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SEBADOH

Act Surprised

Letztes Jahr hat Jason Loewenstein ein Foto aus dem Studio auf Instagram gepostet. SEBADOH recording new Album! Nach sechs Jahren Funkstille. Das zehnte offizielle SEBADOH-Album heißt „Act Surprised“ und ich war monatelang aufgeregt wie vor dem Schulball.

Man sollte es bitte nicht nach dem Frontcover beurteilen. Etwas sehr uninspiriert sitzen die drei Musiker da, zottelig, zerzaust und mit einigen Pfunden mehr auf den Rippen, auf einer Parkbank.

Und weil SEBADOH seit ihrem Debüt „The Freed Man“ (Homestead Records, 1989) schon immer großen Wert auf exzellentes Artwork und Merchandise legen, ist der erste Blick auf „Act Surprised“ erstmal eine Enttäuschung.

Was schon etwas arg nach Schnellschuss aussieht, ist aber ein wunderbares und grandioses Album geworden. Lou Barlow und Jason Loewenstein teilen sich wie gewohnt und wie man es von jedem SEBADOH-Album kennt das Songwriting und auch die Leadvocals.

Die Songs von Lou Barlow waren ja immer schon die herausragenden Tracks auf SEBADOH-Alben und „Celebrate the void“, der beste Song auf „Act Surprised“, ist fast so eine Hymne wie „Soul and fire“, „Skull“, „Ocean“ oder „Brand new love“.

„I get the feeling you don’t feel me“ singt Lou Barlow, bevor es plötzlich auf die musikalische Überholspur geht und das Tempo angezogen wird. Kann auch nicht jeder. „Empty my mind, celebrate the void“ Eine Hymne wird zum Kopfschüttler, Wahnsinn! Genau dieses unkontrollierte Vorhersehbare habe ich immer so an den Projekten und Bands von Lou Barlow geliebt und bewundert.

Bei seinem LoFi-Homerecording-Projekt SENTRIDOH, seinen kauzigen Solo-Alben oder bei dem Duo THE FOLK IMPLOSION zusammen mit John Davis, das durch den „Kids“-Soundtrack mit dem Song „Natural one“ sogar an den Billboard-Charts schnuppern durfte.

Und natürlich als Bassist von DINOSAUR JR., wo sein verzerrtes Akkordspiel auf vier Saiten diesen ganz spezifischen Soundteppich ausmacht. Die Loewenstein-Hälfte ist wütend, laut, kurz, noisy und sensationell prägnant auf den Punkt.

Sofort erinnern Songs wie „Stunned“ oder „Phantom“ an MINUTEMEN, SQUIRREL BAIT, VOLCANO SUNS, MEAT PUPPETS oder FLIPPER – die alte US-Hardcore- und Post-Punk-Schule also, deren Teil Jason Loewenstein und Schlagzeuger Bob D’Amico schon vor SEBADOH waren, als sie zusammen bei CIRCLE OF BUZZARDS und FIERY FURNACES spielten.

Jason Loewenstein, eigentlich gar kein Schlagzeuger, hat 1995 übrigens mit nur einem Arm auf dem wunderbaren Album „Viva Last Blues“ von PALACE MUSIC getrommelt. Will Oldham und Produzent Steve Albini haben ihm schon am zweiten Studiotag das beidhändige Schlagzeugspiel untersagt, aber das ist eine andere Geschichte.

Gimme Indierock, Alter!