SICK OF SOCIETY

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Live in Indonesia

Kaum zu glauben, aber die Tour ist vorbei. Over and out! Wenn ich daran zurückdenke, wie aus einer flüchtigen Schnapsidee, eigentlich nichts anderes als ein bierseliger, lauer Gehirnfurz, das wohl größte Abenteuer in fast 25 Jahren Bandgeschichte wurde, dann kann ich es noch immer nicht fassen. Irgendwer hat mir vor gut fünf Jahren den Floh ins Ohr gesetzt, dass es in Südostasien eine florierende Punk-Szene gibt, die noch schön ursprünglich ist und ohne Poser auskommt.

Klar, die CLUSTER BOMB UNIT-Doku „Punk Im Dschungel“ geisterte dabei auch etwas im Oberstübchen herum. Nach ein paar naiven Google-Exkursionen stieß ich auf einige vielversprechende Kontakte, wobei sich Indra aus Yogyakarta als der beständigste und hartnäckigste herausstellte. Ohne viel Hin und Her war sofort die Zusage da, mit uns, einer kleinen, unbekannten und unbedeutenden Punkrock-Kapelle aus Deutschland, eine Tour quer über den Äquator in Indonesien durchzuziehen. Der Anfang war gemacht ...

Erste Terminideen, Umfang der Tour, Finanzierung, etc. standen dann irgendwann nach einiger Zeit im Raum, als Mitte 2014 das ultimative Chaos innerhalb der Band begann. Nach über zwanzig Jahren bei SICK OF SOCIETY musste unsere Rampensau Fizzi die Band aus gesundheitlichen Gründen verlassen und somit waren alle zukünftigen Aktivitäten, ja, sogar der Fortbestand der Band in Frage gestellt. In der Folgezeit wurde mit etlichen Kumpels und Kollegen die offenen Löcher im Line-up gestopft. Doch als endlich Licht am Ende des Tunnels absehbar war, wurde auch die Idee der Indonesientour wieder neu aufgegriffen. Im temporären Line-up fanden sich dann auch recht schnell abenteuerlustige Mitmusiker, so dass schließlich und endlich Ende 2015, Anfang 2016 die Tour in trockenen Tüchern war – zumindest auf dem Papier. In der Folgezeit wurden organisatorische Dinge geklärt, Flüge gebucht und schlicht Tag für Tag gehofft, dass nicht in letzter Sekunde noch etwas Unvorhersehbares passiert und alles wieder über den Haufen geworfen werden muss.

09./10.09. München/Jakarta

Als am Freitag das Unvorhersehbare ausblieb und Alex (Gitarre, Gesang) und ich (Oliver, Schlagzeug) am Flughafen München mit Sack und Pack abgeladen wurden, breitete sich so langsam, aber sicher Optimismus aus, dass wir nach über fünf Jahren Wartezeit zwei Tage später zusammen in Depok auf der Bühne stehen werden. Nach ein paar Pils am Flughafen in München, einem Security-Menschen, der sich naserümpfend über den Geruch meiner Fußmaschine „gefreut“ hat, und über 15 Stunden Flug von München über Istanbul nach Jakarta kamen wir schließlich am 10.09. um 18 Uhr Ortszeit in Jakarta an. Als dann auch der erste Schock darüber, dass ich sämtlich Reisedokumente verzockt hatte, verflogen war und wir die Einreisebehörde auch ohne den Schriftkram davon überzeugen konnten, harmlose Touristen zu sein und keine Punkrocker, die eine anarchische Invasion Indonesiens planen, ging es mit einem Shuttle in Richtung Hotel. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: der Rest, Kurz (Merch, Fotomensch und Tourbegleiter) und Böhrni (Bass, Vocals), kam separat mit unterschiedlichen Flügen tags drauf. Der Abend klang dann recht unspektakulär bei ein paar alkfreien Dosenbieren vor einem Supermarkt in zweifelhafter Umgebung aus. Im Hotel versuchte ich dann noch, bevor es in die Kiste ging, im Internet alle meine Hotelbuchungen, Flugtickets, etc. wieder ausfindig zu machen – immerhin erfolgreich. Glück gehabt!

11.09. Depok

Am nächsten Morgen stand auch schon pünktlich um neun Uhr Kurz in der Lobby parat. Gemeinsames Frühstück, ein paar Bier an der Hotelbar hinterher und warten, bis Tyan, der Veranstalter der ersten Show und zugleich Roadmanager für die kommenden Tage, mit unserem angemieteten Bus um 14 Uhr kommen sollte. Pünktlicher als ein deutscher Fabrikarbeiter stand dieser dann auch auf der Matte, zusammen mit Cipul (Fahrer) und Klink (Mitfahrer und Coolness in Person). Kurze Begrüßung, Vorstellungsrunde, einladen und ab zum Flughafen, um Tieftöner-Böhrni abzuholen. Viel durfte nicht schiefgehen. Wegen eines bevorstehenden Feiertages musste die Show schon um 16 Uhr beginnen und um 18 Uhr beendet sein. Stagetime SOS: 17:30 Uhr! Andere Länder, andere Spielzeiten! Egal, nach gut zwei Stunden Wartezeit am Flughafen waren wir dann endlich komplett. Bass, Böhrni und sein Gepäck in den Bus und mit durchgetretenem Gaspedal Richtung Depok, einem Vorort von Jakarta.

Da es bereits kurz vor knapp war, mussten wir uns alle schon im Bus bühnenfertig machen, um nach zehn Minuten Vorbereitungszeit vor Ort direkt in einer Hinterhofgasse, in einem Hinterhofwohnzimmer bei 40 Grad Innentemperatur auf eine kleine, aber feine Meute indonesischer Punks losgelassen zu werden. Wir wurden sprichwörtlich ins kalte Wasser (beziehungsweise heiße Saunaklima) geworfen. Hier hieß es dann „Komfortzone verlassen!“ – keine Bühne, kein Monitor, wackliger Hocker, keine Möglichkeit, groß etwas am Set umzubauen, zweifelhaftes Equipment, kein Linecheck, einfach back to the roots! Und irgendwie hat es dann auch funktioniert ... den Leuten hat’s gefallen. Und wir? Wir mussten nach der Hauruck-Aktion erst einmal ankommen. Lage sondieren, Kreislauf stabilisieren und sich mit den Leuten unterhalten.

Die Kreislaufstabilisation stellte sich speziell für mich im Folgenden als größte Hürde heraus. Verdammt, wo hat der Veranstalter das Bier gebunkert? Kann ich zumindest was kaufen? Tja, auch diesbezüglich durfte ich erneut meine verwöhnte, westeuropäische Luxuspunk-Komfortzone ganz schnell verlassen. Bier für lau? Is nich, auch nicht für die Band! Bier kaufen? Geht! Zwei lauwarme Bier in einer Kühlbox. Alter, geht gar nicht! Nun hieß es vom Veranstaltungsort zu einem 500 Meter entfernten Kiosk laufen, wo man illegal Bier kaufen konnte. Eine sehr zähe Geschichte, die sich in den folgenden Tagen immer und immer wiederholen sollte. Mein erstes Zwischenfazit zu diesem Zeitpunkt: Nicht nur auf Hawaii, sondern auch auf Java gibt’s kein (oder kaum) Bier! Arme Biertrinkerseele ...

Nach unzähligen Gesprächen mit unendlich netten Leuten, ein paar wenigen gemeinsamen Bierchen, ein paar mehr Aos (ein indonesischer Jägermeister-Ersatz) und einer permanenten Dauerbeschallung von den umgebenden Minaretten ging es zu später Stunde in unser erstes Quartier. Tyan stellte uns sein Haus zur Verfügung. Auch hier wurde der verwöhnte Westeuropäer sehr schnell auf den Boden der Tatsachen geholt – die Vorstellung „Haus daheim ist gleich Haus vor Ort“ traf nicht ganz zu. Man lebt in Indonesien doch etwas genügsamer. Egal, noch kurz unter die Dusche (Wassertrog mit Schöpfkelle) und ein Plätzchen zum Pennen gesucht, sofern dies aufgrund des anhaltenden Muezzin-Terrors überhaupt möglich war.

12.09. Jonggol

Nach einer mehr oder weniger kurzen Nacht ging es „leicht“ verspätet nach Jonggol. Der örtliche Veranstalter Zibenk wollte mit uns einen Ausflug zu einer einheimischen Touri-Attraktion machen. Egal, jeder nahm die Verspätung gelassen. Unterwegs war in jedem Fall noch gut Zeit für ein Gado-Gado-Frühstück. In Jonggol holten wir kurz Zibenk ab und fuhren in ein lokales Hotel. Dieses als solches zu bezeichnen, fällt mir im Nachhinein echt schwer. Wie meinte Alex so treffend: „Ich war noch nie in einem Kuhstall, der nach Hotel riecht!“ Speziell die Nasszelle im Zimmer war schon sehr gewöhnungsbedürftig. Seltsam kam uns auch die Tatsache vor, dass ein Hotelbezug auch stundenweise möglich war. Muss wohl so Sitte sein, dachten wir uns noch, ehe wir ein paar Stunden später den Grund hierfür herausfanden ... Aber egal, Hauptsache Bett und fließend Wasser (beziehungsweise mal wieder Wassertonne mit Kelle). Sachen einstellen, Geschäfte erledigen und ab ging es zur erwähnten Touri-Attraktion. Wasserfälle sollten es sein!

Für uns war die Fahrt dorthin schon ein echtes Erlebnis. Auf solchen Straßen ist wohl bisher noch niemand von uns gefahren. Eng, steil, absolute marode, wellig, überfüllt, eng anliegend bebaut (du konntest beim Vorbeifahren den Anwohnern in die Töpfe schauen)! Ein absoluter Höllenritt ... gefühlte zwanzig Kilometer zogen sich über zwei Stunden hin. Die Eindrücke vor Ort entschädigten aber dann total für die etwas unentspannte Anfahrt. Wunderschöne Landschaft mitten im Dschungel und nur einheimische Touris, unter denen wir natürlich auffielen. So blieb es nicht aus, dass wir ab und an als Fotomotiv herhalten mussten. Ins Wasser ging von uns vier Warmduschern allerdings niemand. Wir zogen es vor, beim Faulenzen im eigenen Saft zu schmoren. Der Rest der Truppe allerdings stürzte sich in die Fluten. Netter Nachmittag, dessen Ende nach einigen Stunden durch dunkle Wolken eingeläutet wurde.

Zurück im Hotel gab’s dann auch des Rätsels Lösung. Gegenüber vom Hotel war eine unscheinbare Bretterbude, von der aus ein paar Damen des horizontalen Gewerbes agierten. Tja, somit konnte man sich eins und eins zusammenzählen ... wir waren in einem klassischen Stundenhotel untergekommen. Ach ja, gespielt haben wir an dem Abend auch noch. Diesmal in einem kleinen, engen und stickigen Proberaum. Wie auch am Vortag war Frischluft Mangelware, mein Hocker verlangte mir fortgeschrittene Balancierkünste ab und bei gut 40 Grad im Raum blieb zudem keine Unterhose trocken. Am Schluss war zumindest ich einem Kollaps nicht allzu fern. Um diesem zu entgehen, wollte ich meinen Kram auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf einer Bank zusammenpacken, etwas entspannen und gemächlich meinen Kram verstauen. In dem Moment passierte es dann: Die Staatsmacht fuhr vor und zeigte Präsenz. Ruhig bleiben war angesagt und dem Drang widerstehen wegzurennen, wie uns die Kollegen SICK TIMES empfohlen hatten. Schnell wurden wir als nicht Einheimische identifiziert und man wollte unsere Pässe sehen. Da Böhrni diesen leider nicht dabei hatte, war schnell klar, dass wir aus der Nummer so bald nicht rauskommen. Wir mussten mit aufs Revier. Dort saßen wir aufgereiht, verschwitzt und platt auf einer Holzbank, wie reuige Schüler vor der Rektoratsinquisition. So schnell, wie wir in die Situation reingerutscht waren, so schnell war dann aber auch ersichtlich, dass die Nummer bald gelaufen sein sollte. Zuerst war man mit unserem Einreisevisum nicht einverstanden, weil wir ja hier schließlich arbeiten würden. Nur zu dumm, dass wir damit überhaupt keine Kohle verdienen, sondern wesentlich mehr Kohle im Land lassen, als wir mitnehmen. Als dann noch der Spruch kam, man hätte uns nur in Obhut genommen, weil man uns vor Attacken und Angriffen schützen wollte und man um unsere Sicherheit besorgt war, verkam die ganze Aktion zur Farce. Keine fünf Minuten später durften wir dann auch gehen.

13.09. Bandung

Nach einer mehr oder weniger ereignislosen fünfstündigen Fahrt kamen wir hungrig und unterhopft in Bandung an. Kurz lecker Essen an der Straße fassen und hinauf in den Dschungel hoch über der Stadt zur Location. Was für ein Ausblick und sogar gefühlt etwas kühler war’s!

Vor Ort hieß es dann, sich erst einmal mit den Örtlichkeiten vertraut machen, ein Dschungelzelt als Veranstaltungsort mit teils echt gutem Equipment, und warten, bis die Bierbestellung eintrifft. Mit dem ersten Bier in der Hand stieg dann die Stimmung auch deutlich, und es dauerte auch nicht allzu lange und die ersten Bands legten zu fortgeschrittener Nachmittagsstunde los. Irgendwann durften dann auch wir ran, wobei wir zum ersten Mal richtige Bühnenatmo genießen konnten, mit einem Basssound, der alles wegföhnte. War das ein Spaß und mal wieder ein sehr schwitziger dazu! Zum Ausklang des Abends gab’s dann noch ein gemeinsames Abendessen. Auf dem Boden des Veranstaltungsorts wurden mächtige Bananenblätter ausgebreitet, worauf im Anschluss Reis, Trockenfisch, Tofu, Gemüse und und und ausgebreitet wurden und man sich hinterher im Kollektiv ans Vernichten dieses echt sehr leckeren Mahls machte. Ein wirklich erinnerungswürdiges Erlebnis!

Aufgrund der exponierten Lage gab’s heute kein Hotel. Wir durften im Haupthaus der Anlage pennen. Wegen eines massiven Spinnen- und Ameisenaufkommens rund um das Gebäude war ich zu Anfang etwas skeptisch, ob an Schlaf zu denken ist, aber die Sorge war unbegründet. Vielmehr stellte sich meine einfache Teppichunterlage mit dem harten Kissen als größeres Schlafhemmnis heraus. Als dann auch noch ab vier Uhr morgens in schöner Regelmäßigkeit Gebetsaufrufe, Gockelgekrähe und der Live-Mitschnitt vom abendlichen SOS-Gig einsetzten und auch nicht mehr aufhörten, war das Thema „entspannter Schlaf“ nur noch ein müder Traum. Egal, schlafen kann man noch lange genug, wenn man tot ist.

14.09. Purwokerto

Nach den üblichen Morgenaktivitäten inklusive Verabschiedungsrunde ging es recht früh los, auf die geplant sechsstündige Fahrt in Richtung Purwokerto. Aus den sechs Stunden wurden letztlich gut zehn Stunden und auch von der Tatsache, dass es in Indonesien doch Autobahnen gibt, waren wir überrascht – allerdings nicht davon, dass es auch dort ziemlich üble Schlaglöcher gibt! Ein weiteres (negatives) Highlight auf dieser Strecke, war die Fahrt entlang eines „Flusses“. Wir wunderten uns zu Anfang alle noch, wie man in so einer braunen Drecksbrühe angeln kann. Weiter flussaufwärts steigerte sich unsere Verwunderung noch mehr, als Menschen in dem Gewässer Geschirr, Klamotten und letztlich auch sich selbst wuschen. Appetitlich sah das alles nicht aus. Zu dem Zeitpunkt fielen uns auch noch nicht die Rohre auf, die überirdisch von jedem Haus zu dem Fluss führten. An einer Staustufe dann die Oberfläche komplett über unzählige Quadratmeter mit Müll bedeckt. Ganz zu schweigen von dem Müll, der sich permanent am Ufer des Flusses befand. Tja und dann ein paar hundert Meter weiter kam letztlich unser Highlight. Ein Typ, mit seinen blanken vier-Buchstaben über der Wasseroberfläche schwebend, schickt sein gut verdautes Mittagessen vor unseren Augen auf die Reise. Wir verwundert, unsere indonesischen Mitfahrer erklärten lachend: „Das ist normal hier in Indonesien!“ Aha! Da war uns dann auch relativ schnell klar, dass über die Rohre sicher nicht nur Regenwasser in den „Fluss“ geleitet wird ...

In Purwokerto durften wir dann erst einmal im Haus vom Veranstalter etwas abhängen. Im Anschluss ging es wie üblich zusammen zum Essen in eine leckere indonesische Garküche und dann direkt zur Location. Auch hier war es mal wieder ein Proberaum. Schick eingerichtet und nur ohne Schuhe zu betreten. Aber wie gewohnt: eng und heiß! Die Zeit bis zur Show und danach verbrachte die Mehrzahl von uns vor dem angrenzenden Café, um sich bei freiem WLAN mit der Heimat zu verbinden. Die Show selbst war, wie zu erwarten, schweißtreibend und bei mir mal wieder der obligatorische Kampf mit dem Schlagzeughocker.

Als wir vor unserem heutigen Nachtquartier abgeladen wurden – feine Hütte –, herrschte Zuerst noch Skepsis, ob der Tempel überhaupt im Budget liegt. Dann die Überraschung, derselbe Preis wie der „Kuhstall“ in Jonggol. Tja, da muss man nicht zweimal überlegen. Astreine Ausstattung und eine Hotelbar vom Feinsten, an der ich dann meinen Abend entspannt ausklingen lassen konnte. Nur schade, neben mir wollte niemand sitzen, aber irgendwie verständlich – meine Bühnenhose entwickelte sich nach vier Konzerten am Stück so langsam aber sicher zu einer Beleidigung für jede Nase.

15.09. Yogyakarta

Gut ausgeruht und entspannt ging es gegen zehn Uhr auf die fünfstündige Fahrt nach Yogyakarta. Verkürzt wurde diese durch die Tatsache, dass Tyan endlich wieder einen mobilen WiFi-Hotspot fürs Auto organisieren konnte. In Yogya fiel dann auch auf, dass es es hier wohl auch vermehrt ausländische Touristen hinzieht. Diese hatten wir bisher zu keinem Zeitpunkt gesehen. Nach einem kurzen Imbiss und einem Kneipenbesuch mit dem örtlichen Veranstalter und Tourorganisator Indra wurden wir schnell fündig und checkten in einem einfachen, aber sehr angenehmen Hotel ein. Bis zum Treffen am Abend war Freizeit angesagt. Diese verbrachte ein Teil in der Horizontalen. Kurz und ich hingegen entschieden uns, die hiesige Kneipenkultur weiter zu erforschen und landeten in der Lucifer Bar. Nettes Etablissement! Ein paar Biere später war es dann auch Zeit, Richtung Club aufzubrechen.

Im Vergleich zu den Vortagen war hier genügend Platz. Lediglich die Konstellation Fliesenboden, Decke und darauf das Schlagzeug bereitete mir schon jetzt einiges Kopfzerbrechen. Tja, und so sollte es auch kommen. Ich war während der Show mehr damit beschäftigt, mein Set zusammenzuhalten als zu spielen. Hätte Alex nicht vor mir gestanden und mit seinen Hacken als Prellbock fungiert, wäre ich irgendwann an der gegenüberliegenden Wand angekommen. Unschön, aber auch hier ließ sich das Publikum nicht von den Widrigkeiten beirren und konnte animiert werden, aus sich heraus zu gehen. Was uns allen auf der gesamten Tour aufgefallen ist, war die Tatsache, dass die einheimischen Bands teilweise sehr schüchtern agieren und ganz selten einen Draht zum Publikum aufbauen. Spricht man dieses aber direkt an, gibt es sofort entsprechende Rückmeldungen. Interessante Erfahrung!

Nach der Show die üblichen Szenen: Bilder machen, nette Unterhaltungen führen und heute sogar Autogramme geben.

16./17.09. Malang

Nach einem gepflegten Frühstück im Hotel ging es zeitig um neun Uhr los Richtung Malang. Für die Mammutstrecke von etwas über 300 Kilometern würde man in heimischen Gefilden entspannte drei Autobahnstunden inklusive Piss- und Biernachfasspause einplanen. Da wir aber die vorangegangen Tage lernen durften, dass in Indonesien alles etwas anders ist, mussten wir uns letztlich mit fast zwölf Stunden abfinden. Dementsprechend fit, ausgeruht und bei bester Stimmung fuhren wir in das freitagabendliche Malangsche Verkehrschaos. Das Hotel hatten wir zum Glück schon vorab auf der Fahrt via App gebucht. Da wir zwei Tage vor Ort sein sollten und der Urlaubscharakter auch mal zum Tragen kommen durfte, haben wir uns für eine etwas komfortablere Bleibe entschieden. Bevor wir im Hotel einchecken konnten, galt es aber erst einmal den Veranstalter Lutfi zu treffen, essen zu fassen, Bier zu organisieren. Wir hatten letztlich das Gefühl, dass es einfacher gewesen wäre, hier harte Drogen zu finden, als ein kleines Kistchen Bier zu organisieren – unglaublich! Im Hotel gab’s dann noch ein kollektives Feierabendbier und ich wurde von Zimmergenosse Böhrni dazu verdonnert, meine stinkende Bühnenhose beim Wäscheservice des Hotels abzugeben. Würde das nicht passieren, hätte meine Hose mit ernsthaften Konsequenzen zu rechnen.

Am nächsten Tag machten sich Alex und Böhrni zeitig mit unseren Tourbegleitern und ein paar örtlichen Kollegen auf zu einer weiteren Touristenattraktion, diesmal heiße Quellen. Mein Bedarf nach einer weiteren zweistündigen Holperfahrt war zu dem Zeitpunkt bereits gedeckt, weshalb ich mich für eine entspannte Lese- und Paddelstunde am geilen Hotelpool entschied. Kurz musste dazu auch nicht lange überredet werden und so verging der Vormittag wie im Flug, dessen Ausklang in der Brownie-Bar vor dem Hotel stattfand. Nach einem kurzen Schläfchen und einem weiteren Barbesuch trudelte dann nachmittags auch der Rest wieder ein. War wohl ein netter Ausflug gewesen, aber die Fahrt wie vermutet: holprig, lang und nervig! Also selbst alles richtig gemacht.

Gegen 19 Uhr wurden wir dann abgeholt und es ging quer durch die Stadt, um kurz den Magen zu füllen und dann weiter zum Auftrittsort zu fahren. Mal wieder ein Proberaum, der nur barfuß betreten werden durfte. Gleiches Spiel wie die Tage davor ... trinken, labern, zusammen Bilder machen und darauf warten, bis es für uns losgeht. Wie jeden Tag, so auch heute, gab es wieder einen bunten Stilmix an Bands. Von Grindcore über Hardcore bis Punk, alles dabei. Den Leuten ist es egal. Es wird alles wohlwollend und dankbar angenommen. Schubladen haben wir auf all den Shows vergeblich gesucht. Unser Auftritt war dann speziell für mich ein Blindflug, da ich außer mir selbst so gut wie nichts gehört habe, aber auch diese zwanzig oder dreißig Minuten waren irgendwann vorbei und ich erlöst. Spaß hat’s trotzdem gemacht.

Auf dem Weg zurück zum Hotel, dann der einzige Aufreger am heutigen Tag: Reifenpanne! Alles easy, Tyan und Co. haben’s gelassen genommen und den Reifen kurz gewechselt. Mich hat nur gewundert, dass dies bei den Straßen nicht schon viel früher passiert ist. Egal, Situation gemeistert.

18.09. Surabaya

Da es nach Surabaya nur geplante drei bis vier Stunden Fahrt sein sollten, ging es erst gegen 14 Uhr los. Davor hieß es noch frühstücken, eine Runde schwimmen, abliegen und ein paar Bierchen an der Bar verhaften. Was uns dabei schon am Vortag gewundert hat, die Angaben auf der Getränkekarte standen dort wohl nur, um diese recht üppig aussehen zu lassen. Davon gegeben hat es nämlich nicht allzu viel. Von der guten Bierauswahl blieb letztlich nur das einheimische Bintag übrig, das mal mehr, mal weniger warm serviert wurde. Die Pizzas, die es am Vortag noch gab, waren plötzlich nicht mehr zu haben und Nachos waren sowieso Fehlanzeige.

Als wir gegen 18 Uhr am Club ankamen, war die Vorfreude auf die Show groß. Geiler großer Laden, schöne Bühne, gutes Equipment und an die 100 Leute waren auch schon am Start. Als wir dann nach gut einer Stunde wieder zurückkamen und bereits Cops in der Nähe des Clubs rumhingen, wurde ich langsam aber sicher misstrauisch. Tyan versicherte mir noch, dass alles in Ordnung wäre. Die Show ist angemeldet, es kann nix passieren. Kaum hatten wir drinnen unseren Merch aufgebaut, meinte Tyan, der Veranstalter wolle mich kurz sprechen ... es wäre wichtig! Oh nein, was kommt jetzt?

Offensichtlich hatte der Veranstaltungsort keine Genehmigung, ausländische Bands spielen zu lassen. Würden wir nicht innerhalb von 15 Minuten verschwinden, hätten wir mit Konsequenzen zu rechnen. Dem Veranstalter war die Situation sichtlich peinlich und er bot uns an, noch an für den nächsten Tag was zu organisieren. Nach kurzer internen Beratung hieß es Koffer packen und direkt ab nach Bali. Eine Show am nächsten Tag hätte keinen Sinn gemacht. Zum einen wegen der großen Reisedistanz nach Bali und zum anderen wäre mangels Werbung sowieso niemand gekommen. Somit stand die Entscheidung schnell fest und ebenso schnell waren wir mit Sack und Pack im Bus, um Richtung Bali zu fahren. Man kann sich gut vorstellen, dass die Stimmung im Bus entsprechend war.

19.09. Seminyak

Gemäß dem Sprichwort „Aller guten Dinge sind drei“ waren wir vorgewarnt, dass wir es noch mal mit der indonesischen Staatsmacht zu tun bekommen würden. Nach gut sieben Stunden Fahrt standen wir vor der Fähre nach Bali und da war es dann auch gleich soweit. Man wollte die Ausweise und wir sollten rechts ranfahren. Tyan ging zur Klärung in das Büro der Herren und meinte hinterher nur, es gäbe mal wieder ein Problem. Dieses Mal würde eine Genehmigung der Botschaft fehlen, welche unsere drei Tourbegleiter bräuchten, um Ausländer nach Bali zu bringen. Hört sich spannend an. Tyan bestätigte auch relativ schnell, dass es hier nur um eine „Genehmigung auf dem kurzen Dienstweg“ geht oder kurz gesagt, um Bestechung! Man hätte gerne etwas Kohle, bevor man uns die Überfahrt nach Bali erlauben würde. Wie viel soll es denn sein? Sieben Euro? Kein Problem. Wenn bei uns in Deutschland nur manche Dinge so schnell, günstig und unbürokratisch geregelt werden könnten ...

Aufgrund der ausgefallenen Show waren wir logischerweise einen Tag früher als geplant auf Bali und unsere Urlaubsunterkunft in Seminyak leider noch nicht bezugsfertig. Über App wurden wir dann aber schnell fündig und fanden ein nettes, kleines Hotel unweit unseres Domizils für die nächsten Tage.

Schon bei der Fahrt zum Hotel wurde schnell klar, dass es hier mit der Ruhe vorbei sein sollte. Was Malle für die Deutschen, scheint Bali für Australier zu sein. Massentourismus par excellence! Überfüllte Straßen, Ramsch und Billigsouvenirs an jeder Ecke, massenhaft Tattoo- und Wellness Angebote und glücklicherweise eine Kneipe an der nächsten. Schwierige Umgebung! In diesem Sinne wurde der Tag dann auch fortgesetzt – relaxen, Bier trinken, pennen, baden beziehungsweise einfach nix tun. Hauptsache, nicht im Auto sitzen!

20.09. Denpasar

Tags drauf ging es gegen Mittag nach einem sehr übersichtlichen Frühstück vom Hotel aus in die Unterkunft, in der wir nach der heutigen Show die restlichen konzertfreien Urlaubstage auf Bali ausklingen lassen wollten. Feine Hütte! Deshalb blieben wir gleich hier und verbrachten den ganzen Tag am Pool, vor dem DVD-Player, lesend, biertrinkend und einfach sich freuend, dass bald nur noch Urlaub angesagt ist. Am Spätnachmittag wurden wir allerdings langsam nervös. Keine Antwort von Tyan. Einige Zeit später erreichten uns etliche Nachrichten von anderen Veranstaltern, dass Tyans Handy defekt ist und wir uns doch melden sollten.

Ein paar Stunden später wurden wir dann auch eingesammelt und direkt zum Club in Denpasar kutschiert. Wieder ein cooler Laden. Nettes Ambiente, gut besucht, entspannte Leute, die wie jeden Tag darauf bestanden, den lokalen Arrak (illegaler, klarer, indonesischer Schnaps) ausgiebig zu verkosten – pur schmeckt er in etwa wie verbrannte Autoreifen; gemischt ist das Zeug allerdings echt gut trinkbar. Wie auch bei den vorangegangen Shows waren auch hier die Leute super nett, interessiert und offen. Was sich auch hier wie an fast jedem Ort auf Java rauskristallisierte, ist die Tatsache, dass sehr viele indonesische Punks Hamburg und besonders Berlin als das ultimative Punk-Mekka ansehen. Wir trafen etliche Leute, die entweder schon dort waren oder dort unbedingt mal hinwollen.

Was auf Bali sofort nach unserer Ankunft auffiel: es gibt auch im Supermarkt und eigentlich überall ohne Probleme legal Bier zu kaufen. So auch bei der heutigen Show. Endlich ein Club, bei dem man wie gewohnt kühles Gehopftes bekommt. Die Show selbst war dann eigentlich so wie immer. Ein Kampf mit dem Equipment, etwa zwanzig bis dreißig Minuten Spielzeit, Hitze und ein Publikum, das aus der Reserve gelockt werden wollte. Tja, und dann war alles vorbei!

Kaum zu glauben. Nach so einer langen Planung, nach einer absolut spannenden und abenteuerlichen Reise komplett durch Java nach Bali, nach coolen Shows, unendlich geilen und freundlichen Leuten – ist alles aus! Da kam kurz nach der Show schon beim einen oder anderen etwas Wehmut auf, die aber dank der sehr entspannten Stimmung auch bald wieder verflogen war. Letztlich war jeder der SOS-Reisegruppe superfroh, dabeigewesen zu sein und es bis zum bitteren Ende durchgezogen zu haben.

Auch wenn es hier und da etwas härter war, wir würden so eine Tour sofort wieder machen. In jedem Fall hat wohl jeder Einzelne von uns die Erfahrung mitgenommen, wie gut wir es letztlich daheim doch haben, dies aber gar nicht mehr so recht zu würdigen wissen.

Dank an Tyan, Indra, Cipul, Klink und die restlichen Veranstalter für eine tolle Zeit und die einmaligen Erfahrungen, die wir mit nach Hause nehmen durften!