BLACKMAIL

Eigentlich hätte dieses Interview ja schon Anfang Februar geführt werden sollen, als die Koblenzer noch vor der Veröffentlichung ihres neuen Albums "Bliss, Please" zu einem Showcase im Münchner Atomic Cafe einluden. Das Schicksal hatte jedoch etwas dagegen, so dass das Gespräch am 1. Mai im Feierwerk nachgeholt wurde. In der Zwischenzeit ist eine ganze Menge passiert...

Es ist vielleicht gar nicht so schlecht, dass mittlerweile über zwei Monate seit dem Release von "Bliss, Please" vergangen sind - ein Interview mit etwas Abstand kann manchmal interessante Dinge ans Tageslicht zaubern, wie auch das Gespräch im Feierwerk bewies. Denn obwohl die neue Scheibe ausschließlich hervorragende Kritiken einheimste, ist Gitarrist Kurt Ebelhäuser rückblickend nicht besonders zufrieden mit dem neuen Werk, was angesichts des superben Materials doch ein wenig überraschend ist: "Mir fehlt auf der Platte der letzte Kick. Ich habe die Platte erst viel später verstanden, weil uns bei der Produktion der nötige Abstand fehlte." Man muss dazu anmerken, dass BLACKMAIL damals mit nur fünf fertigen Songs ins Studio gingen. Das restliche Songmaterial entstand spontan im Studio, was die Musiker offensichtlich an den Rand des Wahnsinns brachte: "Es war ein Fehler. Wir hätten das Album vorher im Proberaum komponieren sollen, dann wäre das Endergebnis hundert Prozent besser ausgefallen", philosophiert Kurt. "Es hätte viel mehr krachen und knistern können."

"Das ist aber auch nur die halbe Wahrheit", schränkt sein Bruder Carlos (Bass) ein, der es sich ebenfalls auf dem Rasen vor dem Feierwerk bequem gemacht hat. "Mit einer anderen Vorgehensweise wären Stücke wie "A Reptile For The Saint" niemals entstanden. Ich finde es okay, dass wir mal eine Platte auf diese Art und Weise angegangen sind. Jetzt können wir uns jedenfalls wieder auf eine richtig fette Rockscheibe stürzen." Dann ist ein Entstehungsprozess wie der von "Bliss, Please" in der Zukunft also ausgeschlossen? "So ist es", lautet Kurts entschlossene Antwort. "So macht man sich den Kopf kaputt, weil es viel zu viel Arbeit und Stress ist. Das war immer mal ein Wunsch von uns. Jetzt haben wir es durchgezogen, aber noch mal werden wir das bestimmt nicht machen."

Hat es die Jungs eigentlich überrascht, dass "Bliss, Please" Anfang März auf Platz 73 in die deutschen Longplay-Charts einstieg? "Ja", lautet die übereinstimmende Antwort aus aller Munde. "Es hielt sich allerdings nur diese eine Woche in den Charts", spinnt Carlos den Gedankengang weiter, "weil der Plattenfirma schon in der zweiten Woche die neue CD ausging." Lieferschwierigkeiten dieser Art sind ärgerlich, aber die sympathischen Koblenzer haben ohnehin andere Pläne - Stichwort Ausland. "Es ist auch unser Ziel, mal aus Deutschland rauszukommen", erklärt Carlos. "Für Amerika oder England ist nichts geplant", ergänzt Kurt, "an diese Länder kommt man nur verdammt schwer ran, selbst wenn man in Deutschland noch so erfolgreich ist. Schau dir bloß THE NOTWIST an, die haben das auch versucht - ohne Erfolg! Bei uns fängt es jetzt erst einmal mit Benelux-Ländern wie Holland und Belgien an, wo der Release des Albums für Anfang Juni geplant ist. Laut unserem Vertrag dürfen wir uns ab Herbst auch um andere Länder bemühen, also auch mit größeren Independent-Labels arbeiten."

Die Auslandspläne könnten von Erfolg gekrönt sein, wie die Beispiele Österreich und Schweiz schon bewiesen haben. Wenige Tage vor diesem Interview spielten BLACKMAIL nämlich in diesen beiden Ländern, und zwar mit großem Erfolg: "Die Show in Wien war komplett ausverkauft", erinnert sich Schlagzeuger Mario mit einem Lächeln im Gesicht. "Die Platte ist dort zeitgleich veröffentlicht worden - wir haben da eine richtige Fangemeinde, die jeden Song kennt. Im Schnitt waren 200 bis 300 Leute pro Abend anwesend." "Ich bin froh, dass wir wieder zurück sind", tritt Kurt gleich wieder auf die Euphoriebremse, der offensichtlich erst einmal die Schnauze voll vom Tourleben hat. "Es ist das erste Mal, dass wir drei Wochen am Stück unterwegs sind. Ein freier Tag zwischendrin wäre nicht schlecht gewesen. Mich nervt das allmählich. Wir werden nach der Tour eine einwöchige Bootsfahrt auf dem Rhein machen, das habe ich gerade mit einem Kumpel abgesprochen." Kräfte auftanken für die kommenden Open Airs, etwa Bizarre, Southside oder Rock Am Ring, sozusagen, wobei die Jungs übrigens Neuland betreten: "Wir haben noch nie auf so großen Bühnen gespielt", räumt Carlos ein, "bloß mal bei Rock am Ring im Talentforum, wo ungefähr tausend Leute zugeschaut haben."

Gerne gesehen sind auch die Videos von BLACKMAIL, die gerade auf VIVA ziemlich oft gespielt werden. Nach "Same Sane" und "Ken I Die" ist noch ein drittes Video in Planung, und zwar zu "A Reptile For The Saint", das für alle Bandmitglieder zu den persönlichen Lieblingssongs zählt. Die Ideen für die Videos stammen dabei meist von der Band selbst. "Die Scripts waren teilweise so was von schlecht, dass uns echt schlecht wurde", lacht Carlos. "Bei einem Vorschlag sollte Aydo (der Sänger von BLACKMAIL - Anm.d.A.) nackt im Wald liegen und sich in eine Schlange verwandeln. Oder wir sollten auf einer Party spielen, wo die Leute alle Drogen nehmen, besoffen am Boden liegen und kotzen." Wie originell. "Das neue Video wird auf jeden Fall verdammt düster", verrät Kurt abschließend. Lassen wir uns überraschen...