20 Jahre später: SMOKE BLOW

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German Angst (CD/LP, Nois-O-Lution, 2003)

Einen erstaunlichen Ruf als Live-Band hatten sich SMOKE BLOW 2003 bereits bei den Vorgängeralben erarbeitet. Geschichten wie „Letten hat backstage in einen Cowboystiefel gekackt“ oder „Der steckt sich live einen Drumstick in den Po“ machten die Runde. Punk, Provokation, Prolligkeit, gepaart mit den übergroßen Bühnen-Egos von Jack Letten und (später) MC Straßenköter sorgten für bierselige Konzerte mit Nasenbluten und manchem Lacher aufgrund der Zwischenansagen, aber eben auch für Missmut, wenn die Pöbeligkeit auf der Bühne Überhand nahm. Gut nachzuhören ist die Attitüde in den Gesprächsfetzen auf dem „The Decline Of Kiel’s Civilization“-Sampler. Bereits mit den ersten Songs auf „German Angst “ vollziehen SMOKE BLOW jedoch eine musikalische Kehrtwende vom Stoner-Rock und bisweilen AmRep-würdigen Noise des Frühwerks. Und so knallen mit „Sick kid ’85“, „Alligator rodeo“ und „Hate kill destroy“ drei an Achtziger-Jahre-Hardcore geschulte Songs in breitwandigem Sound aus den Boxen. Es bleibt keine Zeit zum Innehalten, denn im Anschluss vereint „Dancing with the dead“ MISFITS mit BLACK FLAG. Erst das groupshoutige wie eingängige „Skoolyard fool“ nimmt etwas Tempo raus, nur damit SMOKE BLOW mit „Circle of fear“ wieder Fahrt aufnehmen. Bis auf das überflüssige, uninspiriert rumriffende „Diabolical/satanical“ bleibt das Album bis zum Schluss eine gelungene Vermählung von Schweinerock und Hardcore. Und mit „Octopuss“ wird schließlich sogar wieder der Bogen zum Krach der früheren Alben geschlagen. Auch inhaltlich gibt es bei „German Angst“ den Rückgriff auf „klassische“ Punk/Hardcore-Themen. Vieles kommt einem beim Zitate-Overkill in Lettens Texten seltsam vertraut vor. Bei „Media blizzard“ winken kurz die GERMS („Media Blitz“) um die Ecke. Und „Police robots“ probt mit der initialen Textzeile „Scumbags gotta be united“ und brutalem Halftime-Part den Aufstand gegen die Staatsgewalt. Hier darf der PUBLIC ENEMY-Slogan „Fight the power“ auch als Schlachtruf herhalten. Auch wenn die mackerige Attitüde, die sich damals auch bei den Konzertbesuchern widerspiegelte, heute antiquiert wirkt und gegenwärtig zum Glück (endlich!) kritisch diskutiert wird, ist das Wechselspiel aus Krawall und Eingängigkeit, das SMOKE BLOW auf „German Angst“ zelebrieren, schon ziemlich einmalig. Kein Wunder, dass der Bekanntheitsgrad der Kieler Band in der Folge deutlich steigt und unter anderem ins Vorprogramm von DIE TOTEN HOSEN und DIE ÄRZTE führt. Letten ist sogar zu Gast in einer MTV-Sendung mit Bela B. Der wiederum ist dann auf „Dark Angel“ Gastsänger. Am 16.12.2023 werden SMOKE BLOW übrigens mit „German Angst“ im Rahmen der Lieblingsplatte-Reihe im Düsseldorfer Zakk zu Gast sein.