht die Platten also teurer. Irgendwer muss den Schaden immer bezahlen – wenn das Label oder der Vertrieb Pech hat, bleiben 200 beschädigte Platten aus einer Sendung von 1.000 an ihm hängen. Der Kunde, das ist aber klar, soll unter all dem nicht leiden. Deshalb haben wir übrigens auch eigenes Verpackungsmaterial entwickelt, also ideale Kartons für den Versand jeder gewünschten Menge an LPs.

Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Wird in zwanzig Jahren in Deutschland immer noch Vinyl gepresst und verkauft werden?

Definitiv! Und es wird Labels und Bands geben, die physische Tonträger nur noch auf Vinyl veröffentlichen, diese Tendenz zeichnet sich jetzt schon ab. Der Trend wird sich verstärken, dass man den Massenmarkt rein digital über Streams und Downloads bedient, und Vinyl über die Bandwebsite und auf Konzerten verkauft. Als Vertrieb behagt mir die Vorstellung zwar nicht so ganz, aber ich kann die Idee nachvollziehen, damit die Menschen dazu zu bewegen, auf die Konzerte zu kommen. Die Nische Vinyl wird es in vielen Jahren noch geben, und jetzt muss man hoffen, dass die Presstechnik in Schuss gehalten wird und die Hersteller junge Leute ausbilden, die sich mit den Maschinen auskennen. Und dass das Polyvinylchlorid-Granulat nicht ausgeht ... Es ist übrigens erschreckend, wie viel Energie so ein Presswerk verbraucht, was sich einerseits auf die Preise, andererseits natürlich auch auf die Umwelt niederschlägt. Ein ökologischer Ausgleich für den CO2-Ausstoß sowie die Entwicklung alternativer Herstellungsmethoden für einzelne Bereiche stehen weit oben auf der To-Do-Liste.