CIRCLE JERKS

Neulich hat mich beim Internetsurfen doch fast der Schlag getroffen, als ich auf der CIRCLE JERKS Homepage nachlesen konnte, dass die Jungs wieder Konzerte geben. Vielleicht ist es ja schon dem einen oder anderen Leser aufgefallen, dass meine Vorlieben im amerikanischen Punkrock, vor allem dem aus Kalifornien der 80er Jahre, liegen. Wie dem auch sei, die CIRCLE JERKS haben, bis auf die letzte, nur übergeniale Scheiben gemacht, die ihresgleichen suchen. Daher an dieser Stelle ein kleiner Abriss über ihre Geschichte.

Irgendwann 1980 beschlossen der frühere BLACK FLAG-Sänger Keith Morris und Greg Hetson, der zuvor bei REDD KROSS die sechs Saiten zupfte, eine gemeinsame Band ins Leben zu rufen. Mit dem Bassisten Roger Rogerson und dem Trommler Lucky Lehrer war die Truppe schnell komplett. Ein Name war schnell gefunden – CIRCLE JERKS. Im gleichen Jahr, das Quartett hatte sich in Los Angeles schnell eine ständig wachsende Fangemeinde erspielt, wurde von Frontier Records das Debütalbum der CIRCLE JERKS – „Group Sex“ – veröffentlicht. Es ist eines der ersten amerikanischen Hardcorepunkalben überhaupt, und auch heute, fast 21 Jahre nach Erscheinen, hat es nichts von seiner Intensität eingebüßt. Für 1980 waren die vierzehn schnellen Songs schon etwas Besonderes. Textlich ging es um Angst, Abscheu und das Ablehnen von Autoritäten. Was einige Jahre zuvor in England stattfand, und auch in New York um sich griff, zeigte seine ersten Knospen auch in Kalifornien. Bands wie X, FEAR, THE GERMS, BLACK FLAG und eben die CIRCLE JERKS traten eine Art amerikanische Revolution los.

„Group Sex“ verkaufte sich erstaunlich gut, und die Band wurde zu einem der Aushängeschilder der kalifornischen Punkbewegung. 1981 wurde ein Dokumentarfilm über die Szene in Los Angeles gedreht, der auch Konzertaufnahmen der damals angesagten Bands enthält – „Decline of the Western Civilization“. Dieser Film besitzt auch heute noch Kultstatus und man sollte ihn mal gesehen haben, um den Geist der damaligen Zeit eventuell etwas besser verstehen zu können. 1982 wurde „Wild in the Streets“ auf Faulty Records, dem Label des THE POLICE-Managers Miles Copeland, veröffentlicht. Der Titelsong, eine Coverversion eines alten Garland Jefferies-Songs, wurde über lange Jahre zu einer Art Markenzeichen der CIRCLE JERKS.

Zu dieser Zeit entdeckte der Radio-DJ Rodney Bingenheimer seine Liebe zu den CIRCLE JERKS und spielte ihre Lieder regelmäßig in seiner „Rodney on the ROQ“-Sendung. „Wild in the Streets“ kam dann auch zwangsläufig auf den ersten „Rodney on the ROQ“-Sampler, aber auch auf andere Compilations wie „Let them eat jelly beans“ oder „Rat music for rat people“, alle drei mittlerweile gesuchte Sammlerstücke, nach denen es sich lohnt Ausschau zu halten.

Für einen weiteren Punkdokumentationsfilm namens „The Slog Movie“ wurde ein weiteres Konzert der CIRCLE JERKS aufgenommen.

1983 wurde das dritte Album der Band „Golden Shower of Hits“ auf Rhino Records veröffentlicht und ist meiner Meinung nach das Beste aller CIRCLE JERKS Alben. Auf dem Cover sieht man ein Pinkelbecken, in dem einige goldene Schallplatten stecken und auf die sich von Links ein feister Urinstrahl ergießt. Golden Shower eben. Das Cover wurde übrigens vor ein paar Jahren von Lost & Found Records für eine ihrer Compilations genutzt, die den geistreichen Namen „Golden Shower of 72 Hits“ trug, aber das nur am Rande. John Ingram ersetzte auf der Platte den alten Trommler Lucky Lehrer. Verkaufsmäßig war es das bis dato erfolgreichste Album der Band. Zwei der Songs wurden später übrigens für einen Film mit Emilio Estevez genutzt, in dem die CIRCLE JERKS auch kurz auftauchen.

Für die anschließende Tour drehte sich das Besetzungskarussell erneut, und John Ingram wurde durch Chuck Biscuits, vorher bei D.O.A. und BLACK FLAG tätig, ersetzt. Weil Roger Rogerson mehr Lust auf´s Gitarre spielen bekam, wurde kurzerhand Earl Liberty von SACCHARINE TRUST angeheuert. Dieses neue Lineup bestach durch tightes Zusammenspiel, hielt aber nur ein paar Wochen, weil Roger nach ein paar Gigs die laufende Tour verließ und nach Hause flog, ohne den anderen ein Wort zu sagen. Die restlichen vier brachten die Tour zu Ende.

Nachdem sie zurück in Los Angeles waren, nahmen sie zwei Akustiksongs für den auf jeden Fall sehenswerten Film „Repo Man“ auf. Im Film selbst tauchten die CIRCLE JERKS auch auf, in dem sie in einer Bar eine langsame Cocktail-Lounge-Version von „When the shit hits the fan“ zum besten geben. Dieses Lineup hielt noch einige lokale Gigs und eine weitere dreimonatige Amerikatour, die beinahe in einer Katastrophe endete. Nachdem die Band in Houston ihren letzten Gig spielte, fuhren die Jungs nach Hause, nur Greg Hetson zog es vor zu fliegen. Als die restlichen drei frühmorgens durch Texas fuhren, verloren sie wegen Glatteis die Kontrolle über ihren Van und schmierten in den Straßengraben ab. Der Wagen überschlug sich und blieb schließlich auf dem Dach liegen. Glücklicherweise wurde niemand ernsthaft verletzt, aber wenn sich Greg nicht entschieden hätte zu fliegen, wäre mit Sicherheit jemand getötet worden, weil das Dach über dem Beifahrersitz völlig eingedrückt wurde. So saß nur der Fahrer vorne, die anderen Beiden lagen hinten und schliefen. Der Van selbst war brandneu und gemietet.

Kurz nach der Tour wollte Earl Liberty die CIRCLE JERKS verlassen und spielte im Frühjahr 1984 im Perkins Palace in Pasadena sein letztes Konzert mit den Jungs. Sein Nachfolger wurde Zander Schloss, der neben Emilio Estevez die zweite Hauptrolle in „Repo Man“ gespielt hatte und ein ausgebildeter Musiker war. Er hörte, dass die CIRCLE JERKS schon wieder einen neuen Bassisten suchten, meldete sich kurzerhand bei ihnen, und bekam den Job. Kurz darauf verließ auch Chuck Biscuits die Band, der Jahre später dann bei DANZIG einstieg und zur Zeit bei SOCIAL DISTORTION trommelt. Für ihn kam Keith Clark dazu.

1985 unterschrieben die CIRCLE JERKS einen Plattenvertrag beim damals angesagten Label Combat Records und brachten „Wonderful“ heraus. Mit dieser Scheibe schockten sie viele ihrer alten Anhänger, denn statt Hardcore zu spielen, waren die Lieder rockiger und weniger politisch, sondern eher sarkastisch und verarschend. Man nahm die 80er Metalwelle auf die Schippe und machte sich über religiöse Fanatiker lustig. Trotzdem konnten sie neue Fans hinzugewinnen und auf der nun folgenden Tour zeigte sich, dass sich Punkrock in den gesamten USA ausgebreitet hatte und immer größer wurde. Sie spielten immer öfter, das Publikum wurde ständig größer, und die Plattenverkäufe nahmen Ausmaße an, die sich die Band nie hätte träumen lassen. Das CIRCLE JERKS-Pogomännchen war plötzlich omnipräsent.

1986 wurden Songs der CIRCLE JERKS für zwei weitere Filme benutzt. Zum einen für den Skateboardfilm „Thrasher“, der ein Rohrkrepierer wurde, zum anderen für „Sid and Nancy“, in dem die Beziehung von Sid Vicous und Nancy Spungeon dargestellt wurde. Dieser Film wurde ein Kassenschlager und Keith Morris hatte eine kleine Nebenrolle (achtet doch mal auf die Szene in der Gefängniszelle).

1987 wurde zum erfolgreichsten Jahr der CIRCLE JERKS. Zusammen mit GANG GREEN spielte man in Europa drei Wochen vor ausverkauften Häusern. Zudem wurde die fünfte, schlicht „VI“ (sechs) betitelte Platte auf Relativity Records veröffentlicht, die von alten und neuen Fans gleichermaßen begeistert aufgenommen wurde. Dieser Platte folgten in den folgenden Jahren drei lange US-Touren, bei denen in jeder wichtigen Stadt Station gemacht wurde. Die Band zog soviel Publikum wie nie zuvor, was es ihnen ermöglichte, bekannte Bands wie 7 SECONDS, DAG NASTY oder die NECROS als Anheizer zu verpflichten.

Das zehnjährige Bandjubiläum wurde 1990 durch die bislang erfolgreichste Tour gekrönt. Das extensive Touren hielt die Band aber davon ab, neue Songs aufzunehmen. Greg war zudem stark mit seiner zweiten Band BAD RELIGION ausgelastet, mit der er ebenfalls ständig tourte und Platten aufnahm.

1992 wurde dann von Relativity Records das Livealbum „Gig“ herausgebracht. Kurz nach Veröffentlichung dieser Platte trennten sich die Wege der Band. Keith Morris verließ Kalifornien und tingelte Richtung Ostküste, um schließlich in Boston hängen zu bleiben. Greg Hetson konzentrierte sich nun völlig auf BAD RELIGION, die auch immer erfolgreicher wurden und den Erfolg der CIRCLE JERKS inzwischen bei weitem getoppt haben. Zander Schloss schrieb Drehbücher und wurde ein gefragter Studiogitarrist. Keith Clark machte sich als Steuerberater selbständig und kehrte der Musikwelt den Rücken zu. Die vier Jungs hielten über die Jahre Kontakt, aber erst 1994 entschlossen sie sich dazu, wieder gemeinsame Sache zu machen.

Die damals anhaltende Erfolgswelle von Bands wie GREEN DAY oder THE OFFSPRING nutzten die CIRCLE JERKS für sich und unterschrieben einen Deal mit Polygram/Mercury Records, die händeringend gute Bands aus diesem Bereich suchten. 1995 wurde schließlich „Oddities, Abnormalities and Curiosities“ veröffentlicht, wurde von den Fans aber eher verhalten aufgenommen, weil außer ein, zwei guten Songs kein wirklicher Knaller zu finden war. Auf der folgenden Tour wuchsen die Spannungen zwischen den Musikern ziemlich schnell an, so dass man sich entschloss, die Tour abzubrechen, ohne die restlichen Gigs zu spielen. Seit dieser Zeit haben die CIRCLE JERKS nicht mehr zusammen gearbeitet.

Und heute? Keith Morris hat eine neue Band namens MIDGET HANDJOB gestartet, Greg ist nach wie vor bei BAD RELIGION, Zander Schloss taucht auf vielen Platten auf und Keith Clark betreibt weiterhin seine Steuerberatungskanzlei. Am 17. Mai 2001 gab es dann völlig überraschend einen Reunion-Gig im Key Club in Los Angeles. Eine ausgedehnte US-Tour ist geplant und vielleicht kommen die CIRCLE JERKS ja doch noch einmal zu uns und bringen eine neue Platte raus.