CHEFDENKER

Eine von hundert Mikrowellen CD

Es hat ja doch einige Vorteile, als so eine Art Musikjournalist tätig zu sein. Wenn eine Platte auf den Markt kommt, dann kennt man die schon in- und auswendig, hat die natürlich schon vor Monaten auf dem Schreibtisch und in der Anlage gehabt, zu einem Zeitpunkt als dem gemeinen Pöbel noch nicht mal der Titel der Platte verraten wurde.

Manchmal ist man sogar so privilegiert, dass einen das Ding so früh erreicht, dass noch nicht mal ein Presseinfo verfasst wurde. Und dann sitzt man da, hält eine nackte CD-Hülle in der Hand, man kennt keine Songtitel und weiß nicht, wie das Cover aussieht, man soll aber etwas über die Platte schreiben, das über "Find' ich sehr super" hinausgeht.

Immerhin kann man sich die Musik anhören und darauf kommt es ja an. Aber wie liest sich das denn, wenn man schreibt, Lied Nummer vier und sechs sind großartig? Eventuell ändert sich die Song-Reihenfolge bis zum Erscheinen ja noch, und dann hat man vielleicht die beiden beschissensten Songs der Platte gelobt und steht da wie ein Idiot, der gar keine Ahnung hat.

Aber das Risiko gehe ich ein, denn die Lieder vier und sechs des neuen CHEFDENKER-Albums "Eine von hundert Mikrowellen" sind nämlich wirklich sehr gut, wie überhaupt die ganze Platte ganz grandios geworden ist.

Die Kölner haben es problemlos geschafft, den schon sehr guten Vorgänger "16 Ventile in Gold" noch zu übertreffen. Noch mehr Rockgitarre und ein stärkerer Hang zur Millionen-Feuerzeuge-im-Stadion-Ballade einerseits, ganz neue Facetten im CHEFDENKER-Sound dagegen andererseits.

Da ist zum Beispiel bei zwei Songs ein gewisser Zeltinger-Einfluss zu hören - ich weiß jetzt schon, dass ich wegen dieser Äußerung nach dem Erscheinen der Platte böse ausgelacht werde: "Ha, der Trottel vom Ox hat gar nicht erwähnt, dass da XY singt", das Problem hatte ich ja schon beschrieben - und bei Song Nummer 16 - schon wieder, verdammt - wagt man sich in Bereiche, die sonst nur von DIE ÄRZTE verarbeitet werden.

Die katastrophalen gesellschaftlichen Folgen von Großraumdisco-Techno wurden wahrscheinlich noch nie so treffend formuliert. Natürlich sind Stimme und Texte von Sänger Claus nach wie vor sehr prägnant und irgendwie auch eine Art Aushängeschild des CHEFDENKER-Sounds, aber "Eine von hundert Mikrowellen" zeigt eine gut aufeinander eingespielte und musikalisch versierte Punkrock-Band, die, mehr als noch auf "16 Ventile in Gold", vor allem als Team funktioniert.

Und wie schon gesagt, find ich das hier sehr super. Überzeug dich selbst anhand des Tracks auf der aktuellen Ox-CD und verzeih mir, wenn dann doch noch alles etwas anders kommt. Ich hatte ja nur die Vorab-CD zur Verfügung.

(09/10)